Jetzt geh ich los und streichle meine Straßenbahn. Wir haben zwar das Jahr über viel gemeckert und kritisiert. Weil wir’s gern besser hätten. Aber natürlich hört die Klemme nicht auf, in der die LVB stecken. Die Preise steigen, die Gehälter der Fahrer auch. Investieren müssen sie. Aber sie sind auch auf die Querfinanzierung über die LVV (die L-Gruppe) angewiesen. Und dort ist man schon froh, wenn man die vereinbarten 45 Millionen erwirtschaften kann. Hat man auch 2017 wieder geschafft, freut sich Michael Theis, Sprecher der Geschäftsführung der LVV. Wir sind wahrscheinlich nur zu ungeduldig.

Am Donnerstag, 28. Juni, stellte OBM Burkhard Jung gemeinsam mit Michael Theis, dem Vorstandssprecher, und Volkmar Müller, Kaufmännischer Geschäftsführer der LVV, das Konzernergebnis der LVV für das Jahr 2017 vor. Deutlich verspätet. Aber das lag daran, dass es die letzte Entscheidung im Londoner Prozess zwischen der Schweizer Großbank UBS und den Kommunalen Wasserwerken Leipzig (KWL) erst im April gab.

Was aber wieder Einfluss auf die Bilanz von 2017 hat, denn damit müssen (oder können) auch die konzerninternen Rückstellungen, die die LVV vor sechs Jahren gebildet hatte, um die Folgen des Prozesses mit der LBBW abzufedern, wieder aufgelöst werden. Damals waren das 75 Millionen Euro, mit Zinsen wurden es 91 Millionen. Der LBBW-Prozess aber hing direkt mit dem Londoner Prozess mit der UBS zusammen. Seit der gewonnen wurde für Leipzig, ist auch der LBBW-Prozess nicht mehr relevant. Insgesamt hat Leipzig damit 500 Millionen Euro an möglichen Forderungen abgewehrt.

Die Rückstellungen wurden wieder den Eigenmitteln zugeführt, sagt Volkmar Müller. Was auf dem Papier dazu führt, dass die LVV zum ersten Mal einen (scheinbaren) Gewinn von über 100 Millionen Euro ausgewiesen hat.

Ohne Berücksichtigung dieser Rückstellungsauflösung in Folge der gewonnenen rechtlichen Auseinandersetzung in London wurde für das Geschäftsjahr 2017 ein gesteigertes Konzernergebnis von 33 Millionen Euro vor Steuern erzielt (Vorjahr: 31 Millionen Euro). Die Finanzierung der ÖPNV-Leistungen stemmte die Unternehmensgruppe erneut aus eigener Kraft und erfüllte somit einen zentralen Auftrag der Stadt.

Volkmar Müller unterstrich, die Unternehmensgruppe habe erneut „sehr gut gewirtschaftet und sich in wichtigen Geschäftskennzahlen verbessert.“ So habe sich der Konzernumsatz erhöht – von 2.278 Millionen Euro im Vorjahr auf 2.390 Millionen Euro.

Oder der Übersichtlichkeit halber so geschrieben: 2,39 Milliarden Euro. Damit ist die LVV-Gruppe mit ihren rund 4.700 Mitarbeitern einer der größten und gewichtigsten Spieler in der Region.

Das Konzernergebnis (unbereinigt) erhöhte sich insgesamt auf 113,5 Millionen Euro. Hintergrund der deutlichen Steigerung ist oben erwähnte Auflösung der Rückstellung in Höhe von 90,7 Millionen Euro im Zusammenhang mit der rechtlichen Auseinandersetzung gegen die LBBW zu einer CDO-Transaktion.

Und hinter dem Ergebnis stehen vor allem die positiven Jahresergebnisse der Stadtwerke und der Wasserwerke. Die Stadtwerke schafften wieder 54 Millionen Euro Plus, die Wasserwerke über 30 Millionen. Die LVB kamen – wie gewohnt – mit Null heraus. Aber da gehen wir natürlich noch ins Detail.

Wer die Entwicklung der LVV über die letzten zehn Jahre anschaut, sieht auch, wie sich der Stadtkonzern mühsam freigeschwommen hat. Denn da gab es einige Jahre, wo eine Investitionshöhe über 100 Millionen Euro schwer zu stemmen war. 2017 aber stieg die Investitionssumme auf 178 Millionen Euro. Das war ein neuer Höchstwert. Darin stecken viele Kilometer Abwasserkanäle, die die Wasserwerke seit drei Jahren systematisch sanieren, darin stecken die neuen Straßenbahnen der LVB, aber auch die vier Blockheizkraftwerke der Stadtwerke, die sich jetzt ernsthaft mit der Energiewende beschäftigen müssen.

Und gleichzeitig schaffte es die LVV, die Nettogesamtverschuldung auf 571,8 Millionen Euro weiter zu reduzieren. Damit wurden in den letzten Jahren über 100 Millionen an Bankkrediten getilgt. Im Gegenzug stiegen die Eigenmittel auf 1.012 Millionen Euro, das ist die Schwungmasse, mit der die Investitionen der nächsten Jahre gestemmt werden können. Denn in den 2020er Jahren will auch Michael Theis nicht mehr nur 178 Millionen Euro ausgeben, sondern eher 230 bis 250 Millionen Euro – jedes Jahr.

„Die Leipziger Gruppe hat mit ihren Unternehmen Leipziger Stadtwerke, Verkehrsbetriebe und Wasserwerke stabile Voraussetzungen geschaffen, um in den kommenden Jahren weiter in Wachstum investieren zu können“, lautete Volkmar Müllers Fazit. Über 3 Milliarden Euro will die L-Gruppe bis 2030 investieren.

Aber das ist noch Zukunftsmusik. Alle Warnungen in den letzten Jahren, die LVV würde die 45 Millionen Euro für die Verkehrsbetriebe nicht erwirtschaften können, waren nichts als Unkenrufe. Wozu freilich auch das starke Bevölkerungswachstum beitrug. Davon haben alle drei Töchterunternehmen profitiert: Wasserwerke und Stadtwerke durch mehr Kunden und Umsätze und die LVB durch mehr Fahrgäste und steigende Fahrgasteinnahmen.

Denn die Fahrgastzahlen stiegen deutlich überm Durchschnitt, auch stärker als in anderen Verkehrsunternehmen. Mit dem Ergebnis, dass der Kostendeckungsgrad der LVB auf einen neuen Höchstwert stieg – nämlich von 73,5 auf 73,7 Prozent. Fast 74 Prozent der LVB bezahlen die Leipziger durch ihre Tickets und Abos. Sie haben also das, was da herumfährt, alles selbst bezahlt – denn die 45 Millionen Euro Zuschuss von den LVV haben sie ja mit Wasser, Strom und Fernwärme auch bezahlt.

Sie dürfen also ihre ganz persönliche Straßenbahn streicheln, wenn sie darin ein hübsches Plätzchen finden.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar