Eigentum verpflichtet. Auch das hรคtten die Mitarbeiter des Druckhauses Stahmeln am Dienstag, 7. November, in ihren Brief an die SPD-Bundestagsfraktion, an OBM Burkhard Jung und die SPD Ortsvereine Leipzig schreiben kรถnnen. Denn mit der geplanten SchlieรŸung der LVZ-Druckerei in Stahmeln hat auch die SPD zu tun. Sie ist Anteilseigner der LVZ-Konzernmutter Madsack.

Nรคmlich รผber die Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft mbH (ddvg) hรคlt die SPD immerhin 23,1 Prozent am Madsack-Konzern, ist damit sogar der grรถรŸte Einzel-Eigentรผmer. Und Eigentรผmer tragen sehr wohl Verantwortung fรผr das, was im Konzern passiert, welche Beschรคftigungsverhรคltnisse herrschen und wie mit Mitarbeitern umgegangen wird.

Aber die SPD, mal abgesehen vom jรผngsten Landesparteitag in Sachsen, schweigt. Sie schweigt schon lange zu den Umbrรผchen am deutschen Zeitungsmarkt und auch zu den teils drastischen Verรคnderungen in jenen Zeitungshรคusern, an denen sie beteiligt ist.

Niemand erwartet, dass sie inhaltlich Einfluss nimmt. Aber eine Haltung zu den Verรคnderungen, die einerseits die Zeitungsvielfalt massiv bedrohen, andererseits auch gut bezahlte Arbeitsplรคtze kosten, sollte sie schon haben โ€“ und eigentlich auch offensiver an Lรถsungsvorschlรคgen arbeiten.

Bei der ddvg hat man zumindest schon mal mitgekriegt, dass es lรคngst schon um Medienvielfalt und Pressefreiheit geht. Und die Angreifer der Pressefreiheit sind dabei augenscheinlich besser munitioniert als deren Verteidiger. Aber selbst der Ansatz der ddvg, die Erosion im Zeitungsmarkt zu stoppen, liest sich eher so, als wolle man das Ganze mit einer neuen Kommission lรถsen.

โ€žDas hat natรผrlich auch mit knapper gewordenen Ressourcen zu tun. Aber auch die Aufwertung des Lokalen in der Hierarchie der Redaktionen, die Rekrutierung und Ausbildung des Nachwuchses, die Aufgeschlossenheit fรผr neue Themen und Angebote sind lohnende Aufgaben fรผr die Zukunft. Es muss das Ziel sein, im Lokalen der unverzichtbare Dienstleister fรผr Inhalte und Services rund ums Leben der Menschen zu sein โ€“ und zwar multimedial.โ€

Angesichts der der weiteren ร„uรŸerung seitens des SPD-eigenen Verlages mรผsste es also massive Initiativen geben, denn โ€œauf diesem Feld entscheidet sich die Zukunft der Tageszeitungen: Die lokale und regionale Kompetenz ist ihr wichtigster Platzvorteil gegenรผber der wachsenden Konkurrenz aus der digitalen Welt, noch jedenfalls. Deshalb hat die ddvg zusammen mit Prof. Dr. Michael Haller vom Leipziger Institut fรผr Praktische Journalismusforschung IPJ ein Projekt mit dem Ziel gestartet, die Qualitรคt des Lokaljournalismus zu entwickeln.โ€œ

Nun ja. Also eine Studie und Gummibegriffe, wie โ€œQualitรคtโ€. Es gab Passagen in der damals von Haller fรผr die ddvg gefertigten Studie, da fanden sich bereits praktizierte Konzepte der L-IZ.de wieder.

Die Zeitungen im Hause Madsack erlebten in den letzten Jahren jedenfalls das Gegenteil von Aufbruch โ€“ nรคmlich eine weitere Schrumpfung der Lokalredaktionen, Zusammenlegungen von Redaktionen und eine zunehmende Fokussierung auf รผberregionale News bis hin zum Versuch, mit RND News eine deutschlandweite Prรคsenz zu bauen.

