Natürlich war’s kalt. Ganz früh pfiff der Ostwind noch mit minus 12 Grad durch die Stadt. Aber so gegen 11 Uhr, da schien die Sonne. Wie immer, wenn die Verbundnetz Gas AG (VNG) zur Bilanzpressekonferenz einlädt. Obwohl: Es geht immer um mehr als die Frage, ob die Anteilseigner (darunter auch Leipzig) ein paar Millionen Euro ausgeschüttet bekommen oder nicht. Das große Energieunternehmen steckt mitten im Umbau.
Seit 2016 eigentlich. 2017 war der Start für die Neuausrichtung. Was ja nicht ganz einfach ist in einer Bundesrepublik, wo selbst die Regierung nicht so richtig weiß wo sie hin will. Man denke nur an all die Schleifen rund um Kohlewirtschaft und Klimaziele. Und an das laute Stöhnen der Umweltverbände über das scheinbare Verschwinden der eh nicht so dolle ambitionierten Klimaschutzziele im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD.
Eigentlich genug Grund auch für Ulf Heitmüller, den Vorstandsvorsitzenden der VNG, so richtig zu schimpfen. Aber der nahm es am Donnerstag, 1. März, recht gelassen. Nicht die Ziele seien wichtig, sondern der Weg dahin, sagt er. Und er sagt es aus der Sicht eines Unternehmens, das gerade ein paar turbulente Jährchen hinter sich hat, weil der rapide gefallene Gaspreis auch der VNG zeitweilig das Geschäft verhagelte. Mit Gas war auf einmal nicht mehr viel Geld zu verdienen. Möglicherweise ein Grund dafür, dass Städte wie Dresden und Erfurt an den Ausstieg aus der Beteiligungsgruppe VUB dachten, wo die ganzen ostdeutschen Kommunen mit ihren Anteilen gebündelt sind. Das war die Zeit, als Leipzig versuchte, die Anteile der anderen Kommunen zu erwerben, um die Sperrminorität zu behalten.
Denn für Leipzig ist die VNG wichtig. Als großes Unternehmen, als Arbeitsgeber, als Steuerzahler. Und ab und zu gibt es dann doch ein paar Milliönchen für die LVV, die für Leipzig die Anteile hält.
Da gab es am Donnerstag wieder gute Nachrichten. Wie im Vorjahr: Die VNG hat ihr Ergebnis nicht nur konsolidiert, sondern sogar gesteigert. Die VNG-Gruppe hat für das Geschäftsjahr 2017 einen Jahresüberschuss in Höhe von 71 Millionen Euro nach Zinsen und Steuern erwirtschaftet.
„Diese insgesamt positive Geschäftsentwicklung freut uns sehr und ist ein Beleg dafür, dass die VNG-Gruppe 2017 den richtigen Weg eingeschlagen hat. Wir haben unsere Ertragskraft weiter verbessert und zudem die richtigen Weichen für die Zukunft gestellt. Wir können feststellen, dass die Neuausrichtung geglückt ist“, betont Ulf Heitmüller, Vorstandsvorsitzender der VNG AG, bei der Bilanzvorstellung. Erstmalig wurde 2017 die Rechnungslegung für den Konzernabschluss auf Basis internationaler IFRS-Standards aufgestellt. Das Ergebnis aus dem Vorjahr, welches auf Basis handelsrechtlicher Vorgaben (HGB) ermittelt wurde, lag bei 40 Millionen Euro.
Deswegen gibt es auch für das Jahr 2017 wieder eine Ausschüttung an die Aktionäre – immerhin 35 Millionen Euro. Was sicher auch in Leipzig für Aufatmen sorgt.
Der Vorteil der VNG: Sie vereint nicht nur den Erdgashandel, sie hat auch ein traditionell starkes Geschäft im Transport und in der Speicherung. Immerhin ist es ein echtes ostdeutsches Unternehmen. Im Sommer will es den 60. Geburtstag feiern. Was sich in diesem Jahr auch noch mit 45 Jahren Gaslieferungen aus Russland verbindet. 1973 kamen die ersten Gaslieferungen damals noch aus der Sowjetunion in Ostdeutschland an.
Und nach 1990 hat sich die VNG als einer von drei großen Playern auf dem deutschen Gasmarkt behauptet. Ihre Stärke: Die großen, leistungsstarken Infrastrukturen in Ostdeutschland. Strukturen, die geradezu eine ideale Basis für das bieten, was 2003 mal der zentrale Baustein der Energiewende war: den Ausstieg aus Atomkraft und Kohle. Dazu war –und ist – Erdgas die ideale Übergangslösung. Es ist flexibel und hat einen deutlich geringeren CO2-Ausstoß nicht nur als Kohle, sondern auch als Erdöl.
Und die VNG ist längst dabei, die neue Energiezukunft zu planen. Sie kommt auch dann, wenn die Bundesregierung wieder bremst.
