Das nennt man „Von 3 auf 1 binnen eines Jahres“. Denn da ist das Problem der Fachkräftesicherung in Leipzigs Unternehmen in der jüngsten IHK-Konjunkturumfrage gelandet. Vor einem Jahr meldeten nur 38 Prozent der teilnehmenden Unternehmen Probleme bei der Fachkräftesicherung, mittlerweile sind es 50 Prozent. Und der Wirtschaftsmotor Leipzig brummt. Er zieht längst ganz Sachsen mit.

Denn die Befragungsergebnisse im Kammerbezirk Leipzig sind noch einen Zacken besser als die Gesamtergebnisse für Sachsen. Hier ballen sich die Unternehmen, die vom seit 2011 anhaltenden Konjunkturaufschwung profitieren.

„Die regionale Wirtschaft hat ein starkes Jahr 2017 hingelegt und ist mit optimistischen Erwartungen in das neue Jahr gestartet. Die Stabilität des Aufschwungs zeigt sich auch darin, dass die Unternehmen die außerordentlich gute Lage nunmehr für Investitionen nutzen“, sagt Kristian Kirpal, Präsident der IHK zu Leipzig. „Die gute Auftragslage über alle Wirtschaftszweige hinweg führt auch zu einem steigenden Personalbedarf. Diesen zu decken, wird für immer mehr Firmen zum Problem. Unternehmen reagieren richtig, indem sie sich als attraktive Arbeitgeber aufstellen. Das allein wird aber nicht genügen: Wir müssen insgesamt wieder mehr junge Menschen für die duale Berufsausbildung begeistern. Die Politik muss das Ihre dazu tun: mit Investitionen in moderne Berufsschulen und einer schnellen Umsetzung des im sächsischen Koalitionsvertrag angekündigten Bildungstickets für Schüler und Azubis.“

Wenn das mal reicht.

Denn noch immer leistet sich Sachsen fast 10 Prozent Schulabgänger ohne Abschluss. Und viele Abgänger mit Hauptschul- oder Realschulabschluss sind völlig demotiviert und tun sich schwer, eine ernsthafte Berufsausbildung zu starten.

Beides Befunde, die eigentlich auf eine radikale Reform des sächsischen Schulsystems hindeuten, die zumindest bei den mutigeren Politikern auch schon angedacht ist: längeres gemeinsames Lernen gehört zwingend dazu. Denn wer einen anspruchsvollen Job haben will, braucht Motivation.

Die aber ist im derzeitigen aussiebenden Schulsystem rar geworden.

Und gleichzeitig wächst jetzt der Hunger der Wirtschaft nach Fachkräften.

Die Unternehmen beurteilen sowohl ihre derzeitige Geschäftslage als auch ihre Geschäftsaussichten so gut wie nie. Der IHK-Geschäftsklima-Index klettert auf die neue Bestmarke von 137 Punkten. Zu diesen Ergebnissen kommt die aktuelle Konjunkturbefragung der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig, an der sich 671 Unternehmen aller Branchen und Größenklassen mit mehr als 34.000 Beschäftigten beteiligt haben.

Die Geschäfte brummten weiter, sodass alle Wirtschaftsbereiche eine positive Jahresbilanz ziehen konnten. Infolgedessen zog der Saldo der aktuellen Geschäftslage nochmals kräftig auf plus 56 Prozentpunkte an und übertraf damit seinen erst vor vier Monaten erzielten bisherigen Höchstwert nochmals um fünf Punkte.

Und auch die Erwartungen an das neue Geschäftsjahr sind hoch.

Der Saldo der Geschäftserwartungen klettert mit plus 21 Prozentpunkten ebenfalls auf eine neue Bestmarke. Der Konjunkturaufschwung ist auch 2018 breit aufgestellt und garantiert insgesamt gute Wachstumschancen, die sich auf eine unverändert solide Binnennachfrage, eine weiterhin positive Konsumentenstimmung, einen robusten Arbeitsmarkt sowie eine anziehende Weltkonjunktur stützen. So ziehen die Exporterwartungen der Industrieunternehmen gegenüber den Herbstaussagen wieder an. Aktuell sind die Auftragseingänge aus dem Ausland bei 34 Prozent der Betriebe gestiegen.

Und wo die Produktion zulegt, wird auch investiert.

