In der vergangenen Woche haben die sächsischen IHKs schon die Gesamtergebnisse zur Frühjahrs-Konjunkturumfrage veröffentlicht. Aber im Detail zum IHK-Bezirk Leipzig sieht es natürlich auch nicht anders aus. Auch hier hat Putins Überfall auf die Ukraine die Unternehmen, die sich gerade aus der Corona-Krise herausarbeiteten, eiskalt erwischt.
Trotz Rücknahme der meisten Corona-Restriktionen in diesem Frühjahr haben sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die gewerbliche Wirtschaft in Leipzig deutlich verschlechtert, teilt die IHK zu Leipzig mit. Dafür ist vordergründig der russische Angriffskrieg in der Ukraine verantwortlich.
Insbesondere die Geschäftsaussichten der Unternehmen geben auf breiter Front nach. Der IHK-
Geschäftsklima-Index fällt gegenüber dem Jahresbeginn um weitere sieben auf 110 Punkte. Zu diesem Ergebnis kommt die Konjunkturbefragung der Industrie- und Handelskammer zu Leipzig im Frühjahr 2022.
Die Befragung fand im Zeitraum 29. März bis 24. April 2022 statt; 626 Unternehmen aller Branchen und Größenklassen mit mehr als 35.000 Beschäftigten hatten teilgenommen.
Pessimismus und kein Corona-Erholungseffekt
„Der Angriff Russlands auf die Ukraine und die daraus resultierenden Sanktionen sind neue Risikofaktoren und sorgen für eine deutliche Verschlechterung des konjunkturellen Klimas. Dies ist für viele Unternehmen eine dramatische Entwicklung, zumal die Auswirkungen der Corona-Maßnahmen längst noch nicht überwunden sind“, kommentierte Kristian Kirpal, Präsident der IHK zu Leipzig, die Umfrageergebnisse.
Aber er muss auch feststellen: „Von einer konjunkturellen Erholung nach Aufhebung der Corona-Restriktionen kann keine Rede mehr sein. Stattdessen überwiegen in den meisten Wirtschaftsbereichen erneut die pessimistischen Stimmen. Vor allem die Preisexplosion bei den Energieträgern und die seit Monaten andauernden Lieferengpässe bei Rohstoffen, Materialien und Vorprodukten machen den Unternehmen immer mehr zu schaffen.
Der Kostendruck hat sich massiv erhöht und gefährdet zunehmend die Wirtschaftlichkeit vieler Betriebe. Es müssen daher alle politischen Möglichkeiten zur Beendigung der Preisspirale und zur schnellen Senkung der Energie- und Kraftstoffpreise genutzt werden. Sanktionen sollten nicht zulasten der Versorgungssicherheit und Preisstabilität gehen.“
Krieg brachte neue Verunsicherungen
Mit der Aufhebung der Corona-Beschränkungen haben sich die Arbeitsbedingungen für viele Unternehmen wieder spürbar verbessert. Dennoch konnte die Geschäftslage gegenüber dem Jahresbeginn nur minimal zulegen. Der Saldo steigt gerade einmal um zwei auf 30 Prozentpunkte.
Erwartungen: Infolge des Ukraine-Krieges haben die Unternehmen ihre Geschäftserwartungen deutlich nach unten korrigiert. Die Verunsicherung bezüglich des weiteren Verlaufes des Krieges und seine wirtschaftlichen Auswirkungen ist ausgesprochen hoch und steht den Auf- und Nachholeffekten nach dem Wegfall der meisten Corona-Maßnahmen gegenüber.
Der Prognose-Saldo für den Wirtschaftsbezirk fällt deshalb um 14 auf – 7 Prozentpunkte und liegt damit sogar noch unter dem Vorjahresstand, stellt die IHK fest.
Was Folgen hat – auch für die geplanten Investitionen. Ihre Investitionsplanungen haben die Unternehmen in Anbetracht der unsicheren Konjunkturentwicklung wieder zurückgefahren. Die schnell wechselnden Geschäftsbedingungen machen derzeit eine stetige Anpassung der Investitionsaktivitäten notwendig, um Fehlinvestitionen zu vermeiden, erklärt die IHK das Problem.
Der Investitionssaldo hat sich um acht auf 5 Prozentpunkte mehr als halbiert. Neben Ersatzbeschaffungen investieren die Unternehmen weiterhin verstärkt in Innovationen.
Personal wird trotzdem gesucht
Entgegen der verschlechterten Geschäftsaussichten bleibt die Personalnachfrage der Unternehmen unverändert hoch. Hier wirkt der seit Jahren zunehmende Arbeits- und Fachkräftemangel als stabilisierender Faktor. In 54 Prozent der befragten Unternehmen sind aktuell offene Stellen unbesetzt, sodass ein Personalabbau meist nur unter außergewöhnlichen Umständen in Betracht gezogen wird. Derzeit planen mit 24 Prozent mehr als doppelt so viele Unternehmen, Personal einzustellen als zu reduzieren.
Hauptrisikofaktor Energiepreise
Aufgrund der zuletzt nochmals drastisch gestiegenen Energiepreise behauptet dieser Faktor – nun bereits mit größerem Abstand – die Spitzenposition im aktuellen Risikoradar der Unternehmen, kann die IHK feststellen.
