Einige Bundesländer haben es bereits getan, in Sachsen soll es an diesem Freitag, den 15. Mai, so weit sein: Restaurants und Bars dürfen wieder öffnen. Wie in jeder Branche geht auch diese Lockerungsmaßnahme mit strengen Hygiene-Auflagen einher. Fraglich ist, wie gut sich diese Maßnahmen umsetzen lassen und ob sich die Wiedereröffnung unter eingeschränkten Bedingungen lohnt. Am Dienstag sollen sächsische Gastronomen die hier geltenden Richtlinien an die Hand bekommen.
Endlich wieder auswärts essen, das Bierchen an der Theke trinken und Freisitz-Luft schnuppern! Für viele Menschen gehört der gelegentliche Besuch im Restaurant, der Abend in der Stammkneipe oder nachmittägliche Treffen im Café zum Leben dazu. Und obwohl etliche Gastro-Betriebe seit Beginn der Coronakrise innerhalb kürzester Zeit auf To-Go-Versorgung und Lieferdienste umsattelten, wird es doch viele Bürger freuen, im Lokal oder Biergarten vor Ort Platz zu nehmen. Wie aber wird ein Besuch ablaufen?
Nachdem der Bund am vergangenen Mittwoch weitere Lockerungen beschlossen hatte, unter anderem der Beschluss für Gastronomen und Hoteliers, ging es in einigen Bundesländern plötzlich ganz schnell. So eröffneten Cafés, Bars und Restaurants in Mecklenburg-Vorpommern bereits am 9. Mai, am heutigen Montag zogen beispielsweise Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen nach. Ende der Woche wird beziehungsweise darf es nun also auch in Sachsen so weit sein.
Klar ist: Es wird sich einiges ändern. So sind Gastronomen angehalten, den Sicherheitsabstand von 1,50 Metern zwischen den Gästen sicherzustellen. Selbstmurmelnd muss stets und ständig desinfiziert werden, gemeinsam speisen dürfen Personen aus maximal zwei verschiedenen Haushalten. Mitarbeiter müssen, wie derzeit auch in Einkaufsläden, Friseuren und Co. einen Mundschutz tragen. Zunächst war auch im Gespräch, ob vorerst allein der Außenbereich von Restaurants geöffnet werden dürfe. Auch gelten in einigen Bundesländern Sperrstunden – was beispielsweise für Bars und Kneipen, die oftmals erst am Abend öffnen, besonders problematisch sein könnte.
Um am Stichtag, den 15. Mai, wieder zu eröffnen, bleibt den Kneipenbesitzern nicht viel Zeit. „Klar, wir warten die ganze Zeit darauf“, erzählt Toni Krätzer, Besitzer der Dankbar in der Jahnallee, „aber plötzlich ist es eine kurze Zeit, um alle Maßnahmen rechtzeitig umzusetzen.“ Er hatte sein Café eine Woche nach Beginn der Ausgangsbeschränkungen wieder aufgemacht und das Konzept (vorerst) ganz auf den Straßenverkauf umgestellt. „Einige Läden hatten aber auch über die zwei Monate komplett zu“, gibt er zu bedenken. Dort läge nun besonders viel Arbeit an, beginnend bei der Beschaffung von ausreichend Schutzmasken, Desinfektionsmittel etc.
Selbstverständlich steht jedem Gastronom die Entscheidung frei, die Pforten wieder zu eröffnen. Die Bedingungen sind nicht nur in jedem Bundesland, sondern von Laden zu Laden unterschiedlich. Krätzer setzt vor allem auf Flexibilität. „Jetzt ist es wichtig: Wer kann sich anpassen? Wer kann sein eigenes Konzept umdenken? Was kannst du mit deinem Team entwickeln?“
Für ihn bedeutet das: Kann durch die Abstandsregeln nur etwa die Hälfte der sonst üblichen Gästezahl empfangen werden, muss sich beispielsweise auch das Menü auf die Hälfte reduzieren. Eine weitere Idee ist, den Straßenverkauf parallel nach wie vor fortzuführen. „Ich könnte mir vorstellen, dass ich ab dem 15. und das Wochenende lang trotzdem zunächst weiterhin to go verkaufe, um uns noch etwas mehr Zeit zu geben.“
Denn trotz dem Versuch, einheitliche Regeln zu schaffen, bleiben viele Fragen unbeantwortet. Wie wird beispielsweise der Abstand gemessen? Zwischen den Tischen? Ausgehend von der Kante oder von der Tischmitte? Oder doch zwischen den Personen? Kleinigkeiten, die es aber in sich haben, will man seine Gäste vorschriftsgemäß schützen.
