Die sächsische CDU wird es wohl nicht mehr begreifen. Kaum gab die Geschäftsführung der LVV am Mittwochmorgen bekannt, man starte jetzt mit den Planungen, Leipzig in den nächsten fünf Jahren unabhängig von den Fernwärmelieferungen aus dem Kohlekraftwerk Lippendorf zu machen, meldete sich Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU-Landtagsabgeordneter aus dem Landkreis Leipzig, zu Wort und behauptet: „Diese Gedankenspiele sind gegenüber den Menschen in der Region unverantwortlich!“
Deutlicher kann man den Irrlauf der sächsischen CDU in Sachen Kohle nicht mehr auf den Punkt bringen. Mit Einsetzen der Kohlekommission hat auch der Bund endgültig gemacht, dass der Ausstieg aus der Kohleverbrennung in Deutschland begonnen hat. „Es ist nicht mehr eine Frage des Ob, sondern eine Frage des Wann“, sagt OBM Burkhard Jung am Mittwoch.
Er ist Aufsichtsratsvorsitzender der LVV und damit Chef des Gremiums, das jetzt die Planungen für den Umbau der Leipziger Energieversorgung beschlossen hat. Für 200 Millionen Euro will Leipzig bis 2023 die Grundlage dafür schaffen, sich technisch von der Kohle unabhängig zu machen.
„Ob wir dann noch weiter Fernwärme aus Lippendorf beziehen, ist völlig offen“, sagt Karsten Togall, Geschäftsführer der Leipziger Stadtwerke, die dafür unter anderem ein neues großes Gaskraftwerk für 150 Millionen Euro bauen wollen.
„Es geht nicht nur um die 320 Jobs im Kraftwerk Lippendorf, sondern um hunderte Kohlekumpel im Tagebau und um tausende Arbeitskräfte in der Region Mitteldeutschland!“, hatte Breitenbuch gestöhnt.
„Derzeit kämpft unser Ministerpräsident Michael Kretschmer in der Kohlekommission für Ausgleichszahlungen, um bei einem Kohleausstieg in Deutschland rechtzeitig bei uns neue Industriearbeitsplätze zu schaffen. Der Alleingang von OB Burkhard Jung durchkreuzt diese für Sachsen enorm wichtige Verhandlung um die Zukunft. Er bringt durch diese sicherlich auch ideologisch geprägte Entscheidung in der Stadt Leipzig das Kraftwerk und den Tagebau vor den Stadtgrenzen ohne Not vor das Aus! Der gesamte Südraum Leipzigs wird diesen Alleingang ausbaden müssen!“
Was so zusammengenommen ziemlich gequirlter Unfug ist.
Leipzig bezieht 200 MW an Wärmeleistung aus dem Kraftwerk Lippendorf. Jeder der beiden Kraftwerksblöcke kann bis zu 800 MW erzeugen – und zwar zuallererst für Strom. Die Wärme fällt als Abprodukt ab. So gesehen war es eine Win-win-Situation für beide Seiten, als Leipzig die Fernwärme aus Lippendorf abnahm. Ob mit einem möglichen Auslaufen des Vertrages in Lippendorf die Meiler ausgehen, bezweifelt Rogall. Dass Lippendorf aber irgendwann in den nächsten Jahren vom Netz geht, ist sicher. Dafür aber muss eine Stadt wie Leipzig vorsorgen.
„Wir können nicht warten, bis irgendwann jemand beschließt, dass jetzt ausgeschaltet wird“, so Jung. „Dann ist es nämlich zu spät.“
Und wenn die Meiler dort ausgehen, hat das ganz bestimmt nichts mit dem Leipziger Liefervertrag zu tun, eher mit der Tatsache, dass mittlerweile so viel volatiler Strom durch Wind- und Solaranlagen erzeugt wird, dass die Leipziger Stadtwerke auch einen riesigen Wärmespeicher für 150 MW planen, um die überschüssigen Strommengen „nach dem Tauchsiederprinzip“ in Wärme zu verwandeln und damit zu speichern.
200 Millionen Euro wollen die Stadtwerke bis 2023 in das Projekt stecken. 2023 ist deshalb ein markantes Datum, weil dann der aktuelle Liefervertrag für Fernwärme nach Leipzig erst einmal ausläuft. Rogall kann sich sogar vorstellen, dass die zusätzliche Gasturbine erst einmal gebaut wird, Leipzig aber auch über 2023 hinaus noch Fernwärme aus Lippendorf bezieht. Das liegt an den Konditionen, die ausgehandelt werden können.
Das hängt aber auch von den Vorschlägen der Kohleausstiegskommission ab, die Sachsen ja mit seiner renitenten „Kein Ausstieg“-Politik immer wieder ausbremst.
Aber eins ist sicher, sagt auch Burkhard Jung: „Irgendwann in den nächsten Jahren werden alle Kohlekraftwerke vom Netz gehen. Nur der genaue Zeitpunkt ist unbekannt.“
„Aber wir sind als Kommune gut beraten, vorzusorgen für diesen Zeitpunkt und die Stadt unabhängig zu machen von fremden Lieferungen“, betont Jung. Alles andere wäre fahrlässig.
Zum Einlesen in die Thematik
Die komplette Pressemitteilung von Stadt und LVV:
Saubere Wärme: Die Stadt Leipzig nimmt ihre Energiezukunft selbst in die Hand
Leipzig will sich bei der Wärmeversorgung unabhängig von der Braunkohle machen. Ein in den vergangenen Monaten durch die Leipziger Stadtwerke erarbeitetes Zukunftskonzept für die nachhaltige Wärmeversorgung Leipzigs kommt zu dem Ergebnis, dass ein Verzicht auf Fernwärme aus dem Braunkohlekraftwerk Lippendorf technisch machbar ist. Die Untersuchungen zeigen, dass die Stadtwerke die benötigte Fernwärme für zehntausende Haushalte künftig in deutlich saubereren Kraftwerken produzieren könnten, Versorgungssicherheit und Preisstabilität wären weiterhin gesichert.
„Wir wollen in Leipzig ein klares Signal setzen: Es ist möglich, eine 600.000-Einwohner-Stadt ohne Braunkohle zu versorgen“, sagt Oberbürgermeister Burkhard Jung. „Der Ausstieg aus der Braunkohle in Deutschland ist beschlossen, es geht jetzt darum, wie wir ihn gestalten und welche Alternativen wir finden. Wir wollen die Stadt so klimafreundlich und emissionsarm wie möglich mit Wärme versorgen.
Die Stadtwerke haben jetzt eine erste Untersuchung vorgelegt, wie eine klimafreundliche Wärmeversorgung aussehen könnte. Dieses Modell hat noch viele Unbekannte – sicher ist aber, dass es Investitionen erfordert. Vor allem aber erfordert es die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger, sich dem Thema saubere Wärme zu stellen und sich mit ihm auseinanderzusetzen. Dafür möchte ich werben.“
Fernwärme ist der Schlüssel für Leipzigs Energie-Zukunft
„Seit Mitte 2016 beschäftigen sich die Stadtwerke intensiv mit Leipzigs Energiezukunft“, sagt Karsten Rogall, Geschäftsführer der Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft. Für die Gestaltung der Wärmewende hat das Unternehmen künftige Wärmebedarfe ermittelt, zahlreiche technologische Möglichkeiten analysiert und umfassende Wirtschaftlichkeitsberechnungen angestellt.
„Fest steht: der Wärmebedarf Leipzigs wird sich lokal verschieben – die Bedeutung der Fernwärme für die Stadt und für die Gestaltung der Energie- und Wärmewende bleibt unverändert hoch“, so Rogall. Das Fernwärmesystem aus Erzeugung, Netz und Kundenstationen ist die ideale Basis für die erfolgreiche Gestaltung der Wärmewende, da es erneuerbare und konventionelle Energien aufnehmen, bedarfsgerecht verteilen und sich verändernde Wärmebedarfe ausgleichen kann.
