Für FreikäuferLEIPZIGER ZEITUNG/Auszug Ausgabe 73, seit 29. November im HandelNoch immer hängen Kabel von der Decke, sind Wände unverputzt und nicht gefliest. Zwei Räume mit jeweils sechs Duschen waren geplant, es gibt aber erst einen. Seit 2015 wird auf dem Sportplatz „An der Parthe“ im Leipziger Stadtteil Mockau schon saniert. Rund 290.000 Euro Fördergeld von Stadt und Land sind geflossen, Fristen zur Verwendung der Mittel abgelaufen. Doch das sogenannte Sozialgebäude wird einfach nicht fertig. Damit aber nicht genug. Der Sportverein Lokomotive Leipzig Nordost, der auf der Anlage beheimatet ist, hat noch eine andere Dauerbaustelle, die auch nicht kleiner wird. Im Gegenteil: Sie hat ein bedenkliches Ausmaß angenommen.
Die jüngste Steigerung: Am 13. November erstattete der Verein Anzeige wegen Hausfriedensbruch. Was war passiert? Ein Mann hatte das verschlossene Stahltor zur Sportanlage aufgestemmt, um mit dem Auto einfahren zu können. Es stellte sich heraus, dass es sich um einen Mitarbeiter von Ronald Falkowski handelt. Der Bauunternehmer Falkowski war bis vor wenigen Monaten Vorstandschef von Lok Nordost. Am 14. Mai dieses Jahres hat ihn die Mitgliederversammlung abgewählt.
Pikanterweise ist Falkowski derjenige, der die Sanierung des Sozialgebäudes ausführt. Einen Tag nach seiner Abwahl wurde ein Baustopp verhängt, Schlösser wurden ausgetauscht und Mitarbeiter von Falkowski des Geländes verwiesen. Ihrem Chef droht sogar ein Hausverbot. Ronald Falkowski ist seit 1973 Mitglied bei Lok Nordost (LNO). Fast 20 Jahre stand er an der Spitze des Vereins. Nun soll er nicht mal mehr das Vereinsgelände betreten dürfen. Was ist da bloß vorgefallen?
Der neue starke Mann bei LNO, der Falkowski vor die Tür setzen will, heißt Jens Köhler. Köhler, 30 Jahre alt und Offizier der Bundeswehr, steht schon dem Leipziger Rugby-Verein Scorpions vor. Im März dieses Jahres schlugen die Scorpions auf der Suche nach einer neuen Trainings- und Spielstätte bei Lok Nordost auf. Köhler und seine Mannen hatten gerade selbst erlebt, wie es ist, wenn man das Feld räumen muss.
Sie waren als Untermieter beim SV Wacker im Mariannenpark ansässig – bis ihnen von Wacker der Mietvertrag gekündigt wurde. Das Sportamt der Stadt brachte daraufhin Jens Köhler mit dem damals noch amtierenden LNO-Chef Falkowski zusammen.
Die 2014 gegründeten Scorpions sind ein junger aufstrebender Verein mit rund 130 Mitgliedern. Bei LNO hingegen ging es abwärts. Die Sportanlage im Nordosten der Stadt wurde zwar erneuert und ausgebaut. Eine Diskus-Anlage, ein geräumiges Funktionsgebäude mit Lagerflächen für Sportgeräte, großzügigen Büros und Umkleidekabinen, inklusive Fußbodenheizung.
Auch die maroden Duschen sollten saniert werden. Falkowski hatte für diese Vorhaben verschiedene Anträge gestellt und insgesamt mehrere hunderttausend Euro Fördergeld eingeworben.
„Durch mein Bemühen und das anderer Vorstände ist die Modernisierung überhaupt erst möglich gewesen“, sagt der 56-Jährige. Doch die Sportler, die diese neuen Möglichkeiten nutzen konnten, wurden immer weniger.
Lok Nordost liefen die Mitglieder weg. Die Volleyballerinnen wanderten zur TSG Markkleeberg ab. Die Leichtathletik schrumpfte zu einer Laufgruppe. Die Abteilung Fußball begann sich aufzulösen. Zuletzt blieben alle drei großen Naturrasenplätze größtenteils ungenutzt. Das änderte sich erst wieder im Sommer 2018. Seitdem trainieren und spielen mehrere Fußballmannschaften des FC International – ebenfalls ein wachsender Verein auf Heimatsuche in Leipzig – auf der Sportanlage „An der Parthe“. Für zwei Rugby-Tore war dann offenbar auch noch Platz.
