Manchmal verblüffen einen auch die Linken im Stadtrat. Da verliert die Leipziger Volkszeitung seit Jahren immer mehr Abonnenten und die Auflage schnurzelt zusammen, so wie bei allen Regionalzeitungen. Es war nur eine Frage der Zeit, wann sich das vor 25 Jahren gebaute eigene Druckhaus nicht mehr rechnet. Sind die Manager in Hannover also dumm? Und kann Leipzigs OBM an der Schließung der Druckerei irgendetwas ändern? Wohl eher nicht.
„Am 01.10.2018 teilte die Geschäftsführung der LVZ-Druckerei in Leipzig-Stahmeln den Beschäftigten mit, dass der Betrieb zum 31. Dezember 2019 geschlossen wird. Davon sind insgesamt etwa 60 Beschäftigte in der Druckerei und rund 200 in der ausgegliederten Zeitungsweiterverarbeitung betroffen, die ihren Arbeitsplatz verlieren“, stellt die Linkfraktion jetzt in ihrer Anfrage fest, die sie in der nächsten Ratsversammlung beantwortet bekommen möchte.
„Als ‚Tarifflucht‘ bezeichnet ver.di zudem die daraus resultierende Verlagerung des Drucks der LVZ nach Halle zur Druckerei der Mitteldeutschen Zeitung, die nicht tarifgebunden ist.“
Worum geht es eigentlich?
Die LVZ-Druckerei gehört zur Hannover Madsack-Mediengruppe, an der die SPD-eigene Medienholding DDVG 23,1 Prozent hält. Zu den Schließungsplänen kam es, als der Springer-Konzern 2018 ankündigte, seine mitteldeutschen „Bild“-Ausgaben nicht mehr in Stahmeln drucken lassen zu wollen. Damit ist geschätzt die halbe Auslastung der Druckerei weg.
Sie rechnet sich nicht mehr, die Maschinen veralten und müssten wohl nach einem Vierteljahrhundert runderneuert oder ersetzt werden. Angesichts des derzeitigen Niedergangs der Tageszeitungen wohl kaum eine gute Idee, zumal die Papierpreise für Tageszeitungspapier Jahr um Jahr massiv steigen. Manche deutsche Papiermühle (international hat Deutschland noch die meisten davon) macht einfach dicht, andere stellen auf Kartonagen um.
Denn bei Amazon bestellen die Menschen ja gern und irgendwer muss die Päckchen und Pakete, in denen der neue Stoff ins Haus kommt, für das immer neue Kauferlebnis liefern. Zeitungspapier braucht man hingegen immer weniger, allein Anfang 2018 stieg der Papierpreis in diesem Segment um über 10 Prozent. Die Papiermühlen stellen um, wie also sollte man eine Zeitungs-Druckerei bei schwindenden Aufträgen und steigenden Einkaufspreisen halten?
Wohl nur, wenn man eine Zukunftskonzeption für eine spezialisierte Rollen-Druckerei hat, wie die, welche von einem Hannoveraner Konzern in Stahmeln begründet wurde, um den eigenen Wünschen zu entsprechen. Oder eine Stadt wie Leipzig schießt einfach mal Steuergelder zu. Nur warum sollte es die Stadt tun, die von den Gewinnen am Stadtrand am wenigsten hatte? Vielleicht hat Hannover ja eine Idee?
Stand der Informationen
Die „Dresdner Neuesten Nachrichten“ (DNN), der Dresdner Ableger der LVZ, soll künftig in der Druckerei der „Sächsischen Zeitung“ gedruckt werden. Das Zeitungsschrumpfen im Mitteldeutschland führt also zwangsläufig dazu, dass die ersten Zeitungsdruckereien, die sich nicht mehr rechnen, vom Markt gehen. Madsack hat unterdessen in den letzten Jahren längst andere Geschäftsbereiche erschlossen: mit der LVZ-Post begann man ab etwa 2010 im Rahmen der sogenannten Liberalisierung des Zustellmarktes der Deutschen Post mit preiswerteren Angeboten Aufträge abzujagen.
Mit der Übernahme eines Leipziger Tickethändlers wurde man Konzertkartenverkäufer und so zum Mitbewerber örtlicher Tickethändler. Und 2017 hat das Medienhaus begonnen, mit dem Einstieg bei “Clever Shuttle” mittlerweile Leipziger Taxiunternehmen Konkurrenz zu machen. Die ersten lokalen Taxiunternehmen berichten von Umsatzrückgängen, offen reden will angesichts der angeblichen Macht der LVZ aber niemand.
Auch die Vereinbarungen mit der “Sächsischen Zeitung” sind keine reinen Druckereianfragen. Man splittet Abhängigkeiten und neue Partnerschaften auf. Wie in Halle, wo die LVZ angeblich ab Mitte 2019 gedruckt werden soll. Hier heißt der neue Partner der LVZ dann DuMont.
Ein Kölner Verlag mit ähnlichen Beteiligungen wie Madsack an Radiostationen, Postdienstleistungen und Ticketverkauf. Die Kölner und die Hannoveraner haben sich bereits auf anderen Ebenen geeinigt und eine gemeinsame Hauptstadtredaktion gegründet.
Für sie dürfte es auch beim neuen Deal in Dresden wohl eher um die Onlinesparte und somit um die eigentliche, ungewisse Zukunft gehen. Denn die Werbe-Vermarktung der gedruckten “Dresdner Neusten Nachrichten” soll nach L-IZ-Informationen im Printbereich gemeinsam zwischen Sächsischer Zeitung und DNN funktionieren – so zumindest die Überlegung.
Aber hinter den Fragen der Linksfraktion steckt natürlich noch mehr. Denn 1993, als das neu gebaute Druckhaus in Stahmeln eröffnet wurde, feierte sich auch die Leipziger Politik für diese imposante Wirtschaftsansiedlung. Stecken also auch Fördergelder in dem Bau, die man nach 25 Jahren zurückverlangen könnte? Eher nein, aber fragen kostet ja nichts.
Die Fragen der Linksfraktion:
„Was gedenkt der Oberbürgermeister gegen die angekündigte Schließung der Leipziger Verlags- und Druckereigesellschaft (LVDG) und damit für den Erhalt der 260 Arbeitsplätze zu tun?
Wo (ausgenommen der Hausdruckerei) werden bisher Druckerzeugnisse der Stadt Leipzig, hier insbesondere das Amtsblatt, gedruckt und welches Auftragsvolumen umfasste dies?
Welche Möglichkeiten sieht die Stadtverwaltung, den Druck der unter 2. benannten Erzeugnisse unter der Erneuerung der Anpassung der Drucktechnik in Stahmeln drucken zu lassen?
Welche städtischen Mittel sind seit 1993 in Investitionen in Gebäude und Technik der LVZ-Druckerei geflossen?“
Eine Pointe am Schluss: Das „Amtsblatt“, welches freilich nicht täglich erscheint, sondern nur aller 14 Tage, wird auch nicht in Stahmeln gedruckt und würde selbst dann die dort aufreißenden Löcher von 200.000 „Bild“-Exemplaren am Tag nicht stopfen können. Das Impressum des „Amtsblatts“ verrät jedoch, wer hier das Leipziger Steuergeld direkt bei der Kommune verdient: Die Pressedruck Potsdam GmbH, wo auch die „Märkische Allgemeine“ gedruckt wird. Kleine Überraschung: Pressedruck Potsdam gehört auch zum Hannover Madsack-Konzern.
LVZ-Druckerei in Stahmeln soll Ende 2019 geschlossen werden
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