Natürlich kann auch Leipzig die Corona-Panemie wirtschaftlich bewältigen. China schafft es ja auch. Nicht alle Branchen sind gleichermaßen betroffen. Und die Unternehmer in Leipzig sind nach dem Schreckmoment im Frühjahr mittlerweile deutlich zuversichtlicher, dass die Wirtschaft wieder auf die Beine kommt. Denn auch mit Auflagen funktioniert Wirtschaft – nur nicht in allen Branchen.
Die Corona-Pandemie hat die wirtschaftliche Entwicklung auch in der Region Leipzig nachhaltig beeinträchtigt, schätzt die IHK zu Leipzig nun die aktuelle Situation ein. Dem konjunkturellen Absturz im Frühjahr folgt nun zumindest eine merkliche Erholung.
Der IHK-Geschäftsklima-Index klettert um 28 auf 107 Punkte. Zu diesem Ergebnis kommt die Konjunkturbefragung der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig im September 2020, an der sich 638 Unternehmen aller Branchen und Größenklassen mit insgesamt etwa 32.000 Beschäftigten beteiligt haben.
Kristian Kirpal, Präsident der IHK zu Leipzig, erklärt zur aktuellen Stimmung in der Leipziger Wirtschaft: „Mit der Corona-Pandemie hatten sich die konjunkturellen Vorzeichen im Frühjahr total gedreht. Die wirtschaftlichen Einbrüche in den meisten Branchen sind seither massiv, teils dramatisch. Zwar folgte mit den sukzessiven Lockerungen der Corona-Einschränkungen eine merkliche Belebung der wirtschaftlichen Aktivitäten. Über den Berg sind wir aber längst noch nicht, wie auch das aktuelle Infektionsgeschehen verdeutlicht. Die Gefahr eines zweiten wirtschaftlichen Lockdowns bleibt immanent. Dies muss unbedingt vermieden werden, denn neue Einschränkungen wären für viele Unternehmen nicht zu bewältigen.“
Mit Blick auf die aktuellen Herausforderungen sagt Kristian Kirpal: „Wir müssen mit aller Konsequenz und Verlässlichkeit auf eine Stabilisierung der Wirtschaft hinwirken. Hier erwarten wir insbesondere, dass der sächsische Doppelhaushalt 2021/22 schnell auf den Weg gebracht wird und neue Impulse bringt. Zudem muss der anstehende Strukturwandel in den Kohleregionen, für den ohne Frage viel Geld bereitsteht, jetzt entschlossen angegangen werden.
Mit sinnvollen Projekten, die nicht allein auf Infrastruktur, sondern insbesondere auf den Erhalt industrieller Arbeitsplätze in der Region abzielen. Bei allem, was jetzt ansteht, darf es keine neuen Belastungen und Benachteiligungen für Unternehmen geben. In genau die falsche Richtung weist hier der von der sächsischen Staatsregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Reform der Grundsteuer, der die Wirtschaft einseitig und stärker belastet und die Wettbewerbssituation der sächsischen Unternehmen verschlechtert. Das ist nicht hinnehmbar.“
Wo geht es aufwärts? Wo bleiben die Probleme?
Die Geschäftslage im Kammerbezirk Leipzig hat sich seit Mai 2020 mit dem Hochfahren der wirtschaftlichen Aktivitäten wieder aufgehellt. Der Lage-Saldo aus positiven und negativen Einschätzungen steigt ziemlich deutlich von -5 auf +17 Punkte. „Vor der Coronakrise lag das Niveau jedoch gut dreimal höher. Dies zeigt, wie weit die Wirtschaft durch die Krise zurückgeworfen wurde – zumal zwischen den Wirtschaftsbereichen hinsichtlich der Erholungsdynamik weiterhin große Unterschiede bestehen“, so die IHK.
Die Geschäftserwartungen der Unternehmen haben sich nach dem Frühjahrsschock sichtlich erholt. Die Zuversicht kehrt – wenn auch in verhaltener Form – langsam zurück. Der Saldo aus pessimistischen und optimistischen Prognosen verbessert sich um 33 auf -2 Punkte. Die Aussichten in den einzelnen Wirtschaftsbereichen fallen freilich sehr differenziert aus. Industrie und Verkehrsgewerbe, vor allem aber das Gast- und Tourismusgewerbe, bleiben ausgesprochen skeptisch.
