Pandemien halten sich nicht an Quartalsberichte, Saison- und Jahresplanungen. Deswegen sind eigentlich auch Konjunkturumfragen nicht besonders hilfreich, um etwa gegenzusteuern in so einer Pandemie. Denn ein groรer Teil auch der Leipziger Wirtschaft lebt vom direkten Geschรคft mit den Kunden. Und IT-Giganten wie Amazon zรคhlen nicht zu den Mitgliedsbetrieben der IHK zu Leipzig. Die kรคmen vor Lachen wohl nicht mehr zum Nullenzรคhlen.
Denn nichts zeigt sich in einer globalen Pandemie so deutlich wie die Tatsache, dass die Gewinner der Globalisierung auch die Gewinner der Pandemie sind. Wรคhrend gerade die lokale Wirtschaft, von der Arbeitsplรคtze, Existenzen und Steuereinnahmen abhรคngen, eine Rosskur erlebt, die gerade die kleinen und mittelstรคndischen Unternehmen an die Grenze des Zumutbaren bringt.Oder einmal so formuliert: Sie sind schutzlos, wo andere den Kundenbetrieb outgesourct haben โ zum Beispiel an die regionalen Postboten und Lieferdienste.
Logisch, dass die Stimmung in der Leipziger Wirtschaft nach einem Hoffnungsschimmer im Frรผhherbst zum Jahresbeginn 2021 wieder in den Keller gerauscht ist. Denn tausende Mitgliedsbetriebe der IHK sind auch direkt von den Lockdown-Einschrรคnkungen betroffen. Allen voran die Leipziger Gastronomen, Hoteliers, Dienstleister und kleinen Ladenbetreiber, die in der Pandemie ebenfalls erleben, dass ihr Geschรคftsumsatz zur grรถรeren Konkurrenz abgewandert ist.
Die IHK zu Leipzig formuliert das Dilemma so: โDie Corona-Pandemie hat die wirtschaftliche Entwicklung in der Region Leipzig weiterhin fest im Griff. Nach dem konjunkturellen Absturz im Frรผhjahr 2020 und der merklichen Erholung รผber den Sommer hat der zweite Lockdown den Aufwรคrtstrend vorerst jรคh beendet. Sowohl Geschรคftslage als auch Erwartungen verschlechtern sich wieder deutlich. Der IHK-Geschรคftsklima-Index1 fรคllt nach dem kleinen Zwischenhoch im Herbst letzten Jahres abermals um 14 auf 93 Punkte.โ
โWรคhrend sich das Baugewerbe und mittlerweile auch die Industrie als Stabilitรคtsanker erweisen, ist die Situation insbesondere im Gast- und Tourismusgewerbe sowie in Teilen des stationรคren Einzelhandels und Dienstleistungsgewerbes รคuรerst prekรคr. Zu diesem Ergebnis kommt die Konjunkturbefragung der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig zum Jahresbeginn 2021, an der sich 917 Unternehmen aller Branchen und Grรถรenklassen mit insgesamt mehr als 37.000 Beschรคftigten beteiligt haben.โ
Und so melden viele Unternehmen in Leipzig, dass sich seit der Umfrage im Herbst 2020 ihre Geschรคftslage massiv verschlechtert hat.
โMit dem zweiten Lockdown und den neuerlich angeordneten Unternehmensschlieรungen kippt die Stimmung spรผrbarโ, so die IHK. โDie Lagebewertung fรคllt per saldo von 17 Prozentpunkten auf -1. Aufgrund der angeordneten Geschรคftsschlieรungen sind zum wiederholten Male alle kontaktintensiven bzw. personennahen Branchen im Handel sowie im Dienstleistungs- und Tourismusgewerbe besonders stark betroffen.โ
Und entsprechend im Keller sind gerade in den publikumstrรคchtigen Branchen die Erwartungen an die nรคchsten Monate: โDas drastisch gestiegene Infektionsgeschehen in der ,zweiten Welleโ und die daraus folgenden Beschrรคnkungen lieรen die im Herbst wieder recht zuversichtlichen Geschรคftserwartungen vieler Betriebe platzen. Dass es derzeit an schlรผssigen Ausstiegsszenarien fehlt, drรผckt zusรคtzlich auf die Stimmung. Der Saldo aus optimistischen und pessimistischen Prognosen verschlechtert sich im Vergleich zu Herbst 2020 um zehn auf -12 Prozentpunkte. In allen Wirtschaftsbereichen liegen die Geschรคftserwartungen im Minus. Somit ist nunmehr mit einem deutlich verzรถgerten konjunkturellen Erholungsprozess auszugehen.โ
Logische Folge: In so einer Situation investiert kaum noch jemand.
