Klimanotstand? War da was? Oder machen Leipzigs Kommunalbetriebe trotzdem einfach weiter, was sie wollen? Diese Frage stellte sich wohl zu Recht Michael Neuhaus, umweltpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Leipziger Stadtrat, nachdem er vom OBM die letztlich unzureichende Antwort zu seiner Anfrage zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren bei den kommunalen Unternehmen bekommen hat.
Am 30. Oktober 2019 verabschiedete der Stadtrat den Leipziger Klimanotstand. Im Beschlusspunkt 10. heißt es dort: „Die Anschaffung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor auf Basis fossiler Energieträger in der Stadtverwaltung, den Eigenbetrieben und den Beteiligungsunternehmen, bei denen die Stadt die zur Durchsetzung erforderliche Mehrheit der Anteile hält, wird ab sofort eingestellt. Über Ausnahmen entscheidet der Stadtrat.“ Eigentlich ein klarer Beschluss, der aber sichtlich in den Kommunalbetrieben unterlaufen wurde.Die Antwort auf die Anfrage der Fraktion Die Linke im Leipziger Stadtrat wirft da große Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Umsetzung dieses Beschlusspunkts auf. Dazu erklärt Michael Neuhaus, umweltpolitischer Sprecher der Fraktion: „Während der Stadtrat über jede Ausnahme vom Klimanotstand in den Eigenbetrieben (z. B. Stadtreinigung) öffentlich und transparent in der Ratsversammlung entscheidet, scheint der Wille zur Umsetzung in den Beteiligungsunternehmen ohne diese öffentliche Kontrolle eher auf dem Prinzip ‚Was der Stadtrat nicht weiß, macht den Stadtrat nicht heiß‘ zu basieren.“
Jüngst erst gab es ja einen heftigen Streit darüber, ob die Bürgermeister/-innen der Stadt künftig neue Hybridfahrzeuge als Dienstwagen bekommen sollen. Hybridfahrzeuge auch deshalb, weil die Stadt deren Anschaffung ausgerechnet mit der größeren Reichweite durch die eingebauten Verbrennungsmotoren begründete. Ohne freilich begründen zu können, warum alle Bürgermeister/-innen solche kraftstrotzenden Dienstmobile haben müssen, um jeden Tag irgendwie hunderte Kilometer außerhalb des Stadtgebietes zurückzulegen.
Die Verwaltung ruderte schnell zurück, denn solche Touren fährt augenscheinlich nur der Oberbürgermeister.
Da kam es Michael Neuhaus dann doch sehr spanisch vor, als er nun erfuhr, dass die Leipziger Unternehmen der L-Gruppe seit Januar 2020 eben nicht nur 65 neue Nutzfahrzeuge gekauft haben, von denen 54 mit Verbrennungsmotor ausgestattet sind. Wenn es um spezielle Nutzfahrzeuge geht, für die es auf dem Markt schlicht noch keine E-Modelle im Angebot gibt, wäre das ja noch verständlich. Aber genauer ausgeführt wird das in der Antwort des OBM nicht.
Aber richtig peinlich wird es, wenn auch von den 86 neu angeschafften Personenkraftwagen 42 reine Verbrenner und 20 Hybridfahrzeuge sind.
„In den Eigenbetrieben wurde unserer Kenntnis nach kein einziger PKW mit Verbrennungsmotor angeschafft. Lediglich Nutzfahrzeuge ohne Alternativen wurden genehmigt“, stellt Neuhaus fest. „Die Möglichkeit von Fahrzeugen mit alternativem Antrieb wird derzeit geprüft. In der L-Gruppe nimmt man den Klimanotstand hingegen weniger genau. Seit dem 1. Januar 2020 wurden 86 neue PKWs und 65 Nutzfahrzeuge angeschafft. Fast die Hälfte der PKW, 42, waren reine Verbrenner, weniger als ein Drittel, 24 PKW, waren reine Elektrofahrzeuge. Von den 65 neuen Nutzfahrzeugen basierten 54 Fahrzeuge auf fossilen Energieträgern. Eine übergreifende Statistik für alle Beteiligungsunternehmen liegt noch nicht vor.“
Die soll es erst mit den Jahresabschlussberichten für 2020 geben – vielleicht im Juni. Aber so hatte sich der Stadtrat das doch nicht gedacht, findet Neuhaus: „Über die Probleme bei der Umrüstung des Fuhrparks will die Verwaltung mehrfach in den Gremien berichtet haben. Welche Gremien gemeint sind, bleibt dabei allerdings offen. Mehrmalige Nachfragen brachten keine Antworten auf unsere Fragen, wodurch die vorliegende öffentliche Anfrage überhaupt erst notwendig wurde.“
Denn hätte es die Berichterstattung gegeben, würde vielleicht klarer sein, warum bestimmte Dienstwagen noch nicht durch Elektrofahrzeuge ersetzt werden können. Immerhin gibt es in allen drei Unternehmen (Wasserwerke, Stadtwerke und Verkehrsbetriebe) auch Noteinsätze, in denen Techniker und andere Spezialkräfte ohne Zeitverzug vor Ort sein müssen, um Havarien zu begutachten und Lösungen zu organisieren.