Die erfreuliche Entwicklung der Investitionstätigkeit im vergangenen Jahr entpuppt sich nicht als Strohfeuer, teilt die IHK mit. Die Investitionsplanungen der Unternehmen für 2018 bleiben insgesamt auf einem hohen Niveau. 23 Prozent der Unternehmen planen mit steigenden Investitionen, nur sieben Prozent wollen diese zurückfahren. Neben den üblichen Ersatzinvestitionen stehen vor allem Ausgaben für Innovationen und Kapazitätserweiterungen im Fokus.

Logische Folge: Man sucht immer mehr Personal.

Die Personalnachfrage der Unternehmen steigt kräftig, auch weil immer öfter offene Stellen nicht mehr zeitnah besetzt werden können. Der Anteil der Unternehmen, die in den kommenden Monaten zusätzliche Mitarbeiter einstellen möchten, ist mit 28 Prozent fast viermal so hoch wie der Anteil der Unternehmen, die Personal abbauen wollen. Vor einem Jahr waren es mit 21 Prozent noch knapp dreimal mehr. In Abhängigkeit vom Personalangebot ist somit auch 2018 mit einem weiteren Beschäftigungszuwachs im gewerblichen Sektor zu rechnen.

Der Blick ins Detail zeigt: Besonders das Verkehrsgewerbe leidet unter Bewerbermangel – hier wuchs der Anteil der suchenden Unternehmen binnen eines Jahres von 42 auf 62 Prozent.

Da erstaunt es schon, wie wenig das in der Landespolitik eine Rolle spielt. Als würde das Regierungsschiff in einem völlig anderen Universum unterwegs sein.

Denn an der drastisch angestiegenen Fachkräftesuche hängen ja auch all die anderen Themen wie Mobilität (Ausbau des ÖPNV), Wohnraum, Schulplätze, Kita-Plätze und Bevölkerungswanderung. Denn das spricht sich natürlich auch in der Lausitz herum, dass in Leipzig Kraftfahrer, Pflegekräfte, Programmierer, Facharbeiter und Gastronomiefachkräfte gesucht werden. Die Preisfrage: Warten die Lausitzer, bis die Kohlekraftwerke ausgehen oder ziehen sie vorher um nach Westsachsen?

Noch steht das Thema logischerweise bei den Risiken, die die Leipziger Unternehmen sehen.

Im Ranking der Geschäftsrisiken rücken die Schwierigkeiten bei der Fachkräftegewinnung erstmals an die erste Stelle. Die Hälfte der befragten Unternehmen sieht mittlerweile die Unternehmensentwicklung durch den Mangel an Fachkräften beeinträchtigt. Im Vorjahr waren es zum gleichen Zeitpunkt noch 38 Prozent. Konkret konnten zum Jahresbeginn 2018 etwa 40 Prozent der Firmen offene Stellen nicht innerhalb von zwei Monaten mit qualifizierten Bewerbern besetzen. Am häufigsten sind Unternehmen im Verkehrsgewerbe, im Gast- und Baugewerbe sowie in der Industrie betroffen. Ein weiteres erhebliches Geschäftsrisiko sehen 49 Prozent der Unternehmen in der Entwicklung der Arbeitskosten. Danach folgen die Entwicklung der Inlandsnachfrage sowie die Energie- und Rohstoffpreise.

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Es gibt 2 Kommentare

Zitat: “Ein weiteres erhebliches Geschäftsrisiko sehen 49 Prozent der Unternehmen in der Entwicklung der Arbeitskosten.”

Keine weiteren Fragen, Euer Ehren.

Ich weiß nicht, in welchem Universum die L-IZ in diesem Bereich unterwegs ist.
Es werden keine Fachkräfte gesucht. Es werden biologische Produktionsmittel gesucht, die nichts kosten, jederzeit verfügbar sind und ebenso schnell wieder verschwinden. Ach ja, 30 Jahre Berufserfahrung müssen noch sein.
So lange “die Wirtschaft” mit diesem Anspruch auf (angebliche) Mitarbeitersuche geht, kann es keinen Fachkräftemangel geben.
Daß sich an dieser Situation nichts ändert, hat der Koalitionsvertrag (Beispiel Pflegekräfte) gezeigt, der sozialdemokratische.

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