โAufgrund der nach wie vor bestehenden groรen Unsicherheiten bezรผglich des weiteren Pandemieverlaufs und dessen Einfluss auf die gesellschaftlichen und gewerblichen Mรถglichkeiten bleiben die Investitionsplanungen der Unternehmen zurรผckhaltend. Der Anteil der Betriebe mit steigenden (17 Prozent) bzw. sinkenden (16 Prozent) Investitionsausgaben halten sich nahezu die Waage. Der Investitionssaldo liegt mit +1 Prozentpunkt damit deutlich niedriger als vor einem Jahr (+14 Prozentpunkte)โ, so die IHK.
Fรผr die Beschรคftigten freilich ermutigend ist, dass die meisten Unternehmen nicht daran denken, jetzt das Personal abzubauen.
โDie Personalplanungen der Unternehmen bleiben trotz Corona stabil. Mit einem Saldo von +5 Prozentpunkten liegt das Ergebnis zwar deutlich unter dem des Vorjahres (+15), doch in Anbetracht der schwierigen Lage vieler Unternehmen ist branchenรผbergreifend kein stรคrkerer Personalabbau erkennbarโ, stellt die IHK fest.
โViele Unternehmen nutzen weiterhin das Instrument der Kurzarbeit, um ihr Personal zu halten. In der Industrie und im Dienstleistungsgewerbe sind in Abhรคngigkeit der konjunkturellen Entwicklung sogar wieder leichte Personalzuwรคchse denkbar.โ
Und natรผrlich spiegelt sich in der Risikoabschรคtzung wider, worauf die Unternehmen ganz fest bauen: dass nach Ende des Lockdowns die Nachfrage wieder anzieht und ihre Geschรคftsgrundlage nicht verloren gegangen ist.
Die Entwicklung der Inlandsnachfrage ist mit 51 Prozent der mit Abstand meistgenannte Risikofaktor. Es folgen, wie in der vorherigen Umfrage, die Entwicklung der Arbeitskosten mit 35 Prozent und der Fachkrรคftemangel mit 32 Prozent. Bei beiden Faktoren sinkt der Anteil der Nennungen gegenรผber Herbst 2020 leicht. Dagegen steigen die Nennungen hinsichtlich der Entwicklung der Energie-, Kraftstoff- und Rohstoffpreise, die sich auf den Rรคngen 4 bis 6 einordnen. Was freilich auch davon erzรคhlt, dass die Transport- und Logistikbranche in Leipzig einen besonders groรen Anteil am Wirtschaftsgeschehen hat.
Wie wirkt sich die Corona-Pandemie auf die einzelnen Wirtschaftsbereiche aus?
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie erfassen weite Teile der regionalen Wirtschaft, bilanziert die IHK. Gerade einmal 10 Prozent der Unternehmen spรผrt keine negativen Auswirkungen und nur 11 Prozent kรถnnen auf eine steigende Nachfrage ihrer Produkte bzw. Dienstleistungen verweisen. Bei der groรen Mehrheit von fast 80 Prozent ist die Geschรคftstรคtigkeit jedoch gleich in mehrfacher Hinsicht beeintrรคchtigt.
Meist genannt sind eine geringere Nachfrage (44 %), personelle Engpรคsse (42 %), Reisebeschrรคnkungen (40 %) und eine rรผcklรคufige Kundenfrequenz (40 %). Jedes dritte Unternehmen muss auf Kurzarbeit zurรผckgreifen (33 %), gut 30 Prozent fahren Investitionen zurรผck. Jedes vierte Unternehmen beklagt logistische Engpรคsse bei Vor- bzw. Zulieferprodukten. Ein Fรผnftel der befragten Unternehmen ist direkt von angeordneten Schlieรungen betroffen.
Fรผr 43 Prozent der Unternehmen hat sich die Finanzierungssituation im Zuge der Corona-Pandemie verschlechtert. 28 Prozent verzeichnen einen Rรผckgang des Eigenkapitals, 18 Prozent haben Liquiditรคtsengpรคsse. Probleme bereiten darรผber hinaus zunehmende Forderungsausfรคlle (10 %), eine hohe Fremdkapitalbelastung (9 %) bzw. ein erschwerter Zugang zu Fremdkapital (6 %). 6 Prozent der Unternehmen geben an, von Insolvenz bedroht zu sein โ im Gast- und Tourismusgewerbe sind es sogar 12 Prozent, im Einzelhandel 9 Prozent.
