Oh ja, die Freude ist groß in der Arbeitsagentur Leipzig: Die registrierte Arbeitslosigkeit sank im November erstmals unter 19.000 Personen. Ein Wert, den sich die Arbeitsagentur selbst gern anrechnet für ihre emsige Arbeit. Aber hat die Einschätzung Bestand? Ein Blick auf die Zahlen lässt zweifeln.
„Der Schwerpunkt zur Investition der Arbeitsagentur und des Jobcenters Leipzig in die berufliche Qualifizierung von arbeitslosen Menschen zeigt sich als der richtige Weg. Arbeitgeber bekommen dadurch Stellen besetzt und immer mehr Menschen nehmen wieder Arbeit auf – davon profitiert der Leipziger Arbeitsmarkt. Schwerpunkt von Arbeitsagentur und Jobcenter bleibt weiterhin, arbeitslose Menschen fit zu machen für die Anforderungen des Arbeitsmarktes.
Wir setzen dazu auf praxisnahe und damit für Unternehmen wie Arbeitsuchende maßgeschneiderte Qualifizierung“, erklärte Steffen Leonhardi, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Leipzig, am Donnerstag, 29. November, bei der Vorstellung der Arbeitsmarktzahlen für November.
„Die positive Entwicklung am Leipziger Arbeitsmarkt setzt sich weiter fort. Wir freuen uns über den niedrigsten Stand der Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung. Die Arbeitslosenquote sinkt auf aktuell 6,1 Prozent. Demgegenüber wachsen die Beschäftigtenzahlen. Das ist eine sehr gute Nachricht zum Jahresende, auch wenn es bei 18.598 arbeitslosen Leipzigerinnen und Leipzigern noch viel zu tun gibt.“
Die Zahl der arbeitslosen Menschen, die bei der Arbeitsagentur oder dem Jobcenter Leipzig gemeldet waren, sank in den letzten vier Wochen auf 18.598. Das waren 502 weniger als noch im Oktober und 2.084 weniger als vor einem Jahr. Der Aufbau von Beschäftigung in Leipzig geht weiter. Aber das hat eher weniger mit der Arbeitsagentur zu tun. Die meisten Stellen in Leipzig werden ohne Zutun der Arbeitsagentur besetzt. Und die Zahlen im Jobcenter schmelzen vor allem, weil die Betreuten ins Nichtarbeitsleben verschwinden.
Aber viel spannender ist: Wo wächst denn eigentlich Leipzigs Arbeitsmarkt?
Denn es liegen ja für Ende März 2018 die aktuellsten Zahlen zur Beschäftigung vor. Danach waren 266.819 Menschen mit Arbeitsort Leipzig sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Gegenüber dem Vorjahresquartal war das ein Anstieg um 6.831 oder 2,6 Prozent.
Und dem gegenüber steht ein neuer Höchststand an als frei gemeldeten Arbeitsstellen:
Beim Zugang an offenen Arbeitsstellen verzeichnete die Arbeitsagentur Leipzig im November eine Steigerung gegenüber dem Vormonat. Die Wirtschaft und die Verwaltung haben in den letzten vier Wochen 2.168 freie Stellen, das waren 309 mehr als im davor liegenden Monat (1.859), jedoch 74 weniger als vor einem Jahr (2.242), zur Besetzung gemeldet. Mit 7.952 wurde jetzt ein neuer Höchststand ereicht und dass die 8.000 bald fällt, scheint ziemlich sicher.
Wenn man nur auf die gemeldeten Stellenangebote schaut, bekommt man den Eindruck, dass vor allem die Logistikbranche und die Industrie Leute suchen.
Aber die Zahlen zur Beschäftigungslage im März zeigen, dass in Wirklichkeit ganz andere Branchen in Leipzig wachsen.
Und an der Spitze liegt ein Beschäftigungscluster, das bei den Stellenangebote der Arbeitsagentur mit 388 als frei gemeldeten Stellen nur an Rang 8 liegt: Naturwissenschaft, Geografie, Informatik.
Denn übers Jahr um 1.196 Stellen gewachsen ist ein Wirtschaftszweig, der in Leipzig kaum Aufsehen macht: Information und Kommunikation. Und das sind eher nicht die berühmten Callcenter, die schon lange an allen Orten um Leute buhlen, sondern das sind die vielen im IT- und Kommunikationstechnologie-Bereich tätigen Firmen, die vor allem Computerspezialisten und Programmierer suchen und einstellen. Ganz augenscheinlich nicht übers Arbeitsamt. Denn dort finden sie die hochqualifizierten Leute nicht, die sie brauchen.
