So optimistisch klang ein Geschäftsbericht der Stadtwerke Leipzig seit Jahren nicht mehr. Nirgendwo war die Bremserpolitik einer von Fossilkonzernen getriebenen Bundes-Anti-Klimapolitik stärker zu spüren als in den Stadtwerken der Bundesrepublik. Viele hatten sich darauf verlassen, dass auch die Merkel-Regierungen die von Rot/Grün eingeleitete Energiewende fortsetzen würde, hatten sogar extra noch eigene Gaskraftwerke gebaut. Auch die Leipziger Stadtwerke wurden von dieser Politik für Kohlekonzerne ausgebremst.

Doch etwas ändert sich – und zwar gleich auf mehreren Ebenen. Und das nicht erst mit der Coronakrise, die weltweit die Wirtschaft zum Erliegen brachte und die Märkte mit billigem Öl und Gas flutete und die einst mächtigen Erdölstaaten in eine Not brachten, die sie nicht kannten bisher.

Das spiegelt sich noch nicht im Geschäftsbericht der Stadtwerke Leipzig für das Jahr 2019, das sie immerhin mit einem so nicht erwarteten Plus von 67 Millionen Euro (nach Steuern und vor Gewinnabgabe an die LVV) abschlossen, 7 Millionen Euro mehr als geplant. (Zum Vergleich: 2018 hatte man mit 59,3 Millionen Euro abgeschlossen).

Und das trotz eines viel zu warmen Jahres 2019, das vor allem die Endkundenabsätze bei Gas und Strom sinken ließ. Bei Fernwärme nicht. Was auf besondere Effekte zurückging. Aber es werden ja auch immer mehr Stadtviertel mit Fernwärme versorgt, was ja Teil der großen Umbaustrategie der Stadtwerke Leipzig ist, die in den nächsten Jahren deutlich dazu beitragen wollen, dass der Leipziger CO2-Ausstoß sinkt.

Der Anschluss immer neuer Stadtquartiere an das Fernwärmenetz gehört genauso zu dieser Strategie wie der Bau weiterer Blockheizkraftwerke (BHKW) in den Ortsteilen, die ihrerseits (auf Erdgasbasis) Fernwärme erzeugen können.

Und ab 2021 soll ja noch das neue Gaskraftwerk an der Bornaischen Straße errichtet werden, das Leipzig ab 2023 unabhängig machen soll von den Fernwärmelieferungen aus dem Kohlekraftwerk Lippendorf. Mit dem dazu gefällten Stadtratsbeschluss haben die Stadtwerke die nötige Rückendeckung bekommen für ihre Umbaustrategie.

Und auch 2020 wird weiter in diese Strategie investiert, auch wenn das auf den ersten Blick nicht so spektakulär aussieht: „Für das Jahr 2020 sind bilanzwirksame Investitionen in das Anlagevermögen von 153,1 Mio. EUR geplant. Davon entfallen 97,3 %, dies entspricht 149,0 Mio. EUR, auf Investitionen in das Sachanlagevermögen. Hierin berücksichtigt ist insbesondere das Zukunftskonzept Wärmeversorgung, welches Investitionen in dezentrale Erzeugungsanlagen verschiedener Energieträger (z. B. KWK-, Biomasse- und Solarthermie-Anlagen) sowie weitere Speicherkapazitäten zur Sicherung der Fernwärmeversorgung umfasst. Ergänzend dazu wird der Ausbau der dezentralen BHKW abgebildet.

Des Weiteren ist im Anlagevermögen die Modernisierung des GuD-KW Leipzig geplant. Ebenso sind Investitionen zum Ausbau und zur Erweiterung des Fernwärmenetzes, Ersatz- und Erweiterungsinvestitionen in die Bestandsanlagen sowie Investitionen in Contracting und Nahwärmeanlagen enthalten.“

Viele kleine Bausteine, die dafür sorgen sollen, dass Leipzig nach und nach unabhängig wird von großen Kohlekraftwerken, auch wenn die Basis der eigenen Energieversorgung vorerst hauptsächlich aus importiertem Erdgas besteht.

Aber genau so war ja ein Netz von Gaskraftwerken als „Übergangstechnologie“ in der Energiewende geplant gewesen. Sie stoßen weniger CO2 aus als Kohlekraftwerke und sind vor allem viel flexibler steuerbar. Doch den Begriff „Übergangstechnologie“ haben ja bekanntlich die Betreiber der Kohlekraftwerke gekapert und damit über 10 Jahre lang die Bundespolitik beim Thema Energiewende völlig lahmgelegt.