Und das ddvg-Fazit zum Online-Journalismus sah 2008 eher finster und denkbar uninspiriert aus: โ€žKeines der strukturellen Probleme der Zeitungsbranche ist heute schon gelรถst: Der kontinuierliche Verlust von Reichweiten, der Mangel an jungem Lese-Nachwuchs, die Entwicklung funktionierender Geschรคftsmodelle im Internet, der Weg der Tageszeitungsverlage hin zu multimedial tรคtigen Medienhรคusern โ€“ รผberall gibt es vorlรคufig noch mehr Fragen als Antworten. Die Erlรถse von heute sind deshalb auch eine Verpflichtung, in die Produkte von morgen und damit in die Zukunft der Zeitungsverlage zu investieren.โ€œ

Das ist ungefรคhr der Erfahrungs-Stand von 2006-2008. Und seitdem hat sich alles noch viel weiter zugespitzt. Nicht nur im Hause LVZ ist die Auflage geschmolzen, wรคhrend die Onlinereichweiten zuletzt รผberall bei Zeitungsseiten im Netz auf der Stelle traten. Auch bei groรŸen Spielern wie โ€žBildโ€œ stockt der Printmarkt rasant, weshalb der Springer-Konzern 2019 seine bisher in Leipzig gedruckte Auflage abziehen will.

Was die Dinge im Druckhaus Stahmeln ins Rutschen bringt. Genau an dem Punkt, an dem es erstmals schwierig wird, kneift aus Sicht des Betriebsrates die Unternehmensfรผhrung und flรผchtet mit den Druckauftrรคgen in Druckereien ohne Tarifbindung.

So soll die LVZ kรผnftig in Halle in der dortigen Druckerei der โ€žMitteldeutschen Zeitungโ€œ (DuMont Verlag) gedruckt werden, der Dresdner Ableger DNN in der Druckerei der โ€žSรคchsischen Zeitungโ€œ. Dort will man auch die Vermarktung beider Zeitungen zusammenlegen, mit DuMont verbindet Madsack bereits eine gemeinsame redaktionelle Arbeit, mit der โ€œSรคchsischen Zeitungโ€ hingegen der gleiche Anteilseigner โ€“ die ddvg (40 %). Alles sieht also eher nach weniger, denn mehr Medienvielfalt aus.

Die bei den Druckereien gewรคhlte Taktik der SchlieรŸung und Druckvergabe sei Tarifflucht seitens Madsack und indirekt der SPD, heiรŸt es im Brief der LVZ-Drucker. 260 nach Tarif bezahlte Arbeitsplรคtze gehen in Leipzig verloren. Und nach 25 Jahren soll die einst mit Fรถrdergeldern gebaute Druckerei in Stahmeln einfach geschlossen werden. Was aus Sicht des Betriebsrates รผberhaupt nicht alternativlos ist. Doch jetzt, wo das Unternehmen erstmals ohne Subventionen aus Steuergeldern in neue Druckmaschinen investieren mรผsste, um weiterzumachen, kneift es einfach. Und auch die ddvg รคuรŸere sich nicht zu dem Vorgang.

Weshalb die Unterzeichner des Briefes fordern, dass die SPD endlich kรคmpft fรผr den Erhalt auch dieser tarifgebundenen Arbeitsplรคtze. Die Beschรคftigten wollen jedenfalls kรคmpfen โ€“ und wenn es am Ende nur um einen ordentlichen Sozialplan geht, weil Unternehmen und ddvg die SchlieรŸung des Standorts aufrechterhalten. Man habe ja nichts mehr zu verlieren.

Was auch ein Satz mit Subtext ist: Die SPD hat eine Menge zu verlieren. Vertrauen zum Beispiel. Das zรคhlt auch fรผr das Parteieigentum.

Hinweis der Red. / Klarstellung: In der ersten Version des Textes war die Rede von einer weiteren Studie, welche Michael Haller fรผr den Madsack-Verlag fertigen wรผrde. Dies ist nicht korrekt. Die erwรคhnte Studie wurde ab 2007 fรผr den ddvg Verlag und nicht direkt fรผr den Madsack Verlag gefertigt. Die entsprechenden Passagen wurden im Beitrag geรคndert.

Der Protestbrief der Mitarbeiter des Druckhauses (PDF auf L-IZ.de).

GroรŸes Stรผhlerรผcken im Hause LVZ

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Leipziger Zeitung Nr. 60: Wer etwas erreichen will, braucht Geduld und den Atem eines Marathonlรคufers

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Es gibt 2 Kommentare

Ich glaube, da ist euch ein Grammatikfehler unterlaufen: โ€œDie SPD hat eine Menge zu verlieren.โ€ Das mรผรŸte doch im Prรคteritum stehen, ich wรผรŸte nicht, was die SPD aktuell noch verlieren kรถnnte.

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