Der IHK-รberblick zu den einzelnen Wirtschaftsbereichen
Die Industrie, vor einem Jahr noch Sorgenkind, erweist sich inzwischen als Stabilitรคtsanker. Der โCorona-Absturzโ im Frรผhjahr 2020, als es vielerorts zu Produktionsrรผckgรคngen bzw. -ausfรคllen kam, ist รผberwunden, ein Aufwรคrtstrend unverkennbar. Der zweite Lockdown zu Jahresende traf die Branche nicht mehr so stark wie noch im Frรผhjahr, sodass sich die positive Entwicklung weiter fortsetzt. Immerhin 38 Prozent der Betriebe melden eine gute Geschรคftslage, 18 Prozent sind unzufrieden.
Damit steigt der Lage-Saldo gegenรผber der Herbstumfrage um 12 auf 20 Prozentpunkte. Auch die Geschรคftserwartungen sind wieder besser, der Prognose-Saldo klettert immerhin um fรผnf auf -4 Prozentpunkte. In Anbetracht der coronabedingten Unsicherheiten stimmt das Ergebnis zuversichtlich.
Insbesondere die Auslandsnachfrage gewinnt allmรคhlich wieder an Fahrt. Der Export-Saldo klettert um sieben auf 4 Punkte und verlรคsst damit den negativen Bereich. Auch die Investitionen (Herbstsaldo: -7; aktuell: +5 Prozentpunkte) und vor allem die Personalplanungen (Herbstsaldo: -1, aktuell: +10 Prozentpunkte) ziehen wieder an, was den moderaten Aufwรคrtstrend untermauert.
Die Auswirkungen der Coronakrise auf das Baugewerbe waren insgesamt nicht so gravierend wie in den meisten anderen Wirtschaftsbereichen. Die Branche profitierte vom hohen Auftragsbestand, den die Unternehmen in der Boomphase vor der Krise aufgebaut hatten. Die Umsรคtze gingen im Jahresverlauf zwar leicht zurรผck, aber dennoch melden aktuell 59 Prozent der Firmen eine gute Geschรคftslage, 5 Prozent sind unzufrieden.
Der entsprechende Saldo ist mit 54 Prozentpunkten weiterhin der mit Abstand beste Wert aller Wirtschaftsbereiche. Die Geschรคftserwartungen fallen jedoch deutlich skeptischer aus. Aufgrund des coronabedingt krรคftigen Rรผckgangs der gewerblichen Investitionsplanungen rechnen viele Betriebe fรผr 2021 mit rรผcklรคufigen Bauauftrรคgen und -umsรคtzen. Angesichts sinkender Einnahmen der รถffentlichen Haushalte stehen auch hinter deren Investitiontรคtigkeit gewisse Fragezeichen.
รber zwei Drittel der Firmen gehen von einer gleichbleibenden, jedoch ein Viertel von einer schlechteren Geschรคftsentwicklung aus. Nur noch 7 Prozent rechnen mit besseren Geschรคften. Der Prognose-Saldo fรคllt demzufolge krรคftig von -3 auf -18 Prozentpunkte โ die Bremsspuren fรผr die Baukonjunktur in 2021 werden deutlich sichtbar.
Wie bereits im Frรผhjahr 2020 trifft der Lockdown viele Dienstleister hart, wรคhrend etwa die IT-Dienstleister und die Immobilien- und Finanzwirtschaft noch vergleichsweise solide dastehen. Dagegen ist die Lage bei personennahen und veranstaltungsbezogenen Dienstleistern (Messen/Sport/Kultur) sowie in der Kreativwirtschaft (hรคufig Soloselbststรคndige) zum Teil katastrophal. Der zweite Lockdown hat die Situation hier nochmals deutlich verschlimmert.
Der Lage-Saldo insgesamt verringert sich um 20 auf nur noch 8 Prozentpunkte. Im Vergleich: Vor Corona, Anfang 2020, erreichte das Dienstleistungsgewerbe die Bestmarke von +62 Prozentpunkten. Der konjunkturelle Absturz ist massiv und die Situation dรผrfte in den kommenden Monaten รคuรerst kritisch bleiben. Insgesamt rutscht der Prognose-Saldo mit -11 Prozentpunkten wieder in den negativen Bereich (Herbst 2020: 8 Prozentpunkte).