Da steht dann die Frage im Raum: Wären die Kommunalbetriebe in der Lage, so ein Einsatzregime auch mit E-Fahrzeugen abzusichern, ohne dass unterwegs der Saft ausgeht? Was eigentlich gerade für diese Unternehmen kein Problem sein sollte, denn die Stadtwerke sind ja der Hauptinitiator des Ladenetzes in Leipzig. Da sollte man auch die Betriebsfahrzeuge der L-Gruppe einsatzsicher aufladen können. Oder geht es gar nicht um dienstliche Einsätze, sondern um Prestige? Michael Neuhaus hat da so einen Verdacht.
„Auch andere Ausführungen der Verwaltung machen mich als Stadtrat eher ratlos. Als ein Problem führt die Stadt, wie bei der Dienstwagendebatte für Bürgermeister/-innen, wieder an, dass die Geschäftsführer/-innen ihre Dienstwagen auch für private Zwecke nutzen dürfen. Dadurch würde eine Änderung der Arbeitsverträge bei Umsetzung des Klimanotstands notwendig werden. Dass es in Arbeitsverträgen allerdings ein Recht auf einen Benziner oder einen Diesel gibt, wäre mir neu“, sagt der Stadtrat der Linken.
Da überzeuge auch der Verweis, dass innerhalb der L-Gruppe nur 3,5 % des Energieverbrauchs auf die Mobilität zurückgeht, wenig. „Denn die Energiewende ist auch eine Mobilitätswende. Doch gerade im Mobilitätssektor ist der Anteil der Erneuerbaren Energien bisher verschwindend gering und Schlusslicht unter den Sektoren“, stellt Neuhaus fest. „Zur im Klimanotstand beanspruchten Führungsrolle passt diese Argumentation jedenfalls nicht. Als Linke fordern wir deshalb die Mobilitätswende in den Beteiligungsunternehmen ernst zu nehmen und den Stadtrat, wie beschlossen, ohne Aufforderung zu informieren!“
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Es gibt 3 Kommentare
Bei einem neuen Auto, muss natürlich auch der Arbeitsvertrag, in dem ein Dienstwagen als geldwerter Vorteil enthalten ist, neu ausgehandelt werden.
Und solange E-Autos (incl. Versicherung, Steuer, Verbrauch, Unterhaltungskosten) teurer sind(?), darf das nicht zu einer Lohnkürzung führen.
Es sei denn, es geht demjenigen wirklich um sein Prestige. Dann freut sich er oder sie und nimmt das Angebot freudig an.
Vermutlich gäbe es für die Stadt, das Land oder den Bund Herstellerrabatte, aber das müsste jemand organisieren und koordinieren.
Und dann kommt es auch darauf an, ob die Allgemeinheit hier ein “Familienauto” incl. Verbrennerkraftstoff bezahlt.
Wenn die Verwandten 1. Grades mitversichert sind und das “bezahlte” Auto von demjenigen genutzt wird, der die längsten bzw. verbrauchsintensivsten Strecken fährt, “rechnet” sich dann vielleicht der Zweitwagen für die Fahrten des “Erstautonutzungsberechtigten” nicht mehr? Bzw. fällt eher auf.
Vielleicht sollte die Verwaltung da mal eine interne Umfrage bei den Tochtergesellschaften starten,
um den Bedarf des Einzelnen zu verstehen und dementsprechend gemeinsame Neuanschaffungen planen zu können.
Wegen der Transparenz könnte man ja dann eine anonyme Statistik mit Anzahl Betroffene, Jahres-km, “Prestige-Wunsch”: E-Auto, Lade-Möglichkeit etc. veröffentlichen.
Da hätte man dann mal einen ersten Überblick, worum es hier überhaupt geht.
PS: Dass die Betroffenen dann alle kündigen und sich eine “neue” Stadt suchen, glaube ich eher nicht.
Zum “Aber wenn doch” lasse ich mich hier nicht ein ^^
Im Artikel geht es um etwas anderes, eher ein politisches Problem: Wenn der Stadtrat etwas für die Stadt Leipzig beschließt, dann wäre es nicht abwegig gewesen, zu denken, dass die Beschlüsse auch in Tochterfirmen, Beteiligungen wasweißich fortwirken.
Neben CO2 gibt es auch Feinstaub und Lärm. Da ist E-Mobiltät für enge Stadträume deutlich im Vorteil.
Ich wundere mich sowieso, warum es für die öffentliche Hand längst nicht Standard geworden ist, sich E-Flotten aufzubauen. Allein die Vorbildfunktion ist nicht zu unterschätzen, und eine betriebliche Infrastruktur (E-Tanke im Innenhof des Neuen Rathaus^^) ist auch leicht zu installieren.
Ich sehe durchaus, dass E-Mobiltät für Privatnutzer schwierig zu organisieren ist. Aber öffentliche Verwaltungen können das, weil sie Geld, Zeit und definierte Aufgaben haben.
Weil vielleicht die Autos nur für eine bestimmte Zeit und dann auch eine kalkulierbare Kilometerleistung genutzt werden, die unter dem Kilometerstand ist, ab der ein E-Auto bezüglich CO2 für Produktion und Betrieb günstiger dasteht als ein vergleichbarer Diesel bzw. Benziner.