Und auch auf den folgenden Rängen beim Arbeitsplatzzuwachs tauchen weder die Logistiker noch die Industrieunternehmen auf. Im Heim- und Sozialwesen wurden 815 Stellen neu besetzt, im Gesundheitswesen 732, im Baugewerbe 631. Dazwischen lagen die vielen Dienstleister von freiberuflich bis wirtschaftsnah – insgesamt 1.342 Stellen.
Verkehr und Lagerei folgt mit 563 zusätzlich besetzten Stellen erst nach dem Kfz-Gewerbe. Und gleich dahinter kommt schon „Erziehung und Unterricht“ mit 516 Stellen Zuwachs.
Auffällig aber sind auch die Teilbereiche, in denen es tatsächlich deutliche Rückgänge gab. Allen voran in der Zeitarbeit (Arbeitnehmerüberlassung), die mit gemeldeten freien Stellen (November: 3.529) immer meilenweit die Liste anführt, aber in Wirklichkeit immer weniger Menschen wirklich unter Vertrag hat – übers Jahr 731 weniger.
Was ja heißt: Die Zeitarbeitsfirmen versuchen nach wie vor, ihre führende Position bei der Personalvermittlung zu behaupten. Aber immer mehr Firmen stellen die Leute dann doch lieber richtig ein, um der Gefahr zu entgehen, sie irgendwann an die Konkurrenz zu verlieren.
Und noch eine Branche schrumpft: die Energieversorgung. Minus 152 Arbeitsplätze binnen eines Jahres, was auch für Leipzig eine Größenordnung ist. Da die Stadtwerke als größter Energieerzeuger am Ort keine Entlassungswelle gemeldet haben, kann man nur vermuten, dass sich hier möglicherweise schon der Rückbau in der Kohlewirtschaft andeutet.
Aber gerade der Stellenzuwachs zeigt, dass der größte Teil der Arbeitsmarktbewegungen außerhalb der Arbeitsagentur stattfindet. Sie ist im Grunde ein Apparat, der zunehmend jene Menschen verwaltet, die die größten Handicaps haben, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Die gute Nachricht ist eher, dass auch diese Gruppen zunehmend ein kleines Stück vom Kuchen abbekommen.
Die aktuellen Zahlen:
In den Altersgruppen gab es im zurückliegenden Monat eine einheitliche Entwicklung. Bei den jungen Menschen bis 25 Jahren sank die Zahl der Arbeitslosen in den letzten vier Wochen um 139 auf 1.686 (Vorjahr: 1.826). Bei den Lebensälteren in der Altersgruppe ab 50 Jahren fiel die Arbeitslosigkeit um 62 auf 5.211 Personen (Vorjahr: 5.803).
Auch die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist im zurückliegenden Monat in Leipzig gesunken. Gegenüber dem Vormonat fiel sie um 152 auf 4.791. Im Vergleich zum November 2017 gab es 1.361 langzeitarbeitslose Menschen weniger.
Der Zugang in die Arbeitslosigkeit aus der Erwerbstätigkeit lag in den letzten vier Wochen bei 2.261 (Vormonat 2.213). Abgemeldet in Erwerbstätigkeit haben sich im gleichen Zeitraum 2.244 (Vormonat 2.175) Menschen.
Zum statistischen Zähltag im November betrug die Arbeitslosenquote in der Stadt Leipzig 6,1 Prozent (Vormonat: 6,2 Prozent). Im November 2017 lag diese noch bei 6,9 Prozent.
Im November waren 5.684 Menschen in der Arbeitsagentur im Rechtskreis SGB III arbeitslos gemeldet. Im Jobcenter Leipzig, Rechtskreis SGB II, waren 12.914 Menschen arbeitslos registriert. In Leipzig gab es im November 34.816 Bedarfsgemeinschaften. Das waren 259 weniger als im Vormonat und 2.539 weniger als im November des Vorjahres. Das Jobcenter Leipzig betreut aktuell 44.324 erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Im Vergleich zum Vormonat betrug der Rückgang hier 4. Im Vergleich zum Vorjahresmonat sank die Zahl um 2.798 Personen.
Eine Muntermacher-LZ Nr. 61 für aufmerksame Zeitgenossen
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