Es gibt keinen Grund, die immer neuen Rekorde beim Rückgang der Arbeitslosigkeit in Leipzig zu bejubeln. Das ist das alte Verwalter-Denken, das einfach die statistische Abwesenheit großer Arbeitslosenzahlen als prima definiert, ohne sich im mindesten darum zu kümmern, zu welchen Konditionen gearbeitet wird und ob der „Arbeitsmarkt“ in Kürze überhaupt noch in der Lage ist, arbeitsfähige Bewerber bereitzustellen. Denn da wird es jetzt richtig dünne.

Auch wenn Steffen Leonhardi, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Leipzig, quasi dem OBM von Leipzig wieder freudig zuruft: Es wird immer besser!

„Mit 6,2 Prozent wurde im Oktober die niedrigste Arbeitslosenquote in einem Monat seit 1991 überhaupt gemessen. Der Trend des Rückgangs der Arbeitslosigkeit hat sich auch im zurückliegenden Monat ungebrochen fortgesetzt. Dieser kontinuierlich positiven Entwicklung am Leipziger Arbeitsmarkt macht mich für den kommenden Verlauf mit einem weiteren Rückgang der Arbeitslosigkeit zuversichtlich“, so Leonhardi bei der Vorstellung der Arbeits- und Ausbildungsmarktzahlen des Monats Oktober am Dienstag, 30. Oktober.

Eigentlich müsste ihm längst genauso angst und bange werden wie dem OBM. Denn das ist keine gute Nachricht. Schon der Blick auf die Zahlenentwicklung seit 2012 zeigt, dass damit die scheinbar so große Leipziger Arbeitsmarktreserve hinschmilzt wie Schnee an der Sonne. Während die Zahlen im SGB III zwischen 5.000 und 6.000 relativ konstant bleiben, schmolz seitdem der Berg der „Hartz IV“-Bezieher von 22.081 auf 13.210. Allein im Jahresverlauf seit 2017 ging diese Zahl um über 13 Prozent zurück.

Der Rückgang ist ja ein rein statistischer, denn er resultiert vor allem daraus, dass immer weniger Menschen ins SGB II abrutschen. Was vor allem mit den älteren Fachkräften zu tun hat, die eben nicht mehr aufgrund ihres Alters entlassen werden, wie das bis 2010 oft noch ein regelrechter Sport aufs Sparen fixierter Arbeitgeber war: „Sie sind schon über 50? Dann sind Sie für uns nicht mehr fit genug!“

Gerade im Jobcenter schmnilzt der Berg der Erwerbsfähigen massiv weg. Grafik: Arbeitsagentur Leipzig
Gerade im Jobcenter schmilzt der Berg der Erwerbsfähigen massiv weg. Grafik: Arbeitsagentur Leipzig

Es hat lange gedauert, bis die Wirklichkeit auch bei den Personalverantwortlichen angekommen ist. Wer heute auf einem leergefegten Ausbildungsmarkt nach neuen, frischen Fachkräften sucht, wird kaum noch fündig. Die halbierten Ausbildungsjahrgänge haben die Konkurrenz um ausgebildeten Nachwuchs massiv verschärft und immer mehr Unternehmen suchen immer länger nach Leuten, mit denen sie ihre Stellen noch besetzen können.

Binnen eines Jahres stieg die Zahl der unbesetzten Stellen von 7.358 auf 7.904. Die 8.000 werden wir bald erleben. Logisch, dass alle Unternehmen sich mittlerweile bemühen, die älteren Arbeitskräfte zu behalten. Sie kommen also nicht mehr auf den sogenannten „Arbeitsmarkt“ und füttern die Zahlen im SGB II. Die Zahl der Arbeitslosen im Rechtskreis SGB II sinkt also auf ganz natürliche Weise – vor allem durch Altersabgänge.

Und dahinter wächst der Bedarf, den auch das Jobcenter mit seiner angepriesenen Beratung nicht decken kann.

„Der Bedarf in der Stadt nach qualifizierten Fachkräften bestätigt uns in der Ausrichtung zu erhöhten Investitionen der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter in die berufliche Qualifizierung von arbeitslosen Menschen“, beschreibt Leonhardi den Weg, mit dem die Arbeitsagentur versucht, Menschen für die gesuchten Berufsfelder irgendwie fit zu machen.

