Vor zwei Wochen haben die sächsischen IHKs den Geschäftsklimaindex für ganz Sachsen veröffentlicht. Jetzt gibt es auch die Einzelauswertung für Leipzig. Und die zeigt, dass es im Grunde nur drei Branchen sind, in denen die Stimmung kräftig abgesackt ist. Und die Ursachen sind jedes Mal etwas andere.

Man würde zwar die Industrie unter diesen drei Branchen vermuten, in denen die Stimmung durch Trump und Brexit ins Trübe kippt. Aber das ist nicht der Fall, die Industrieunternehmen der Region haben nach wie vor volle Auftragsbücher und sehen auch in naher Zukunft erst einmal keine Probleme auf sich zukommen.

Die meldet hingegen der Großhandel, der zwar eine bessere Lage meldet, aber einen regelrechten Absturz der Zukunftsaussichten vermeldet. Die IHK meint, es seien die Kosten, die hier Sorgen bereiten. Aber die Kosten teilen sich auch die anderen Branchen. Das kann es nicht wirklich sein. Kosten, die beim Einkauf im Ausland entstehen, werden immer umgelegt. Und dasselbe gilt im Inland.

Der Absturz bleibt rätselhaft. Erst recht, wenn man sieht, wie Industrie und Bau weiter volle Auftragsbücher haben.

Ebenso seltsam wirkt der Stimmungseinbruch im Dienstleistungsgewerbe. Das schätzt selbst die IHK so ein, auch wenn sie es nicht so betont. Denn der Dienstleistungssektor profitiert weiterhin von einer starken Nachfrage aus Wirtschaft, staatlichem und privatem Sektor. Und mit der Digitalisierung gibt es weiterhin steigende Auftragsvolumina im gesamten IT-Bereich.

Wo klemmt es da also? Mutmaßlich ist es der Fachkräftemangel. Zu dem kommen wir noch. Mit 45 Prozent der Unternehmen, die ihre freien Stellen nicht besetzen können, liegt die Dienstleistungsbranche nicht einmal an der Spitze der Branchen – aber nirgendwo macht sich das Fehlen von Leuten stärker bemerkbar.

Und auch wenn die üblichen Technik-Fanatiker von Pflegerobotern, Putzrobotern und anderen Super-Erfindungen aus der Roboterwelt fabulieren, die mal Millionen Arbeitskräfte ersetzen sollen, funktioniert gute Dienstleistung nur mit ausreichend Personal. Und das ist knapp. Und wenn es fehlt, können viele Dienstleister schlicht ihre Aufträge nicht mehr abarbeiten.

Und dieses Problem hat eine andere Branche noch viel stärker: das Gast- und Tourismusgewerbe. Hier melden sogar 60 Prozent der Betriebe einen Fachkräftemangel. Das ist zum Teil selbstverschuldet, da gerade hier viele Unternehmen viel zu lange auf Niedriglöhne gesetzt haben. Aber in Leipzig kommt auch noch ein selbst gemachtes Problem hinzu: Es wurden und werden immer mehr Hotels gebaut, die den Konkurrenzdruck auf dem Leipziger Übernachtungsmarkt verstärken. Und es sind mehr neue Hotelplätze, als mit den steigenden Touristenzahlen – vorerst – gebraucht werden.

Die Top-Liste der Risiken der Leipziger Wirtschaft. Grafik: IHK zu Leipzig
Die Top-Liste der Risiken der Leipziger Wirtschaft. Grafik: IHK zu Leipzig

Die Erklärung lassen wir einmal so stehen, weil aus der Erfahrung der vergangenen 20 Jahre auch das Gegenteil stimmt: Ein wachsendes Angebot guter Übernachtungsmöglichkeiten sorgt mit dafür, dass die Touristenzahlen steigen.

Unternehmer sind ja eigensinnige Menschen. Und sie sehen oft Probleme auch da, wo eher keine sind. Dass die IHK die durchaus benennbare Angst vor der Einführung der Gästetaxe ab Januar 2019 ebenfalls benennt als möglichen Grund, ist logisch.

