Der Markt regelt gar nichts. Das gilt auch für den sogenannten Wohnungsmarkt und die halbherzigen Versuche deutscher Regierungen, ihn irgendwie wieder ins Lot zu bringen. Da klingt es nur auf den ersten Blick gut, wenn die IG BAU Nord-West-Sachsen jetzt meldet: „In Leipzig wurden im vergangenen Jahr 1.830 neue Wohnungen gebaut.“

Denn in Wirklichkeit ist es eine alarmierende Nachricht, denn damit ist der Bau neuer Wohnungen in Leipzig sogar zurückgegangen – mitten in einer Zeit, in der die Stadt weiter wächst und gerade bezahlbare Wohnungen zur Mangelware geworden sind.

Nach jeweils rund 2.300 neuen Wohnungen in den Jahren 2018 und 2019 hatte Leipzig im Jahr 2020 erstmals 3.372 fertiggestellte Wohnungen gemeldet. Doch mittlerweile klemmt es im Wohnungsbau wieder deutschlandweit, wie die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) unter Berufung auf aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes feststellen kann.

Danach flossen in den Neubau Investitionen in Höhe von rund 513 Millionen Euro. „Zusätzliche Wohnungen sind ein wichtiger Beitrag gegen steigende Mieten. Wichtig ist dabei das bezahlbare Segment. Und es kommt vor allem darauf an, dass im sozialen Wohnungsbau noch mehr getan wird“, sagt Bernd Günther, der Bezirksvorsitzende der IG BAU Nord-West-Sachsen.

Das Statistische Bundesamt hatte entsprechende Gründe genannt: „Der Rückgang der Baufertigstellungen bei gleichzeitiger starker Zunahme des Bauüberhangs deuten auf angebotsseitige Störungen hin, die Unternehmen und Bauherren daran hindern, ihre Vorhaben zeitnah zu realisieren. Hier dürften Lieferengpässe und Rohstoffknappheit, deutliche Preissteigerungen als Folge einer erhöhten Nachfrage nach Baustoffen wie Holz und Stahl im In- und Ausland sowie die hohe Auslastung beziehungsweise Personalknappheit im Baugewerbe eine maßgebliche Rolle spielen.“

Günther sieht insbesondere die Politik in der Pflicht. Der Wohnungsbau in der Region könne nur dann Power zeigen, wenn in Berlin und Dresden die richtigen Weichen gestellt würden.

„Die Bundesregierung hat 400.000 neue Wohnungen pro Jahr versprochen. Ein Viertel davon sollen Sozialwohnungen sein. Von diesem Ziel ist die Ampel-Koalition noch weit entfernt. Hier ist aber auch die Landespolitik gefordert“, so Günther.

Im vergangenen Jahr sind laut Statistik bundesweit lediglich 293.400 neue Wohnungen entstanden – 4,2 Prozent weniger als im Vorjahr. Zudem erschweren knappe Baumaterialien, steigende Energiepreise, Inflation und steigende Bauzinsen derzeit den Neubau, so die Gewerkschaft. Hinzu kämen ein hoher Fachkräftebedarf und unzureichende staatliche Förderungen.

Gerade bezahlbare Wohnungen fehlen

Um vor allem „den lahmenden Bau von Sozialwohnungen voranzubringen“, schlägt die IG BAU ein „Sonderpaket sozialer Wohnungsbau“ vor. Die Mehrwertsteuer auf Sozialwohnungen solle von 19 auf sieben Prozent abgesenkt werden. Der Bau einer staatlich geförderten Wohnung würde nach Angaben der Gewerkschaft so um zehn Prozent günstiger.

„Außerdem müssen Bund und Länder dringend das Baurecht vereinfachen. Es wird höchste Zeit, dass Genehmigungsverfahren schlanker und schneller werden. Zwischen Bauantrag und Baubeginn geht oft wertvolle Zeit verloren“, betont Günther.

Der IG BAU-Bezirksvorsitzende verweist auf eine enorme Chance, um zusätzlichen Wohnraum zu gewinnen: den Umbau bereits bestehender Gebäude.

„In Leipzig schlummert ein großes Potenzial in der Umnutzung von Altbauten. So lassen sich bei vielen Wohngebäuden, Büro-, Geschäfts- und Parkhäusern Dachetagen aufstocken. Dazu kommt – durch mehr Homeoffice – der Umbau von Büros zu Wohnungen“, sagt er.

Ein Gedanke, der schon seit über fünf Jahre auch in der Stadtpolitik diskutiert wird. Passiert ist seitdem aber nichts. Gerade auch mit Blick auf den steigenden Wohnraumbedarf für die Menschen, die vor dem Krieg aus der Ukraine geflüchtet sind, müssten alle Möglichkeiten genutzt werden.

An die Adresse der heimischen Baubranche macht der Gewerkschafter deutlich: „Viele Firmen suchen dringend Fachkräfte, um die Aufträge bewältigen zu können. Aber qualifizierte Maurer und Zimmerleute gewinnt nur, wer anständige Löhne zahlt und gute Arbeitsbedingungen bietet.“

Baubeschäftigte sollten sich nicht unter Wert verkaufen und auf einer tariflichen Bezahlung bestehen. Genug zu tun gebe es allemal, so Günther.

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