„Absehbar ist schon jetzt ein deutlicher Einbruch der Wirtschaftsleistung im laufenden Jahr“, betont die IHK. „Viele Unternehmen müssen einen deutlichen Umsatzrückgang gegenüber 2019 verkraften. Insgesamt rechnet für das Geschäftsjahr 2020 über die Hälfte der Unternehmen mit sinkenden Umsatzzahlen. Im Gast- und Tourismusgewerbe sind es erwartungsgemäß sogar über 90 Prozent.“
Und dann ist da ja noch eine ganz andere Gefahr: „Mit Blick auf das Auslandsgeschäft bleibt insbesondere das näherrückende Szenario eines harten Brexit ein großer Risikofaktor. Im Ergebnis bleiben die Exporterwartungen der Industrieunternehmen – trotz Verbesserungen gegenüber dem Frühjahr – mit -3 Punkten sehr zurückhaltend.“
Die Coronakrise führte nicht nur zu einer massiven Ausweitung der Kurzarbeit, sondern auch zu einem kräftigen Arbeitsplatzabbau. Etwa jedes vierte Unternehmen hat seine Mitarbeiterzahl gegenüber Jahresbeginn reduziert. Aktuell wollen jeweils 17 Prozent der Unternehmen Personal aufstocken bzw. abbauen – der Saldo liegt somit genau bei null, sodass anders als im Frühjahr (Saldo: -22) momentan nicht mehr von einem weiteren drastischen Anstieg der Arbeitslosenzahlen auszugehen ist, schätzt die IHK ein.
„Durch den Schock am Arbeitsmarkt in den vergangenen Monaten entspannte sich auch der Engpass bei der Besetzung offener Stellen. Nur noch ein Drittel der Unternehmen meldet hierbei weiterhin Probleme. Vor einem Jahr lag der Anteil bei 45 Prozent. Dies dürfte jedoch nur von kurzer Dauer sein. Mit einer stabilen konjunkturellen Erholung wird auch die Fachkräfte-Problematik wieder stärker durchschlagen.“
In der Risikobewertung der Unternehmen bleibt – aufgrund des coronabedingt rückläufigen Auftragsgeschehens – die Entwicklung der Inlandsnachfrage mit 52 Prozent der mit Abstand meistgenannte Risikofaktor. Wie bereits im Frühjahr folgen die Arbeitskosten mit unverändert 40 Prozent und der Fachkräftemangel mit 38 Prozent der Unternehmensnennungen. Bei letzterem ist bereits wieder ein Anstieg um 7 Prozentpunkte zu beobachten.
Was passiert gerade in den einzelnen Wirtschaftsbereichen?
Der weltweite Wirtschaftseinbruch durch die Coronakrise hat den Industriesektor in besonderem Maße getroffen. Fehlende Zulieferprodukte führten vielerorts zu Produktionsausfällen. Die Situation der Unternehmen verschlechterte sich dramatisch. Seit Ende des wirtschaftlichen Lockdowns beginnt sich die Lage wieder schrittweise zu verbessern, wobei die Erholung vergleichsweise schwach ausfällt.
Ein Drittel der Betriebe gibt eine gute und jeder vierte eine schlechte Lagebeurteilung ab. Der Lage-Saldo steigt um 16 auf 8 Punkte. Vor einem Jahr waren es noch 48 Punkte. Die Geschäftserwartungen zeigen nach dem Frühjahrstief ebenfalls nach oben, die Skepsis bleibt aber groß. Der Saldo liegt bei -9 Punkten (Frühjahr: -36). Neben bestehenden Unsicherheiten durch die Corona-Pandemie stehen insbesondere die hiesige Automobilbranche und ihre Zulieferbetriebe mit Blick auf die forcierte E-Mobilität vor großen strukturellen Veränderungen.
Das Baugewerbe ist dank hoher Auftragsbestände und einer ununterbrochenen Bautätigkeit vergleichsweise gut durch die Coronakrise gekommen. Zwei Drittel der Bauunternehmen melden eine gute und nur fünf Prozent eine schlechte Lage. Der entsprechende Saldo ist mit 61 Punkten der mit Abstand beste Wert der befragten Wirtschaftsbereiche. Die Spitzenwerte des vergangenen Jahres werden indes nicht mehr erreicht.
Trotz einer guten Lage fallen die Erwartungen mit einem Saldo von -3 erheblich schlechter aus. Vor allem der im Zuge der Coronakrise starke Rückgang der gewerblichen Investitionstätigkeit wirkt sich mittelfristig auch auf die Bautätigkeit aus. Ein Viertel der Bauunternehmen meldet bereits einen Rückgang der Auftragseingänge. Auch die Baukonjunktur dürfte sich somit spürbar verlangsamen.
Die Unternehmen im Dienstleistungsgewerbe waren im Frühjahr durch den wirtschaftlichen Lockdown sehr unterschiedlich betroffen. Auch die aktuelle Erholungsphase verläuft in den einzelnen Dienstleistungssparten aufgrund der bestehenden Corona-Beschränkungen differenziert. Insgesamt hat sich die Lage gegenüber der Frühjahrsumfrage aber wieder deutlich verbessert. Immerhin 46 Prozent der Firmen beurteilen ihre Geschäftslage mit gut. Der Lage-Saldo klettert von 7 auf 28 Punkte.
Noch deutlicher steigen die Erwartungen, von -25 Punkten im Frühjahr auf nun +8. Damit ist die Zuversicht im Dienstleistungsgewerbe von allen Wirtschaftsbereichen am größten, das Niveau aber noch weit von früheren Umfrageergebnissen entfernt. Die Aussichten sind jedoch keinesfalls in allen Sparten freundlich. Nach wie vor leiden die veranstaltungsbezogenen Dienstleister (Messen/Sport-/Kulturevents) sowie die Kreativwirtschaft massiv unter den gegebenen Beschränkungen. Auch die Dienstleistungsbranche „Arbeitnehmerüberlassung“ steht stark unter Druck.