Aber die Vermutung liegt nahe, dass die immer verzweifeltere Suche nach ausgebildetem Fachpersonal am Ende auch hier eine viel wichtigere Rolle spielt. Nicht die Gästetaxe wird über Wohl und Wehe des Leipziger Gastgewerbes entscheiden, sondern am Ende die deutsche Einwanderungspolitik.

Aber was will man machen, wenn man selbst auf Bundesebene den Nationaldeppen hinterherhechelt und meint, man könne ein Land mit fehlendem Fachkräftenachwuchs einfach zumauern. Das muss schiefgehen.

Womit schon alle drei Branchen genannt sind, wo zumindest in den Zukunftserwartungen ein deutlicher Kälteeinbruch zu verzeichnen ist. Alle anderen haben unverändert hohe Erwartungen, im Verkehrsgewerbe schnellen sie sogar noch nach oben. Das heißt, die Logistiker erwarten noch mehr Transportgut in alle Richtungen.

Und dann schaut man auf die Frage zum Fachkräftemangel – und wundert sich: Hier beklagen mittlerweile sogar 80 Prozent der Unternehmen einen Fachkräftemangel.

Damit ist das das absolute Sorgenthema Nr. 1 in Leipzig. In allen Branchen ist der Wert seit Herbst 2017 deutlich angestiegen. Nur in einer nicht: im Einzelhandel.

Der Einzelhandel fällt in der Übersicht kaum auf, da freuen sich die Manager jetzt wie wild auf das Weihnachtsgeschäft. Aber in Wirklichkeit steckt der Einzelhandel tief in der Krise, hat der wildwachsende Online-Handel praktisch allen Händlern die Umsätze zerfressen und dafür gesorgt, dass auch die einst blühenden Kaufhäuser in schweres Fahrwasser geraten sind. Das Ergebnis sieht man in der Frage zu den Fachkräften: Nur im Einzelhandel geht die Sorge um Fachkräftenachwuchs zurück.

Das Gesamtbild

Die gewerbliche Wirtschaft im IHK-Bezirk Leipzig präsentiert sich im Herbst 2018 weiter mit einer Geschäftslage auf Spitzenniveau. Die Geschäftserwartungen fallen dagegen verhaltener aus als noch im Frühjahr. Der IHK-Geschäftsklima-Index sinkt von der zuletzt erreichten Bestmarke um vier auf nunmehr 134 Punkte. Zu diesen Ergebnissen kommt die aktuelle Konjunkturbefragung der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig, an der sich 638 Unternehmen aller Branchen und Größenklassen mit insgesamt mehr als 36.000 Beschäftigten beteiligt haben.

„Die regionale Wirtschaft befindet sich weiterhin in Top-Verfassung. Es ist allerdings ein ernst zu nehmendes Signal, dass die konjunkturelle Zuversicht der Unternehmen nunmehr schwindet. Der seit mehreren Jahren andauernde Wachstumskurs wird nicht wie selbstverständlich fortwähren, wenn jetzt nicht die nötigen Rahmenbedingungen geschaffen werden“, sagt Kristian Kirpal, Präsident der IHK zu Leipzig.

„Zwar sind die Unternehmen nach wie vor bereit, in weiteres Wachstum zu investieren und Herausforderungen wie Fachkräftesicherung und Digitalisierung aktiv anzugehen. Angesichts wachsender Risiken erwarten sie jedoch mehr denn je wichtige Weichenstellungen seitens der Politik. Bildung, Fachkräfte, Innovationen, Infrastruktur, Bürokratie… all diese Handlungsfelder erfordern politischen Gestaltungswillen, um die wirtschaftliche Dynamik unserer Region zu erhalten.“

Das Lagebild

Auch in den vergangenen Monaten lief die Konjunktur auf Hochtouren. Eine unverändert hohe Inlands- und Auslandsnachfrage sorgt weiterhin für ein breit aufgestelltes wirtschaftliches Wachstum. Die Unternehmen beurteilen ihre aktuelle Geschäftslage sogar noch etwas besser als im Frühjahr. Der entsprechende Saldo legt auf +55 Prozentpunkte zu und verfehlt damit den bisherigen Bestwert vom Jahresbeginn nur um einen Punkt.

