Erst wurde die Frist verlรคngert, jetzt wurde die Ausschreibung fรผr Bรผcherbeschaffung fรผr die Stadtbibliothek ganz aufgehoben. Das teilten das Dezernat Kultur und die Leipziger Stรคdtischen Bibliotheken am Freitag, 10. Juni, mit. Lรคngst gab es ernsthafte Nachfragen in den Ausschรผssen des Stadtrates und auch zwischen รmtern der Verwaltung einige ernsthafte Diskussionen: Was macht ihr da mit der Buchstadt Leipzig?
Denn nachdem es die Leipziger Stadtbibliothek so machte wie viele andere Stadtbibliotheken in Deutschland auch โ nรคmlich ihre Bestellung von Bรผchern, CDs usw. in รผberschaubaren Paketen รผber den รถrtlichen Buchhandel abzuwickeln โ entschied Leipzigs Stadtbibliothek 2021 auf einmal, sรคmtliche Bestellungen in einer groรen Ausschreibung zusammenzupacken und auch gleich noch buchbinderische und bibliothekstechnische Leistungen mit hineinzuschreiben, die man vorher im Haus selbst erledigt hatte. Und das gleich mal fรผr vier Jahre.
Das Ergebnis: Auf einmal รผberschritt die Ausschreibung die Grenze von 215.000 Euro, nach der solche Vergaben europaweit ausgeschrieben werden mรผssen. Insgesamt liegt der Beschaffungsetat der Stadtbibliothek bei รผber 1,2 Millionen Euro im Jahr.
Denn wenn die Vergabe so erfolgt wรคre, wie sie im April ausgeschrieben wurde, hรคtte kein lokaler Buchhรคndler mehr die Chance gehabt, am Ende den Auftrag zu bekommen.
An einer Ausschreibung soll festgehalten werden
Am 10. Juni meldeten nun Kulturdezernat und Stadtbibliothek: โDas Verfahren zur Vergabe von Buchmedien einschlieรlich Nebenleistungen (Folierungen und andere bibliotheksspezifische Serviceleistungen) fรผr die Leipziger Stรคdtischen Bibliotheken (LSB) soll nach intensiver interner Beratung aufgehoben und noch in diesem Jahr neu ausgeschrieben werden.
Die bisherige Aufteilung in Fachlose wird neu strukturiert und in weitere kleinere Teillose untergliedert, um dem รถrtlichen und regionalen Buchhandel die Beteiligung zu erleichtern.
Zugleich soll die Laufzeit der Rahmenvertrรคge von bislang vier Jahren auf zukรผnftig zwei Jahre mit einer Mรถglichkeit zur Verlรคngerung auf bis zu vier Jahre geรคndert werden. Davon verspricht sich die Stadt mehr
Chancengerechtigkeit, insbesondere fรผr kleinere Buchhandlungen. Unverรคndert bleibt, dass es nach wie vor einer europaweiten Ausschreibung fรผr die benรถtigten Leistungen bedarf.โ
Das ist erst einmal nicht mehr als ein Kompromiss. Und das Wort Chancengerechtigkeit ist hier eigentlich fehl am Platz. Denn sowohl die โNebenleistungenโ, die kleine Buchhandlungen in der Regel nicht anbieten kรถnnen, als auch die Grรถรenordnung fรผr eine europรคische Ausschreibung bleiben erhalten.
Was zusammengenommen weiterhin รผberregional tรคtige Groรbuchhandlungen bevorteilt, die sowohl groรe Buchlieferungen bewรคltigen als auch die Nebenleistungen erbringen kรถnnen.
Die Meldung des Kulturdezernats bestรคtigt genau diese Haltung.
Welche Kompetenz hat da der Vergabeausschuss?
Ob das freilich so im Stadtrat durchgeht, ist fraglich. Denn eine Umsetzung lรคuft eben doch darauf hinaus, dass der Groรteil des Bestellvolumens nicht mehr bei den kleinen Buchhandlungen in Leipzig bleibt, sondern zu einem Groรanbieter abwandert.
Im Mai schon hatte deshalb die Linke-Stadtrรคtin Juliane Nagel eine entsprechende Anfrage zu den Grรผnden gestellt, die die Verwaltung bewogen haben, so eine Ausschreibung รผberhaupt zu starten.
Ihre Fragen:
โAuf welcher Grundlage wurden das Verfahren und die Angebotsfrist verlรคngert und was waren die Grรผnde?
Ist das laufende Ausschreibungsverfahren zu stoppen, wenn ja, unter welchen Bedingungen? Mit welchen Kosten wรคre der Stopp des Vergabeverfahrens verbunden? Welche Kompetenz hat in diesem Zusammenhang der Vergabeausschuss?