Im Einzelhandel konnte der Aufholprozess seit Ende des Lockdowns im Mai wieder starten. Insbesondere in den Sommermonaten hat sich die Situation deutlich entspannt, die Konsumneigung der privaten Verbraucher nach Wochen der Flaute einen deutlichen Schub erhalten. Bereits 45 Prozent der Firmen melden wieder eine gute Lage, genauso viele wie vor einem Jahr. Der Lage-Saldo klettert um 39 auf +31 Punkte und verzeichnet damit den stärksten Anstieg aller Wirtschaftsbereiche. Auch die Geschäftserwartungen der Branche zeigen wieder nach oben.
Insbesondere mit Blick auf das bevorstehende Weihnachtsgeschäft hoffen die Einzelhändler auf einen erfolgreichen Jahresabschluss. Der Anteil der Pessimisten ist gegenüber dem Frühjahr von 53 auf 19 Prozent stark zurückgegangen und liegt nun gleichauf mit dem Anteil der Optimisten. Damit liegt der Saldo bei null und nur noch geringfügig unter dem Vorjahreswert von +4. Trotz der Verbesserung bleibt dennoch festzustellen: Die Umsatzeinbußen während des Lockdowns werden viele Betriebe in diesem Jahr nicht mehr aufholen.
Der Großhandel war nicht direkt von den Schließungsanordnungen im Frühjahr betroffen, bekam aber indirekt die Auswirkungen auf sein jeweiliges Geschäftsklientel zu spüren. Der Lage-Absturz verlief somit insgesamt etwas glimpflicher als in den meisten anderen Wirtschaftsbereichen. Die Geschäftstätigkeit legte in den vergangenen Monaten wieder zu, sodass sich auch die Lagebeurteilungen moderat verbessern. Der Saldo erhöht sich um 18 auf 9 Punkte. Die Umsätze gaben im Vorjahresvergleich dennoch nach. Recht erfreulich fallen aktuell die Geschäftsaussichten aus.
Der Rückgang der Erwartungskurve im Frühjahr konnte fast vollständig wieder wettgemacht werden. Der Prognose-Saldo steigt immerhin um 34 auf 4 Punkte und liegt damit sogar über dem Ergebnis vom Herbst 2019. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich die wirtschaftliche Dynamik im Großhandel bereits 2019 deutlich verringert hat. Die schon damals spürbare Industrieschwäche bremste das Branchenwachstum merklich aus. Trotz der aktuell verbesserten Stimmungslage können die Umsatzerwartungen mit einem Saldo von -9 Punkten den negativen Bereich noch nicht verlassen.
Im Verkehrs- und Logistikgewerbe wirkt die Corona-Pandemie deutlich. Aufgrund der bestehenden Beschränkungen kämpft der Personenverkehr auch aktuell mit niedrigeren Beförderungszahlen als vor der Krise. Ebenso bleiben im Transport- und Logistikbereich aufgrund des Industrieeinbruchs die Auftragseingänge aus. Die Umsätze sind auch in den vergangenen Monaten bei etwa der Hälfte der Unternehmen gesunken. Dennoch setzt eine gewisse Erholung gegenüber dem Frühjahr ein, der Lage-Saldo steigt um 20 auf 16 Punkte.
Vor einem Jahr lag dieser Wert aber fast dreimal höher. Die Geschäftsaussichten der Unternehmen haben sich zwar ebenfalls verbessert, bleiben aber zurückhaltend. Die wirtschaftliche Erholung erreicht die Branche nur mit angezogener Handbremse. Sowohl Auftragseingänge als auch Umsatz- und Geschäftserwartungen liegen per saldo im negativen Bereich. Der Prognose-Saldo verbesserte sich von -37 auf -8 Punkte.
Auf das Gast- und Tourismusgewerbe haben die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie katastrophale betriebswirtschaftliche Auswirkungen. Durch Schließungsanordnungen und weltweite Reiseeinschränkungen erlebte die Branche im Frühjahr den größten konjunkturellen Absturz, der bis dato in der IHK-Konjunkturbeobachtung gemessen wurde. Seit Ende Mai 2020 laufen die Geschäftsaktivitäten zwar wieder an, von Normalität kann jedoch nach wie vor keine Rede sein.
Der Branche geht es nach wie vor sehr schlecht. Nur 7 Prozent der Firmen geben eine gute, aber fast zwei Drittel eine schlechte Lagebeurteilung ab. Der Saldo von weiterhin -57 Punkten (Frühjahr: -87) verdeutlicht die problematische Situation vieler Betriebe. Die Prognosen lassen so schnell keine Entspannung erwarten, zumal auch das sonst umsatzstarke Advents- und Weihnachtsgeschäft durch das aktuelle Infektionsgeschehen gefährdet wird. Der Saldo der Geschäftserwartungen liegt bei -30 (Frühjahr: -76). Viele Betriebe werden auch in den kommenden Monaten um ihre Existenz kämpfen.
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