„Wir haben technologieoffen untersucht, wie wir den Wärmebedarf unserer Stadt künftig decken können – sicher, wirtschaftlich und ökologisch“, erklärt Rogall. „In unserem Zielportfolio setzen wir auf einen Technologiemix aus solarthermischen und Biomasseanlagen ebenso wie gasbasierten Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen. Darüber hinaus werden Speichertechnologien eine zunehmende Rolle in der Fernwärmeversorgung spielen, die die Wirtschaftlichkeit unseres Erzeugungsparks weiter erhöhen.“
Dabei haben die Stadtwerke bereits mit der Weiterentwicklung des Fernwärmesystems begonnen und im vergangenen Jahr an vier Standorten in Leipzig kompakte Blockheizkraftwerke in Betrieb genommen. Zwei weitere folgen 2019. „Mit dem von uns entwickelten Zielportfolio können wir unseren Kunden nachhaltig und noch klimafreundlicher erzeugte Wärme zur Verfügung stellen“, erklärt Rogall.
Insbesondere für die Wohnungswirtschaft sei die Energieeffizienz der Wärme entscheidend. Für die Leipziger Bürger die preiswerte Versorgung. Auf beides zahlen moderne Anlagen mit ihren besseren und damit wirtschaftlicheren Wirkungsgraden ein. „So gewährleisten wir, dass durch die Umstellung der Wärmeerzeugung im Vergleich zur bisherigen Versorgung aus dem Kraftwerk Lippendorf keine höheren Preise auf die Leipzigerinnen und Leipziger zukommen“, betont Rogall. Die Leipziger Kunden und Bürger werden sich auch in Zukunft auf Fernwärme als modernes, sicheres und attraktives Wärmeversorgungssystem verlassen können.
Zukunftskonzept schafft die Basis für weiteres Wachstum der kommunalen Infrastrukturen
„Mit dem vorgelegten Zukunftskonzept liefert die Fernwärmeversorgung zudem auch künftig einen wesentlichen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit der Leipziger Gruppe“, erläutert Michael Theis als Sprecher der Geschäftsführung der LVV. Die Umsetzung des Zukunftskonzepts schafft somit auch die Basis für weiteres Wachstum in allen anderen Bereichen der kommunalen Infrastruktur. Dazu werden die Stadtwerke in den nächsten Jahren einen dreistelligen Millionenbetrag in neue Erzeugungsanlagen und Infrastrukturen investieren und die Wärmewende Leipzigs sicher, nachhaltig und wirtschaftlich gestalten.
Dies sei darüber hinaus auch wirtschaftlich für Leipzig vorteilhaft. Denn die Investitionen der Stadtwerke führen zu einer vielfältigen Wertschöpfung in der Stadt. „Bei den Stadtwerken entstehen nachhaltig zukunftsfähige Arbeitsplätze und insbesondere regionale Tiefbauunternehmen, Handwerker und Ingenieurbüros profitieren von zusätzlichen Aufträgen und Beschäftigungseffekten“, betont Theis.
Wir wollen Leipzigs Wärmeversorgung der Zukunft selbst gestalten
Der Energiemarkt ist in Bewegung. Die Ergebnisse der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung sollen im ersten Halbjahr 2019 vorliegen. Sie können erhebliche Auswirkungen auf die strategische Ausrichtung der Energiekonzerne im mitteldeutschen Revier haben Im Rahmen der Transformation der Fernwärmeversorgung wurde auf Wunsch des Stadtrats auch die Machbarkeit eines Ausstiegs aus dem Liefervertrag mit dem Kraftwerk Lippendorf von den Stadtwerken geprüft. Die Ergebnisse des Prüfauftrages werden in den Ausschüssen beraten.
Erste Entscheidungen stehen im Frühsommer 2019 an. Für die zügige und nachhaltige Realisierung des Zukunftskonzepts sind die Stadtwerke an geeigneten regionalen Kooperationen und einer gemeinsamen Entwicklung der anstehenden Maßnahmen sehr interessiert.
54 Millionen Euro erwirschaftet und erst mal vorsichtig bei einem möglichen Abschied vom Kraftwerk Lippendorf
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