Den Grund kennen die Leipziger längst: Kohle ist nicht mehr wirklich konkurrenzfähig. Gerade die älteren Kraftwerksblöcke sind nicht mehr gewinnträchtig zu betreiben. Deswegen sehen sich immer mehr Kommunen nach einer neuen Energiebasis um. Nicht nur Leipzig. Man sieht zwar die Gasturbinenanlage der Stadtwerke Leipzig vom 6. Stock der VNG-Zentrale aus schöne Wasserdampfwolken in den frostigen Himmel blasen. Aber die Stadtwerke Leipzig sind groß genug, um diesen Wechsel in eine neue, dann deutlich dezentrale Energiezukunft selbst zu meistern und die Zukunft nach dem Abschied vom Kohlekraftwerk Lippendorf zu sichern.
In anderen und vor allem kleineren Kommunen wird der Prozess ähnlich sein. Und da sehen sich die VNG schon jetzt als ein ganz ähnlich vielseitig aufgestellter Dienstleister.
Das steckt schon in der Strategie „VNG 2030+“. Hier geht es auch darum, die „Wachstumschancen in angrenzenden Geschäftsfeldern zu identifizieren und diese konsequent zu nutzen.“ Heißt: Neben Erdgas (das möglicherweise nach 2030 seine zentrale Rolle nach und nach verlieren wird) werden Energiequellen wie Biogas eine immer wichtigere Rolle spielen. Fünf Biogasanlagen haben die VNG schon im Portfolio. Künftig könnten es 15 bis 20 sein, sagt Hans-Joachik Polk, der für die Infrastrukturen verantwortliche Geschäftsführer. Alle in Ostdeutschland.
„In 2017 sind wir erste wichtige Schritte in den Bereichen Biogas, Digitale Infrastruktur und Quartierslösungen gegangen. Einzelne Projekte haben wir bereits begonnen“, zählt Ulf Heitmüller das auf, was drinsteckt in der neuen Strategie (neben der Konsolidierung des klassischen Geschäfts).
Zudem beteilige sich die VNG-Gruppe beispielsweise an Start-ups und verstärke somit neue Wege für Innovationen und Kooperationen. Quartierslösungen bedeutet nun einmal, Energieversorgung in Städten und Gemeinden künftig als Komplettversorgung und digitale Steuerung für ganze Wohnquartiere zu verstehen – weg von den großen Kraftwerken, die sich nicht mehr rentieren, hin zu kompakten, dezentralen Lösungen, in denen ein großer Energieversorger wie die VNG auch digitale Steuerungslösungen anbietet.
Da ist Vieles noch in den Babyschuhen. Deswegen holt man die von Heitmüller erwähnten Start-ups ins Boot. Das sind meist junge, kleine Unternehmen, die die Herausforderungen der Energiewende aus einer völlig anderen Perspektive sehen – und auch völlig neue Lösungen anbieten.
Das Ganze ist auch mit einer eigenen strategischen Abteilung im Unternehmen untersetzt. Die Zukunft hat längst angefangen. Und sie wird – wenn die Bundesregierung es wieder nicht hinbekommt – von unten kommen: direkt aus den Kommunen, die sich natürlich die Partner suchen, die diese Sicherung der Energiebasis beherrschen.
Deswegen ist Heitmüller beim Blick in den Koalitionsvertrag auch nicht so sehr entmutigt. Denn längst hat man die ersten Kooperationspartner. Und vor allem muss man nichts überstürzen. Die Erdgaslieferungen (auch aus Russland) sind zuverlässig. Was ja Grund ist, die 45-jährige Partnerschaft zu feiern. Und vor der norwegischen Küste ist man ja als Förderer ebenfalls aktiv. Die eigene ONTRAS betreibt das größte Leitungsnetz in Ostdeutschland. Die VNG Gasspeicher GmbH hat zwar zu kämpfen, weil das Speichergeschäft in Deutschland hart umkämpft ist. Aber auch die Speicher sind wichtig, wen man künftig Energie in Gasform zwischenspeichern will.
Die wichtigste Änderung in der Betriebsstruktur ist aktuell die Ausgliederung des Großhandelsgeschäfts in eine neue Tochter, die VNG Handel & Vertrieb GmbH. Das hängt mit Kartellrechtvorgaben zusammen, damit Handel und Transport nicht unter einem Dach sind.
Was man möglicherweise sehen wird, weil man dran vorbeifährt, ist ein sehr konkretes Projekt der ONTRAS, die ihr Tankstellennetz für CNG-Gas deutlich ausbauen will von 900 auf über 2.000 Tankstellen. Die Absicht dahinter: Die deutschen Autofahrer dazu zu überreden, von Diesel auf CNG umzusteigen. Das senkt den CO2-Austoß genauso wie den Stickoxid-Ausstoß. Und es spart Geld. Die VNG hat ihren Fuhrpark schon umgestellt und binnen eines Jahres 60.000 Euro eingespart. So etwas summiert sich, wenn man den Fuhrpark umstellt. Das Ziel von ONTRAS: Bis 2025 sollen 1 Million CNG-Autos auf deutschen Straßen fahren. Das dürfte auch manchem Handwerker näherliegen, als nun gleich mit einem E-Auto anzufangen.
Warum so eilig oder Wie wird man wieder Herr seiner Zeit? – Die neue LZ Nr. 52 ist da
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