Die Geschäftserwartungen

Im Gegensatz zur unverändert guten Lagebewertung haben sich die zuletzt ausgesprochen optimistischen Geschäftsaussichten eingetrübt. Zwar befinden sich die Optimisten noch in der Mehrheit, die konjunkturelle Zuversicht aber schwindet spürbar. Der Saldo der Geschäftserwartungen sinkt um sieben auf +16 Prozentpunkte.

Die drei Branchen, die für dieses Absinken verantwortlich sind, haben wir oben alle drei analysiert.

Die Exporterwartungen der Industrieunternehmen hingegen zeigen trotz globaler Handelskonflikte nach oben, der Export-Saldo steigt um sieben auf +18 Prozentpunkte. Ein Grund dafür liegt in der positiven Entwicklung der Auftragseingänge aus dem Ausland, die seit dem Frühjahr zugelegt haben.

Geplante Investitionen

Die Unternehmen zeigen sich weiterhin äußerst investitionsfreudig. Mehr als jede vierte Firma plant ihre Investitionsausgaben zu erhöhen. Der Investitionssaldo liegt mit +19 Prozentpunkten auf unverändert hohem Niveau. Neben Ersatzbeschaffungen befördert insbesondere die hohe Nachfrage den Kapazitätsausbau.

Personalbedarf

Der Personalbedarf bleibt auch in den kommenden Monaten hoch, flacht jedoch gegenüber dem Frühjahr – teils auch saisonal bedingt – etwas ab. Aktuell planen 24 Prozent der Betriebe ihren Personalbestand auszubauen, lediglich acht Prozent wollen diesen reduzieren. Der Beschäftigungsaufbau in der gewerblichen Wirtschaft wird sich somit fortsetzen, soweit entsprechende Arbeits- und Fachkräfte noch verfügbar sind.

Die Risiken

Der Fachkräftemangel ist für die Unternehmen nach wie vor der größte Risikofaktor. Über die Hälfte der Firmen (54 Prozent) sieht dadurch die eigene Geschäftstätigkeit beeinträchtigt. Mittlerweile 45 Prozent der Unternehmen können offene Stellen innerhalb von zwei Monaten nicht mehr besetzen, zum Vorjahreszeitpunkt sagten das noch 40 Prozent. Auch die Höhe der Arbeitskosten belastet weiterhin viele Betriebe, sie belegen im Risikoranking unverändert den zweiten Rang. Dagegen wird die Inlandsnachfrage aufgrund aktuell hoher Auftragseingänge weniger häufig als Risiko gesehen als noch vor einem Jahr. Stattdessen werden die Kraftstoffpreise, die binnen eines Jahres deutlich anstiegen, wieder verstärkt als Risikofaktor wahrgenommen.

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Es gibt 3 Kommentare

Nachtrag:
Aus einem Newsletter des Beck-Verlages zum Arbeitsrecht:

“Im EU-Raum schafft die Arbeitnehmerfreizügigkeit die rechtliche Grundlage für (zumindest vorübergehende) Erwerbsmigration. Aber auch hier gibt es stets neue Probleme: So hat der EuGH jüngst entschieden, dass das in Art. 12 VO (EG) 883/2004 normierte Ablöseverbot die wiederholte Besetzung eines Arbeitsplatzes mit entsandten Arbeitnehmern verbiete (EuGH v. 6. September 2018 – C-527/16).”
Der EuGH mußte über die Ersetzung “entsandter” Arbeitnehmer entscheiden – und darüber, welche SV-Pflicht gilt. Die des entsendenden “billigen” Landes oder die des “teureren” Landes (vorliegend ging es um Ungarn und Österreich). Ich habe es mit rumänischen Mitarbeitern beim Bau von Asylbewerberunterkünften erlebt. Mit 3,50 €/h kann ein deutscher Mitarbeiter nicht konkurrieren….