Das ändert sich jetzt. Auch weil zunehmend mehr Strom aus Photovoltaikanlagen und Windkraftanlagen ins Netz eingespeist wird – der sonnige Mai brachte hier den nächsten Rekord, wie der „Spiegel“ meldete. Was eben bedeutet, dass die unflexiblen alten Kraftwerke heruntergeregelt werden müssen mit enormem Aufwand, während Strom an der Börse billig bleibt, die scheinbar „billige“ Kohle aber immer teurer wird im Vergleich.

Dutzende Kohlemeiler müssten in den nächsten Jahren schon allein aus Rentabilitätsgründen vom Netz gehen. Umso sinnfreier ist der „Kohlekompromiss“, mit dem die Bundesregierung teilweise noch Laufzeiten bis 2035 (wie in Lippendorf) und darüber hinaus in Aussicht stellt. Unberatener kann man einen Markt, der sich auch durch den weiteren Ausbau von Solar- und Windkraftanlagen weiter verändern wird, nicht versuchen auszubremsen.

Und die fallenden Gaspreise kommen natürlich wieder den Stadtwerken zugute. Sie verbessern die Rentabilität ihrer Gas-Kraftwerke. Und auch im Großhandel verbessert es die Bilanz der Stadtwerke Leipzig. Das liest sich so: „Das Betriebsergebnis im Geschäftsjahr 2019 liegt annähernd auf Vorjahresniveau. Sowohl die Umsatzerlöse als auch die Materialaufwendungen vermindern sich gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Da die Umsatzerlöse unterproportional sinken, führt diese Entwicklung zu einer Verbesserung der Rohmarge von 10,0 Mio. EUR. Die Höhe der betrieblichen Umsatzerlöse wird wesentlich durch den Systemmarkt bestimmt. Hier stehen mengen- und preisbedingt geringeren Erlösen aus Strom von 54,6 Mio. EUR handelsbedingt gestiegene Absatzmengen und Erlöse aus Gas von 46,3 Mio. EUR gegenüber.“

Es sind vor allem diese Systemmarkt-Handelsmengen, die den 2-Milliarden-Euro-Umsatz der Stadtwerke bedingen.

Mit den Leipziger Endkunden werden deutlich geringere Umsätze gemacht. Mit Leipziger Stromkunden z.B. setzten die Stadtwerke im vergangenen Jahr 212 Millionen Euro um, mit Gaskunden 50 Millionen Euro und mit Fernwärmekunden 128 Millionen Euro.

„Im Endkundenmarkt Fernwärme sind witterungsbedingt leicht rückläufige Absatzmengen zu verzeichnen. Marktpreisbedingte Erhöhungen des Arbeitspreises, unter anderem in Form der erstmals ab 2019 erhobenen Emissionspreiskomponente, führten in diesem Segment zu um 8,3 Mio. EUR steigenden Umsatzerlösen“, liest man hierzu im Geschäftsbericht.

Diese überwiegen den Umsatzrückgang aus vermiedenen Netzentgelten von 2,0 Mio. EUR. Witterungsbedingte Effekte führten im Endkundenmarkt Gas ebenso zu geringeren Absatzmengen und Umsatzerlösen um 1,9 Mio. EUR. Gleichsam führt dies zu geminderten Materialaufwendungen. Auch der Endkundenmarkt Strom weist geringere Absatzmengen auf. Dem stehen jedoch um 2,1 Mio. EUR gestiegene Umsatzerlöse gegenüber, die auf die Weitergabe von erhöhten Beschaffungskosten zurückzuführen sind.“

Unterm Strich standen dann die 67 Millionen Euro, die an die Konzernmutter LVV abgeführt wurden und die den größten Teil der LVB-Zuschüsse abdecken.

Ob 2020 sich so entwickelt, wie noch bei der Abfassung des Geschäftsberichts gedacht, ist offen. Auch die Stadtwerke Leipzig können ja nicht voraussehen, ob und wie sich der zeitweilige Rückgang der Wirtschaftsleistung aufgrund des Corona-Shutdowns auf die eigenen Bilanzen auswirken wird.

Im Bericht jedenfalls geht man davon aus, dass man 2020 ganz ähnlich gut wirtschaften kann wie 2019 – wieder mit einem ordentlichen Ergebnis am Jahresende: „Auf Basis der Wirtschaftsplanung prognostizieren die Stadtwerke für das Geschäftsjahr 2020 ein Ergebnis vor Gewinnabführung von 69,5 Mio. EUR. Das Ergebnis des Folgejahres wird auf gleichem Niveau erwartet.“

Leipziger Gruppe schafft trotz erhöhter Zahlungen an die LVB auch 2019 ein positives Konzernergebnis

Leipziger Gruppe schafft trotz erhöhter Zahlungen an die LVB auch 2019 ein positives Konzernergebnis

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