Die Kuh ist noch nicht ganz vom Eis. Eigentlich hätte am Montag, 14. Oktober, der riesige Schatten endlich verschwinden können, der über den Leipziger Wasserwerken und der Stadt Leipzig seit nunmehr sieben Jahren hängt. Aber die Schweizer Großbank UBS, die Leipzigs Wasserwerke nach dem Auffliegen des Heininger-Skandals verklagt hatte, will nicht klein beigeben. Und wird noch einen Berufungsversuch beim Supreme Court machen.
Das kündigte die Schweizer Großbank gleich nach dem Urteil des Londoner Court of Appeal an, der am Montag in zweiter Instanz die Positionen der Leipziger Wasserwerke gegenüber der UBS in allen Punkten bestätigt hatte.
Der High Court of Justice war in der ersten Instanz zu dem Ergebnis gekommen, dass die UBS keine Zahlungsansprüche gegen die Kommunalen Wasserwerke Leipzig (KWL) geltend machen konnte, weil sie sich auf betrügerische Absprachen mit den damaligen Beratern der KWL, Value Partners, eingelassen hatte.
Value Partners: Das waren die beiden cleveren Geschäftsleute, die damals nicht nur den KWL-Geschäftsführer Bernd Heiniger dazu drängten, im Namen der KWL risikoreiche Geschäfte mit CDO-Papieren zu machen, sondern auch im Neuen Rathaus ein und aus gingen. Sie galten als kompetente Berater im Umgang mit all den risikoreichen Finanzanlagen, die im Vorfeld der Finanzkrise überall erfunden wurden, wo große Banken ihre Chance auf fette Gewinne sahen.
Alles Geschäfte, die in Leipzig – auch im Leipziger Rathaus – kaum jemand überschauen konnte. Es war auch noch die Zeit, als deutsche Städte regelrecht im Geldrausch waren beim Thema Crossboarder Leasing: Dazu wurde wertvolles städtisches Inventar für mehrere Jahrzehnte quasi an amerikanische Eigentümer verkauft – mit steuerlichem Barwertvorteil sofort, aber überhaupt nicht abschätzbaren Risiken in der Zukunft. Solche Leasings waren auch für Infrastrukturen der Wasserwerke gemacht worden, die Heininger dann irgendwie meinte absichern zu müssen, wofür er dann noch viel risikoreichere Geschäfte mit CDOs einging.
Und bei den Geschäften floss immer Geld für Value Partners. Das Gericht benennt deren Rolle mit dem durchaus charmanten Wort „Interessenkonflikt“.
Sie waren eben nicht nur neutrale Vermittler zwischen den Leipziger Wasserwerken (die solche Geschäfte überhaupt nicht tätigen durften) und der ach so seriösen Großbank UBS. Und so ganz uneigennützig arbeitete auch die UBS nicht. Beide Londoner Gerichte hätten ihr nun, so OBM Burkhard Jung, ein grottenschlechtes Portfoliomanagement vorgeworfen.
Der Londoner Court of Appeal kam, wie bereits das erste Gericht, zu dem Ergebnis, dass Value Partners einen Interessenkonflikt hatten. Deshalb verstießen sie gegen ihre der KWL obliegenden Treuepflichten. UBS kannte diesen Interessenkonflikt und habe überdies an den Treuepflichtverstößen von Value Partners mitgewirkt. Dadurch, so das Gericht, wurde die UBS auch mit der Bestechung Heiningers durch Value Partners infiziert. Deshalb kann UBS keine Zahlungsansprüche gegen KWL geltend machen.
Zahlungsansprüche, die sich einmal auf 350 Millionen Euro beliefen. Mittlerweile stehen satte 500 Millionen Euro im Raum.
„Geld, das wir gar nicht haben“, sagte Burkhard Jung am Montag zur Pressekonferenz, zu der schon mal alle verkündeten, was für eine Last ihnen von den Schultern gefallen sei. Immerhin hat auch der Londoner Court of Appeal den ganzen Vorgang und das erste Urteil noch einmal gründlich geprüft, sich volle zwei Wochen Zeit genommen. Und schon das erstinstanzliche Gericht hatte im Anschluss an eine 14 Wochen dauernde Verhandlung zugunsten von KWL sowie den beiden Banken LBBW und Depfa entschieden. Das Ergebnis war dasselbe, auch wenn von den drei Berufungsrichtern „nur“ zwei für die vollumfängliche Richtigkeit des ersten Urteils plädierten – ein dritter Richter hatte eine abweichende Meinung formuliert.
Was die UBS dazu animierte, das Urteil doch wieder in Zweifel zu ziehen.
„Aber das ändert nichts am Urteil“, stellt Christine Volohonsky von der Kanzlei Noerr fest, die Leipzig in London anwaltlich vertreten hat. Im Gegenteil: Beide Instanzen haben den Fall mittlerweile so gründlich geprüft, dass eine Zulassung der Berufung am Supreme Court eher eine Überraschung wäre.
Binnen 28 Tagen muss die UBS ihre Berufungsschrift einreichen. Dann beginnt wieder das Warten auf die Entscheidung des Gerichts, ob die Berufung zugelassen wird oder nicht. Wenn – wider Erwartung – doch noch eine Berufung zugelassen wird, beginnt das Warten erneut. Auch wenn Burkhard Jung mittlerweile sicher ist, dass am Gerichtsurteil nichts mehr zu rütteln ist.
Aber schon jetzt hat der Prozess Leipzig richtig Geld gekostet.
Angefangen mit den 35 Millionen Euro, die die KWL nach Auffliegen der dubiosen Geschäfte und der Klage der UBS zurückzahlen mussten, über die Gelder, die natürlich in den ganzen sieben Jahren fehlten, weil Leipzig und LVV für den Fall vorsorgen mussten, dass sie im Prozess trotzdem unterliegen würden. Die Stadt Leipzig beschloss eine Bürgschaft für das ganze mögliche Risiko, die LVV stellten 90 Millionen Euro zurück. Die wohl wieder frei werden und investiert werden können, wenn alles ausgestanden ist, aber noch ist es nicht so weit.
Und auch Leipzig wird erst aus der Bürgschaft gehen können, wenn klar ist, dass auch die letzte Berufung der UBS abgelehnt wird. Diese Bürgschaft hat vor allem bewirkt, dass die Landesdirektion der Stadt in all den Jahren besonders strenge Haushaltsauflagen gemacht hat und damit die Investitionsspielräume deutlich beschränkt wurden.
Zwar könnte Leipzig nach dem Sieg vor Gericht darauf rechnen, dass die UBS einen Großteil der Anwaltskosten übernehmen muss im Verhältnis 80 zu 20. „Aber das wird auch noch mal ein längeres Verhandeln“, sagt Volohonsky
Wirklich erleichtert sein dürften alle Beteiligten wohl erst, wenn auch das oberste Berufungsgericht eine weitere Berufung der UBS ablehnt.
KWL verteidigt sich auch in der Berufungsinstanz erfolgreich gegen Schweizer Großbank UBS
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