Auch „Renkli“-Chef Fatih Demirbas setzt vorerst darauf, das in den letzten Wochen bewährte Konzept fortzuführen. „Ich werde nicht öffnen, wenn alle anderen die Läden aufmachen. Nicht am Stichtag.“ Seit der Schließung seiner Weinbar in der Karl-Liebknecht-Straße setzt er auf die Lieferung von hausgemachter Pizza und, klar, Wein. Damit bekommt er derzeit etwa 55 Prozent seines bisherigen Umsatzes rein. Die Wiedereröffnung seiner Bar aber löst für den Gastronomen keineswegs sämtliche Probleme.
Rechne man damit, dass ein Tisch am Abend etwa zweimal wechselt, der Durchschnittsbon pro Person bei 20 Euro liegt und im Schnitt 30 Personen an einem Abend bedient werden können, ergibt das nach Milchmädchenrechnung 600 Euro. „Damit kann man kein Business führen“, so Demirbas. Zumal durch Desinfektionsmittel, Masken etc. natürlich weitere Kosten entstehen. Auch müsse man beobachten, wie sich das Konsumverhalten der Menschen verhalte. Er rechne damit, dass „viele Läden wegbrechen werden“ .
Auch Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der DEHOGA (Hotel- und Gaststättenverband) sprach vor wenigen Tagen davon, dass bereits jetzt 70.000 Betriebe (sowohl in Gastronomie als auch in Hotellerie) in ganz Deutschland akut von der Insolvenz bedroht seien. Die Situation sei „dramatisch“, ein staatlicher Rettungsfonds dringend notwendig. „Es muss alles getan werden, diese wertvollen Strukturen zu erhalten“, so Hartges.
Dass gerade hauptsächlich rote Zahlen geschrieben werden, daran werden auch die neuesten Lockerungen kaum etwas ändern. Zwar erhielten Gastronomen ein Unterstützungspaket von jeweils 15.000 Euro, dieses Geld gilt allerdings auch auf drei Monate gerechnet und reicht hinten und vorn nicht.
Toni aus der „Dankbar“ erklärt: „Meine Fixkosten belaufen sich allein in einem Monat auf rund 29.000 Euro, für drei Monate sind wir bei 87.000 Euro.“ Dennoch ist er dankbar für die Unterstützung. „[A]ber natürlich bleibt einiges über, das man nun stunden und bedienen muss.“ Zumal die Gastronomen von so etwas wie einem Ruhetag momentan nur träumen. Trotzdem gilt für ihn: „Jeder Tag, an dem du deinen Laden aufmachen darfst und jeder Euro, den du verdienst, lohnt sich. […] Ich glaube, die nächsten Monate bedeuten nur, kostendeckend zu arbeiten, so wenig Minus wie möglich zu machen.“
Und sie bedeuten Verantwortung für jeden Einzelnen. „Jeder muss jetzt die Entscheidung treffen: Will ich nach dieser ganzen Zeit diesen Ort, der mir am Herzen liegt, wiedersehen? Ob das ein Café, ein Restaurant, ein Kino, der Lieblingsclub oder ein Fußballverein ist. […] „Wenn wir das alles überstehen; als Team, als Stadt, als Land oder auch als ganze Welt, dann wird uns das nicht mehr so aus der Fassung bringen.“
Schon kurz nach Beginn der Krise hatte sich der „Gastrostammtisch Leipzig“ gebildet, der am 26. März in einem Offenen Brief seine Forderungen an Oberbürgermeister Burkhard Jung überreichte. Kurz darauf wurde von der Verwaltung der Zahltermin der Gewerbesteuer, ursprünglich am 15.05., auf den 15.08 verschoben. Zudem wurde auch die Erhebung der Gästetaxe bis zum 31.05. ausgesetzt. Alle bisher vereinnahmten Gelder aus der Gästetaxe werden gesperrt und, so die Verwaltung, „zumindest teilweise in einen Hilfsfonds für die betroffenen Branchen fließen“. Betriebe haben außerdem die Möglichkeit, den Termin per Antragstellung auf den 31.12. zu verschieben.
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