Es war schon erstaunlich, wie weit sich Volkmar Müller, Finanzgeschäftsführer im Stadtkonzern LVV, bei einem öffentlichen Forum zu "Zehn Jahre Stadtwerke-Entscheid" im Volkshaus aus dem Fenster lehnte, als er zum Kohlekraftwerk Lippendorf erklärte: "Folglich wird es auch bei einem Kohleausstieg der Bundesregierung noch lange am Netz bleiben." Zumindest zitierte ihn am 2. Februar so die LVZ.

Das Kraftwerk sei eines der modernsten in Deutschland. Müller: “Wir gehen davon aus, dass es noch bis weit nach 2030 Bestand hat. (…) Wie wir das Netz künftig speisen, dazu wird jetzt heftig diskutiert.“

In Wirklichkeit wird längst daran gearbeitet. Die Stadtwerke Leipzig bauen nach und nach kleinere, gasbetriebene Kraftwerksblöcke im Stadtgebiet. Diese können für sich ganze Stadtteile mit Fernwärme versorgen. Müllers Aussage ist deshalb so brisant, weil der Leipziger OBM gerade einen Prüfauftrag des Stadtrates auf dem Tisch hat, in dem es darum geht, wann Leipzig aus den Fernwärme-Lieferverträgen aus dem Kraftwerk Lippendorf aussteigen kann.

Zwei Varianten wird er prüfen und dem Stadtrat im Sommer die Ergebnisse vorlegen: einmal ein Auslaufen der jetzigen Lieferverträge im Jahr 2023. Und zum Anderen einen Ausstieg im Jahr 2030.

Und wenn man in der Führung der Leipziger Stadtholding LVV auch nur ein bisschen nachgedacht hat, weiß man dort, dass das für Lippendorf eigentlich ein Ende um das Jahr 2030 bedeutet, denn ohne den Leipziger Liefervertrag rechnet sich das Kraftwerk nicht mehr wirklich. Mit dem dort erzeugten Strom allein lässt sich kaum eine Rendite erzielen.

So gesehen hat sich Volkmar Müller mit dem “weit nach 2030“ sehr weit aus dem Fenster gelehnt. Und der LVZ die mächtig gewaltige Schlagzeile geliefert: “LVV-Finanzchef Müller. ‘Kraftwerk Lippendorf bleibt noch zehn bis 15 Jahre am Netz’“.

Anlieferung für das BHKW in der Hildegardstraße. Foto: Leipziger Stadtwerke
Anlieferung für das BHKW in der Hildegardstraße. Foto: Leipziger Stadtwerke

Es ist wohl tatsächlich so: Die Entscheidung über die Betriebszeit des Kraftwerks fällt in Leipzig. Und der Kreisverband der Grünen erinnert postwendend daran, dass es ein Grünen-Antrag ist, über den der OBM jetzt grübelt.

„In einem ersten Schritt soll der aktuelle Wärmebedarf in bestehenden und geplanten Fernwärmeanschlussgebieten identifiziert werden. In einem zweiten Schritt streben wir eine alternative und visionäre Erzeugungsstruktur an, die sich – soweit als möglich – aus erneuerbaren Energien (Biomasse, Solarthermie und Erdwärme) speist”, erklärt Matthias Jobke, Sprecher des Stadtverbandes der Grünen, zur wahrscheinlicheren Energie-Zukunft der Stadt Leipzig. “Durch den Rückgriff auf erneuerbare Energien werden lokal vorhandene Ressourcen genutzt. Darin soll die zentrale Erzeugung der Fernwärme aus Braunkohle durch dezentrale Erzeugung aus bspw. erdgasbetriebenen kleinen Blockheizkraftwerken ersetzt werden, der Wärmeverbrauch durch energetische Gebäudesanierung, Abstimmung der Netzinfrastruktur und Effizienzverbesserung reduziert werden und schließlich die erdgasbasierte Erzeugung durch erneuerbare Energieträger inklusive Nutzung der Sektorkopplung ersetzt werden. Die Erzeugungsstruktur selbst soll unter dem Gedanken der lokalen Wertschöpfung durch lokale Akteure errichtet und betrieben werden.“

Die Stadtwerke Leipzig sind längst dabei, für dieses dezentrale Erzeuger-Netz die entsprechenden elektronischen Steuervoraussetzungen zu schaffen. Eher entscheidet die Fähigkeit der Stadtwerke Leipzig darüber, so ein Netz zu steuern, wann Leipzig aus der Fernwärmelieferung aus Lippendorf aussteigen kann, als der Glaube, Lippendorf ließe sich noch 15 Jahre rentabel bewirtschaften.

„Lippendorf gehört zu den schmutzigsten Kraftwerken Deutschlands, in dem vor allen Dingen hochgiftiges Quecksilber und Stickoxide, sowie Feinstäube emittiert werden”, nennt Jobke einige der wichtigsten Gründe für den Ausstieg. “Das ist mit einer modernen Energiepolitik unvereinbar. Deshalb gilt: Raus aus der Kohle!“

Vielleicht konstatiert der OBM im Sommer, dass Leipzig die nötigen Strukturen im Jahr 2023 noch nicht zur Verfügung hat. Wenn das so sein sollte, steht trotzdem das Jahr 2030 im Raum.

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