Sowohl Köhler als auch Falkowski beschreiben ihr erstes Treffen als konstruktiv. Schon früh denken sie über eine Mitarbeit der Scorpions im Vorstand von LNO nach. Dass Falkowski nur zwei Monate später seinen Posten und damit jeglichen Einfluss verliert, hat mit Frank Barthel zu tun. Der 50-Jährige weihte Köhler in die Geheimnisse des Vereins und seines langjährigen Vorsitzenden ein. Gemeinsam brachten sie Falkowski schließlich zu Fall. Köhler wurde neuer Vorsitzender, Frank Barthel sein Stellvertreter.
Zuvor war Barthel 18 Jahre lang Schatzmeister bei LNO – bis zu seinem Rücktritt im September 2018. Auch er ist einer, der sich abgewendet hat. Zumindest von Falkowski. Denn: Der habe zunehmend Entscheidungen im Alleingang getroffen. Die Vergabe von Aufträgen an Falkowskis Baufirma, die hohen Kosten für die Platzpflege – 22.000 Euro allein im vergangenen Jahr – „Ich habe nicht mehr durchgeblickt“, räumt Barthel ein. Der gelernte Schlosser erzählt Köhler, dass Falkowski sein Baugeschäft vom Vereinsbüro aus geführt habe. „Wenn man die Telefonnummer seiner Firma anwählte, klingelte im Verein das Telefon“, so Barthel.
Barthel ist so viele Jahrzehnte Mitglied bei Lok Nordost wie Falkowski. Ihre Vorstandsämter traten die beiden Männer im Dezember 2000 gemeinsam an. Dennoch scheint sie wenig zu verbinden. „Ich habe für mich keine finanziellen Vorteile aus dem Verein gezogen“, sagt Barthel dann auch. Doch hat das Falkowski? Zumindest liegt diese Vermutung nahe.
Fakt ist, dass größtenteils seine Mitarbeiter die Bau- und Sanierungsmaßnahmen ausgeführt haben. Und fraglich, ob die Auftragsvergabe sauber ablief. „Wir gehen davon aus, dass es keine ordnungsgemäße Beauftragung der Firma von Herrn Falkowski gab“, sagt der Anwalt Toni Hollmach, der von Jens Köhler mit der Prüfung einer möglichen Klage gegen Falkowski beauftragt wurde. Hollmach: „Geprüft wird in strafrechtlicher und zivilrechtlicher Hinsicht.“
„Alles Unsinn“, sagt Falkowski und verweist auf Unterlagen, die belegen sollen, dass er Bauvorhaben und die Beauftragung seiner Firma mit Vorstand und Vereinsmitgliedern abgestimmt habe. Allerdings legte er diese Belege bislang nicht vor. „Die Unterlagen befinden sich alle beim Verein“, behauptet er stattdessen. „Wir können nichts finden“, sagt Jens Köhler dagegen. Keine Vorstandsbeschlüsse, keine Auftragsbestätigungen, nichts, was seinen Vorgänger entlasten würde.
Manja Müller, die neue Schatzmeisterin, die wie Köhler ebenfalls von den Scorpions kommt, sucht nach eigener Aussage noch immer Rechnungen über insgesamt 95.000 Euro, die sich Falkowski kurz vor seiner Abwahl vom Vereinskonto von LNO überwiesen haben soll. Was aber noch viel schmerzlicher vermisst wird, ist das Geld. „Für den Bau ist nichts mehr da“, sagt Müller.
Insgesamt 331.000 Euro waren für die Sanierung von Duschen, Kabinen und anderen Gebäudeteilen eingeplant. Die Stadt hat rund 180.000 Euro beigesteuert. Von der Sächsischen Aufbaubank (SAB) kamen knapp 110.000 Euro. Der Rest sollte mit Eigenmitteln geleistet werden. Noch bis vor wenigen Tagen ging die SAB davon aus, dass die Baumaßnahme abgeschlossen sei und verlangte nun wie vorgesehen von Lok Nordost einen Nachweis über die Verwendung des Geldes. Den konnte Köhler aber nicht vorlegen. Erst 50 Prozent der Maßnahme seien umgesetzt, teilte er der Förderbank mit und bat um Aufschub. Auch bei der Stadt Leipzig beantragte er die Verlängerung der Frist.
Entscheidend wird sein, dass die Sanierung abgeschlossen und der Bau vollständig nutzbar gemacht wird. Andernfalls droht die Rückforderung der Mittel. Ob und wann die Arbeiten am Gebäude wieder aufgenommen werden können, ist derzeit aber völlig unklar. Diese Entschädigung hängt nicht zuletzt davon ab, wie es mit der Baustelle „Falkowski“ weitergeht.
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