Für bereits 69 Prozent der Betriebe stellen die Energiepreise ein geschäftliches Risiko dar. Mit 60 Prozent und mehr folgen die Entwicklung der Kraftstoff- und der Rohstoffpreise auf den Plätzen 2 und 3. Mit Blick auf die geplante Anhebung des Mindestlohnes ist mit den Arbeitskosten auf Rang 4 ebenfalls ein kostenintensiver Faktor für über die Hälfte der Unternehmen relevant. Es zeigt sich deutlich, dass der Kostendruck auf die Unternehmen von verschiedenen Seiten massiv zugenommen hat, was wiederum zu Eigenkapitalrückgängen und Liquiditätsengpässen führt.
Die Lage in den einzelnen Branchen
Industrie: Die Geschäftslage hat sich gegenüber dem Jahresbeginn kaum verändert. Sowohl die Auftragseingänge als auch die Umsätze sind geringfügig gestiegen. Nach wie vor melden über die Hälfte der Industriebetriebe eine gute Geschäftslage. Demgegenüber sehen die Unternehmen ihre künftige Entwicklung massiv beeinträchtigt. Neben den unverändert großen Lieferengpässen bei Materialien und Vorprodukten belasten vor allem die Preisexplosionen bei Rohstoffen und Energie die Betriebe. Die Industriekonjunktur dürfte somit stark ausgebremst werden.
Baugewerbe: Von zunehmenden Problemen bei der Beschaffung von Baumaterialien sowie von massiven Preissteigerungen berichten auch die Bauunternehmen. Erstmals nach über fünf Jahren verliert die Baubranche die Spitzenposition bei den Lagebeurteilungen an das Dienstleistungsgewerbe.
Auch ihre Geschäftsaussichten sehen die Baufirmen skeptisch. Bereits jetzt gehen die Auftragseingänge zurück und aufgrund der unsicheren Konjunkturentwicklung erwarten die Unternehmen vorerst keine Umkehr, zumal steigende Materialpreise und lange Wartezeiten die Bautätigkeit massiv behindern.
Dienstleistungen: Mit der Aufhebung der meisten Corona-Regelungen haben sich die Geschäftsbedingungen für viele Dienstleistungssparten erheblich verbessert. Per Saldo geben die Dienstleister erstmals seit dem Herbst 2016 wieder die beste Lagebeurteilung unter allen Wirtschaftsbereichen ab. Trotz der guten Lageentwicklung trüben sich die Geschäftsaussichten jedoch wieder ein. Aufgrund der durch den Ukraine-Krieg verschlechterten konjunkturellen Perspektiven befürchten die Unternehmen einen Nachfragerückgang ihrer eigenen Dienstleistungsangebote.
Einzelhandel: Trotz des Endes der coronabedingten Kontaktbeschränkungen fällt die Stimmung im Einzelhandel weiter. Die drastisch erhöhten Einkaufs- und Energiepreise sowie die steigenden Transportkosten haben in den vergangenen Wochen zu einer deutlich verschlechterten Ertragsentwicklung bei vielen Einzelhändlern geführt. Aufgrund der hohen Inflationsrate blicken die Unternehmen äußerst pessimistisch in die Zukunft. Der starke Preisanstieg führt zu einer Entwertung der Realeinkommen, was wiederum die Kaufkraft der Verbraucher schmälert. Bereits jetzt sinkt deren Konsumlaune deutlich.
Großhandel: Die Lage im Großhandel hat sich gegenüber dem Jahresbeginn nur leicht eingetrübt. Die Firmen konnten von der noch guten Lage im produzierenden Gewerbe und von Nachholeffekten im Einzelhandel profitieren. Mit Blick auf die kommenden Monate überwiegen jedoch auch bei den Großhändlern die skeptischen Stimmen. Damit folgt die Branche der pessimistischen Erwartungshaltung seiner Kunden. Sowohl aus dem gewerblichen als auch privaten Sektor ist aufgrund des schwierigen wirtschaftlichen Umfeldes mit weniger Aufträgen zu rechnen.
Verkehrsgewerbe: Ein drastischer Stimmungseinbruch kennzeichnet das Bild im Verkehrs- und Logistikgewerbe. Mit Beginn des Krieges in der Ukraine erreichte die Dynamik der Kraftstoffpreisanstiege unbekannte Ausmaße. Mit diesem Preisschock hat sich die Lage insbesondere bei den Transportunternehmen deutlich verschlechtert. In Anbetracht der kritischen Lage haben sich auch die Geschäftserwartungen, nach zuversichtlichen Prognosen zum Jahresbeginn, nunmehr völlig gedreht. Das aktuelle Preisniveau bei Kraftstoffen ist für viele Unternehmen – mit Blick auf die schwindende Liquidität – nicht dauerhaft durchzuhalten; entsprechend pessimistisch sind deren Geschäftsaussichten.
Gast- und Tourismusgewerbe: Nach dem dramatischen Stimmungseinbruch während der vierten Corona-Welle zeigt sich das Gast- und Tourismusgewerbe momentan wieder deutlich dynamischer. Mit der Aufhebung der Kontakt- und Zugangsbeschränkungen haben sich die Geschäftsbedingungen grundsätzlich verbessert. Dennoch ist die Situation vielerorts noch äußerst schwierig. In Anbetracht der kritischen Ausgangssituation, in der sich viele Tourismus-unternehmen befinden, kommen die gestiegenen Geschäftserwartungen – auch aufgrund bestehender Nachholeffekte – nicht überraschend.
Dennoch bergen die Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln und Energie, die Probleme bei der Personalsuche und nicht zuletzt das sinkende Konsumklima große Risiken für den gestarteten Aufholprozess der Branche.
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