In dem Newsletter des Beck-Verlages geht es im Tenor um “Fachkräfte”. Letztlich geht es um die Höhe der Personalkosten. Es wird erhofft, daß das „Fachkräftezuwanderungsgesetz” diese niedrig hält und in dieser Beziehung der niedrigeren Personalkosten Rechtssicherheit für die Unternehmen und nicht die „Fachkräfte (gleich ob inländisch oder ausländisch) geschaffen wird.
Es wird also erwartet, daß die GrKo endlich wieder „Sacharbeit“ leistet. Die darin besteht, der Wirtschaft nicht Fachkräfte sondern billige Fachkräfte zur Verfügung zu stellen.
Na denn…
(Es ist übrigens wurscht, ob Fleischzerleger oder IT-Fachkraft.)

Auf den nachstehenden Artikel wurde nicht im Anschluß hingewiesen, vielleicht, weil er direkt davor steht, vielleicht auch aus einem anderen Grund. Obwohl beide Artikel im Zusammenhang stehen. Und beide auch zum Thema Zuwanderung. Denn auch auf dem Arbeitsmarkt sollen die Betroffenen untereinander Solidarität üben, statt gesamtgesellschaftliche Solidarität und wirkliche Solidarität mit den Betroffenen der Herkunftsländer zu fordern.
Wenn Patienten (z. Bsp. in der Gebäudereinigung ) eine verordnete Behandlung nicht durchführen, weil sie Angst um ihren Job haben, ist das ein Indiz für das Gegenteil von Fachkräftemangel.
Auch ein Blick in die entsprechenden Foren z. Bsp. bei “heise.de” läßt erhebliche Zweifel an einem angeblichen Fachkräftemangel aufkommen.

Auch das WSI ist nicht vom Fachkräftemangel überzeugt sondern hat erhebliche Zweifel an den Behauptungen des DIHK.
https://www.boeckler.de/wsi_114049.htm

Ich wiederhole meinen Kommentar nochmal:
“Dort wo Gewerkschaften marginalisiert sind, wirkt „der Markt“.
Für ein nachgefragtes knappes Gut (Arbeitskraft) wird ein hoher Preis bezahlt. Ist das Gut nicht knapp oder wird nicht nachgefragt, wird eben kein Preis (Entgelt) bezahlt. Oder sind die prekären Arbeitsbedingungen so, wie sie eben sind – prekär.
Warum auch sollte es besser sein? Aus Altruismus? Im Kapitalismus?

Nein, dieses „Marktgeschehen“ straft nur den Fachkräftemangel der Lüge. Es gibt ihn schlicht nicht.“

https://www.l-iz.de/wirtschaft/metropolregion/2018/10/Jeder-dritte-Vollzeitbeschaeftigte-im-Osten-ist-Geringverdiener-241667

Es gibt keinen Fachkräftemangel. Es gibt einen Mangel an billigst entlohnten Fachkräften.
Zimmerservice im Hotel funktioniert nicht mehr für effektiv 3,50/h, jeder Privathaushalt zahlt 10 und mehr und es ist deutlich stressfreier. Wenn examinierte Pflegekräfte sich freiwillig niedriger entlohnen lassen und als Pflegehelfer arbeiten WOLLEN, dann liegt das daran, dass sie unter dem Druck des Arbeitspensum (Personaleinsparungen) die Verantwortung für ihre Arbeit nicht mehr tragen wollen. Wenn ständig Haushaltssperren und damit Einstellungsstop in der Stadtverwaltung herrschen, werden eben auch keine Erzieher eingestellt, so sehr sie auch fehlen mögen.
Wenn die bekannten Dienstleister dhl etc vernünftige Arbeitszeitmodelle und vor allem Bezahlung bieten würden, hätten sie auch Personal. Aber wer will schon schwere Pakete ausliefern für effektiv 6€/h? Oder gar noch weniger? Auslagerungen ins Franchise machen es nicht besser, im Gegenteil.
Kein Wunder, dass besonders die Arbeitgeber nach Zuwanderung schreien, gibt es doch für solche Einstellungen noch Bonbons oben drauf. Und im Übrigen warten die Arbeitgeber händeringend auf die neuen “Wohltaten” für den Arbeitsmarkt, die Arbeitsminister Heil versprochen hat. Na dann, kann es ja weiter aufschwingen.

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