Auch im Einzelhandel gibt es sowohl Gewinner als auch Verlierer der Corona-Pandemie. Wรคhrend der Onlinehandel 2020 einen neuen Umsatzrekord vermeldete, ist der zweite Lockdown fรผr den stationรคren Handel โ mitten im so wichtigen Jahresendgeschรคft โ eine einzige Katastrophe, deren Folgen kaum abzusehen sind. Bei den verfรผgbaren Hilfsprogrammen der Bundesregierung ist der Handel zudem benachteiligt (kein Anspruch auf die โDezemberhilfeโ, die Umsatzausfall erstattet).
Der Lage-Saldo stรผrzt folglich gegenรผber der Herbstumfrage um 54 Punkte auf -23 Prozentpunkte ab, die Situation im Einzelhandel hat sich damit im Vergleich zum ersten Lockdown im Frรผhjahr 2020 (-8 Prozentpunkte) sogar noch verschรคrft. Wรคhrend der Online-/Versandhandel auch 2021 auf Wachstumskurs bleiben dรผrfte, blicken viele Firmen des stationรคren Handels in eine ungewisse Zukunft. Entsprechend skeptisch fallen die Geschรคftsaussichten aus. Der Anteil der Pessimisten hat gegenรผber der vorherigen Umfrage deutlich die Oberhand gewonnen, der Prognose-Saldo geht von 0 auf -20 Prozentpunkte zurรผck. Ein Drittel der Betriebe rechnet mit sinkenden und nur 21 Prozent mit steigenden Umsรคtzen.
Auch im Groรhandel ist von Entspannung keine Spur mehr, auch wenn er von den Schlieรungsanordnungen nicht direkt betroffen ist. Insbesondere die Gastro- und Textilgroรhรคndler sind durch den zweiten Lockdown jedoch erneut stark betroffen. Verbessert hat sich die Situation dagegen beim Groรhandel mit Maschinen und Ausrรผstungen. Insgesamt blieben die Lagebeurteilungen gegenรผber der Herbstumfrage unverรคndert. Der Saldo liegt weiterhin bei 9 Prozentpunkten. Die Geschรคftsaussichten, im Herbst 2020 noch recht zuversichtlich, sind jetzt wieder erheblich skeptischer. Die Prognosen fallen per saldo um 17 auf -13 Prozentpunkte und liegen damit um 23 Punkte unter dem Vorjahresstand.
Im Verkehrs- und Logistikgewerbe fahren die Unternehmen auf Sicht, auch hier sind die Auswirkungen der Corona-Pandemie nach wie vor prรคsent. Vor allem der Personenverkehr ist stark betroffen und hat mit krรคftigen Umsatzrรผckgรคngen zu kรคmpfen. Dagegen hat sich die Situation im Transport- und Logistikbereich insbesondere nach dem Einbruch im Frรผhjahr 2020 wieder etwas erholt.
Durch den aktuellen Lockdown trรผbt sich die Lage insgesamt gegenรผber dem Herbst dennoch wieder ein, zumal in den vergangenen Wochen auch die Kraftstoffpreise wieder deutlich angezogen haben. Der Lage-Saldo verringert sich um fรผnf auf aktuell 9 Prozentpunkte. Die Geschรคftsaussichten der Verkehrsbranche sind nach wie vor zurรผckhaltend, aber etwas besser als im Herbst. Der Prognose-Saldo steigt um vier auf -4 Prozentpunkte. Auf eine krรคftige wirtschaftliche Erholung deutet das Ergebnis weiterhin nicht hin.
Das Gast- und Tourismusgewerbe verzeichnete 2020 eine katastrophale Entwicklung, die Lage vieler Unternehmen wird trotz Corona-Hilfen immer prekรคrer. Noch 2019 wurde ein neuer Gรคsterekord fรผr die Region Leipzig gemeldet. 2020 brachen die รbernachtungszahlen im IHK-Bezirk um mehr als ein Drittel ein. Im Ergebnis geben aktuell nur zwei Prozent der Firmen eine gute, aber 93 Prozent eine schlechte Lagebeurteilung ab.
Mit per Saldo -91 Prozentpunkten ist die Lage noch schlechter als im Frรผhjahr 2020 (-87 Prozentpunkte). Die Aussichten sind kaum zuversichtlicher. Nur ein Viertel der Betriebe rechnet in den kommenden Monaten mit besseren Geschรคften, jedoch die Hรคlfte mit einer weiter ungรผnstigen Entwicklung. Der Saldo liegt mit -25 Prozentpunkten weiterhin tief im negativen Bereich. Fรผr viele Firmen ist ein schnelles Ende des Lockdows รผberlebenswichtig.
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