„Der Arbeitsmarkt profitiert davon und immer mehr Menschen kommen wieder in Arbeit. Unser Anspruch ist es, jedem, der Unterstützung benötigt, ein maßgeschneidertes Angebot zu unterbreiten, das gilt für Arbeit suchende Menschen wie für Personal suchende Unternehmen. Die gute Zusammenarbeit mit den Beteiligten am Arbeits- und Ausbildungsmarkt ist ein bedeutender Erfolgsfaktor.“

Die freien Stellen nach Branchen. Grafik: Arbeitsagentur Leipzig
Die freien Stellen nach Branchen. Grafik: Arbeitsagentur Leipzig

Dafür gibt es ein Bienchen für Marketing-Sprech.

Maßgeschneidert ist auf dem sächsischen Arbeitsmarkt ziemlich wenig. Was auch an Arbeitgebern liegt, die zehn wertvolle Jahre einfach vertrödelt haben. Denn in keiner Sparte wächst die Zahl unbesetzter Stellen so schnell wie im Bereich Gesundheit und öffentlicher Dienst.

Als das gut ausgebildete Personal da war, wollte man es nicht – oder konnte es nicht wollen, weil der Haushalt Neueinstellungen verbot. Und jetzt, wo es fehlt, sucht man es vergeblich. Auch weil in einigen Bereichen – wie in den Pflegeberufen – die Arbeitsbedingungen mittlerweile eine Zumutung sind.

Die Hoffnung liegt zunehmend darauf, dass die in Sachsen heimisch werdenden Flüchtlinge die Lücken ausfüllen. Und sie kommen augenscheinlich auch zunehmend in Arbeit. Die Zahl der arbeitslosen Ausländer sank allein im Oktober von 3.934 auf 3.817. Und das, obwohl die Behörden der Asylverwaltung es den ausbildenden und qualifizierenden Betrieben oft genug richtig sauer machen. Da ist ebenfalls nichts maßgeschneidert, sondern das Meiste zugemauert und bürokratisch.

Deswegen bringt das ganze Hosianna nichts. Es hat mit einer gut arbeitenden Agentur, die Menschen wirklich schnell und reibungslos in auskömmlich bezahlte Arbeit bringt, nicht viel zu tun. Systembedingt.

Die Zahlen für den Oktober:

Die Zahl der arbeitslosen Menschen, die bei der Arbeitsagentur oder dem Jobcenter Leipzig gemeldet waren, sank in den letzten vier Wochen auf 19.100. Das waren 458 weniger als noch im September und 2.376 weniger als vor einem Jahr.

Bei den jungen Menschen bis 25 Jahren sank die Zahl der Arbeitslosen in den letzten vier Wochen um 218 auf 1.825 (Vorjahr: 1.980).

Bei den Lebensälteren in der Altersgruppe ab 50 Jahren fiel die Arbeitslosigkeit um 68 auf 5.273 Personen (Vorjahr: 5.973).

Auch die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist im zurückliegenden Monat in Leipzig gesunken. Gegenüber dem Vormonat fiel sie um 160 auf 4.943. Im Vergleich zum Oktober 2017 gab es 1.446 langzeitarbeitslose Menschen weniger.

Offene Arbeitsstellen: Die Wirtschaft und die Verwaltung haben in den letzten vier Wochen 1.859 freie Stellen zur Besetzung gemeldet. Insgesamt werden nun 7.904 freie Stellen gezählt. Davon 1.957 im Bereich „Verkehr, Logistik, Schutz und Sicherheit“, 1.816 im Bereich „Rohstoffgewinnung, Produktion, Fertigung“ und 1.065 im Bereich „Gesundheit, Soziales, Lehre u. Erziehung“.

Zum statistischen Zähltag im Oktober betrug die Arbeitslosenquote in der Stadt Leipzig 6,2 Prozent (Vormonat: 6,4 Prozent). Im Oktober 2017 lag diese noch bei 7,2 Prozent.

Im Oktober waren 5.890 Menschen in der Arbeitsagentur im Rechtskreis SGB III arbeitslos gemeldet.

Im Jobcenter Leipzig, Rechtskreis SGB II, waren 13.210 Menschen arbeitslos registriert.

In Leipzig gab es im Oktober 35.110 Bedarfsgemeinschaften. Das waren 481 weniger als im Vormonat und 2.552 weniger als im Oktober des Vorjahres. Das Jobcenter Leipzig betreut aktuell 44.687 erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Im Vergleich zum Vormonat betrug der Rückgang hier 472. Im Vergleich zum Vorjahresmonat sank die Zahl um 2.824 Personen.

„Der Trend ist stabil. Wir gehen davon aus, dass das Weihnachtsgeschäft im November und Dezember positive Effekte mit sich bringt und damit die Zahl der arbeitslosen Menschen in den nächsten Wochen noch weiter zurückgeht“, sagte Leonhardi noch.

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