Den Vergaben wurden anders als in den Vorjahren Servicedienstleistungen hinzugefรผgt. Wurde hierbei im Vorfeld eine Marktanalyse durchgefรผhrt, die es wahrscheinlich machte, dass dies auch durch die Einzelhรคndler/-innen vor Ort, beispielsweise auch durch lokale Bieter/-innengemeinschaften angeboten werden kann?
Welche konkreten Grรผnde sprechen aus Sicht der Stadt auรer den angeblichen vergaberechtlichen Normen fรผr eine europaweite Ausschreibung und einen so langen Ausschreibungszeitraum von vier Jahren?โ
Die Fragen wird sie dann wohl in der Ratsversammlung am 15. Juni beantwortet bekommen. Ob tatsรคchlich erschรถpfend und so, dass die Verwaltung wirklich belastbare Grรผnde vorbringen kann, warum sie die Buchbeschaffungspraxis jetzt so radikal รคndert, werden wir sehen.
Wo bleiben die kleinen Buchhรคndler/-innen?
Aber auch im Jugendparlament versteht man das Vorgehen nicht, das hier die auf einmal eine europรคische Ausschreibung vonnรถten sieht, wo andere deutsche Stadtbibliotheken nur noch die Kรถpfe schรผtteln รผber das Leipziger Vorgehen.
โFรผr kleine Buchhรคndler ist das neue Erwerbungsetat der Stadtbibliothek ein Schlag ins Gesicht und eine existenzielle Bedrohungโ, stellt das Jugendparlament in einem sehr konkreten Antrag fest, der auch die von der Stadt angedachten verรคnderten Modalitรคten als vรถllig unzureichend erscheinen lรคsst.
โDiesen eindeutigen Fehler gilt es abzufedern und in Zukunft zu vermeiden. Dabei kann die Stadt Leipzig sich nach einem Rechtsgutachten des Bรถrsenvereins des Deutschen Buchhandels richten, welches sich genau mit der in Leipzig vorliegenden Situation beschรคftigt. Dieses erรถffnet die Punkte eins und zwei als Alternative zur europaweiten Ausschreibung.
Der Punkt drei muss als Bekenntnis zu den Leipziger Buchhรคndlern verstanden werden und als ein Versuch, Vertrauen wieder aufzubauen. Der Punkt vier gilt dem Erhalt der vielfรคltigen und kulturell wertvollen Leipziger Buchhandlungen. Eine genauere Begrรผndung ist dem Jugendparlamentsantrag 22/23 zu entnehmen.โ
Die Punkte 1 und 2, die das Jugendparlament beantragt, lauten:
1. Zukรผnftige Erwerbungsetats werden fรผr die Stadtbibliothek, die einzelnen Stadtteilbibliotheken, die fahrende Bibliothek und die Musikbibliothek einzeln ausgeschrieben.
2. Zukรผnftige Erwerbungsetats werden immer nur fรผr ein Jahr ausgeschrieben.
Denn auch wenn Leipzigs Verwaltung hier nun auf das europรคische Wettbewerbsrecht zeigt, widerspricht das genau den vollmundigen Bekenntnissen zur Buchstadt Leipzig und zum lokalen Handel, der in den zwei Corona-Jahren sowieso schon gebeutelt wurde.
Was nutzen gut bezahlte City-Manager, wenn man gleichzeitig gleich mehreren Buchhรคndlern in der Stadt den wohl wichtigsten Auftrag entzieht? Denn bei manchen Buchhandlungen machen die Bestellungen der Stadtbibliothek zwischen 10 und 30 Prozent des Umsatzes aus. Einige haben auch schon angekรผndigt zu schlieรen, wenn ihnen diese Einnahmen wegbrechen.
Hat die Stadt auch die Pflicht, sich um die hier ansรคssigen Hรคndler zu sorgen?
Ja, findet das Jugendparlament und beantragt:
3. Die Mittel werden, wann immer es geht, bei den in Leipzig ansรคssigen Hรคndlern ausgegeben.
4. Die Verwaltung prรผft, wie zu erwartende Einbuรe, Entlassungen und Schlieรungen durch die europaweite Ausschreibung des Etats von 2023 bis 2026 bei Buchhรคndlern abgefedert werden kรถnnen.
Das wรคre dann die Krรถnung des Verfahrens, wenn die Lieferauftrรคge an Groรbuchhรคndler weggegeben werden und die Stadt dann ein Rettungspaket fรผr lokale Buchhรคndler/-innen auflegt. Da gibt es dann bestimmt freundliche Post aus Schilda.
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