Die Energiezukunft in Leipzig sieht anders aus als heute. Das steht fest. Und in der Zukunftsstrategie der Stadtwerke Leipzig ist es längst beschlossen. Strom und Wärme kommen dann nicht mehr aus einem großen Kraftwerk jenseits der Stadtgrenzen. Sie werden zum größten Teil in der Stadt selbst produziert. Und am Donnerstag, 24. August, konnte ein Teil dieser Zukunft in der Hildegardstraße in Volkmarsdorf schon einmal besichtigt werden.
Denn hier ist – in einer schon lange nicht mehr benötigten Trafo-Station – die erste von vier geplanten dezentralen Energiestationen entstanden, ein sogenanntes Blockheizkraftwerk (BHKW). Mit Erdgas betrieben soll es bald 400 Haushalte mit Fernwärme und Heißwasser versorgen. Strom wird von dem 2-MWh-Kraftpaket der Zeppelin Power Systems nebenbei auch noch produziert.
„Wir investieren in diese Anlagen insgesamt 8,8 Millionen Euro – und damit in die Versorgungssicherheit der Leipziger und in eine höhere Flexibilität sowie Wirtschaftlichkeit unseres Erzeugerparks“, erklärte Karsten Rogall, Geschäftsführer der Leipziger Stadtwerke. Bis zum Jahresende sollen die Energiestationen errichtet werden und ab 2018 die Strom- und Wärmeversorgung Leipzigs ergänzen.
„Diese Investition ist für uns ein weiterer wichtiger Schritt, die Energiewende in unserer wachsenden Stadt zu gestalten“, betont Rogall. Wenn die Klimaziele erreicht werden sollen, sei es unverzichtbar, die heute schon umweltfreundliche Fernwärmeversorgung weiterzuentwickeln. Dafür gewährleisten diese modernen und lastflexiblen Erzeugeranlagen strom- und wärmeseitig Versorgungssicherheit und Netzstabilität.
Umweltfreundlich ist Leipzigs Fernwärme bislang aber nur bedingt – denn der größte Teil fällt als Abwärme im Kohlekraftwerk Lippendorf an, mit dem die Leipziger Stadtwerke einen Liefervertrag bis 2023 haben. Weiter kann auch die Stadtwerke-Geschäftsführung nicht in die Zukunft schauen. Aber gerade die harten Bandagen, mit denen Konzerne wie die LEAG in der Lausitz gegen jede Regulierung und jede Umweltauflage kämpfen, lassen schon ahnen, wie dünn die Luft für die großen Kohlemeiler geworden ist. Ihnen geht nicht wegen gesetzlicher Regularien die Luft aus, sondern weil die erneuerbaren Energien immer mehr den Strommarkt versorgen. Je mehr Strom aus Wind und Sonne aber verfügbar ist, umso billiger muss Kohlestrom verkauft werden. Das bringt viele Betreibermodelle ins Schwimmen.
Und tatsächlich ist längst die Zeit gekommen, dass die ältesten Kohlemeiler nach und nach vom Netz müssen. Durch das Gepolter mit der Bundespolitik im Jahr 2016 haben die großen Stromkonzerne diese Marke noch bis ins Jahr 2020 verschoben. Was danach passieren wird, weiß aber niemand. Kommunen sind gut beraten, sich auf eine Zeit nach den großen Kraftwerken einzurichten.
Und dazu helfen diese nur aus der Ferne klein wirkenden gelben Kraftpakete, wie eines nun in der Hildegardstraße steht und in den nächsten Tagen noch ordentlich eingepackt wird, damit das Motorenbrummen die Umgebung nicht nervt.
Die Energiestationen arbeiten in Kraft-Wärme-Kopplung mit einem sehr hohen Gesamtwirkungsgrad von ca. 90 Prozent und stellen verbrauchsnah gleichzeitig Strom und Wärme bereit.
So wird die eingesetzte Primärenergie – nämlich das gegenüber der Kohle deutlich umweltfreundlichere Erdgas – effizient ausgenutzt. Jede der Energiestationen verfügt über eine thermische und eine elektrische Leistung von je zwei Megawatt. Diese Leistung ist ausreichend, um rein rechnerisch 400 Haushalte neu an das Fernwärmenetz anzuschließen und den Strombedarf von rund 9.000 Leipziger Haushalten zu decken.
Was dann die angereisten Turbinenbauer von Zeppelin schon etwas verwunderte. Mit dem Bau von BHKW auch für Kommunen kennen sie sich zwar seit 40 Jahren aus. Und einige kleinere Stadtwerke haben auch in den letzten 15 Jahren welche bestellt. Dass eine Stadt aber plant, jedes Jahr 10.000 bis 15.000 Menschen neu mit Fernwärme zu versorgen, das kennt man in der Dimension auch nicht.
Teilweise habe das – so Rogall – natürlich mit den veralteten Wärmesystemen aus den frühen 1990er Jahren zu tun, die derzeit gerade im Leipziger Westen systematisch ersetzt werden. Aber mit den neuen Wohngebieten am Bayerischen Bahnhof oder der Eutritzscher Straße kommen tatsächlich auch tausende neue Wohnungen ans Fernwärmenetz.
Energiestationen wollen die Stadtwerke neben der Hildegardstraße auch in der Spohrstraße (Zentrum-Ost), der Karl-Siegesmund-Straße in Reudnitz und eins auf dem Gelände des Heizkraftwerks an der Eutritzscher Straße bauen. Wobei ja auch der Westen längst in der Planung ist.
Aber auch vier Mal 400 Haushalte sind natürlich noch keine grundversorgte Stadt. Sie sind erst der Anfang von etwas, bei dem noch niemand sagen könne, wie die Technik in zehn oder 15 Jahren aussehen könnte, sagt Rogall.
„Mit unseren neuen Energiestationen halten wir nicht nur die zu Recht hohen Anforderungen der technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) ein, sondern leisten auch einen gewichtigen Umweltbeitrag“, erklärt Rogall. „Im Vergleich zur getrennten Erzeugung von Strom und Wärme spart jede der Energiestationen jährlich rund 1.760 Tonnen CO2 für Leipzig ein. Eingebaut werden die Anlagen schallgeschützt in ehemalige Umformerstationen. So sorgen die Stadtwerke dafür, dass die Energiestationen im Quartier zu den ruhigen Nachbarn gehören werden. Außerhalb der Gebäude werden unsere Energiestationen weniger als ein Kühlschrank wahrnehmbar sein.“
Der erzeugte Strom versorgt das jeweilige Quartier über das lokale Netz der Netz Leipzig. Die Wärme wird im Fernwärmenetz an die Haushalte im Viertel verteilt. Damit unterstützen die Energiestationen auch den weiteren Ausbau der Fernwärmeversorgung und tragen zu einer stabilen und sicheren Fernwärmeversorgung Leipzigs bei. Kleine Überraschung für den neugierigen Journalisten: Die Anlagen sollen durchlaufen und werden auch in den Sommermonaten nicht heruntergefahren. Denn Heizenergie würde auch dann gebraucht – als Heißwasser. Und es sei sinnvoller, die kleinen Anlagen 8.000 Stunden durchlaufen zu lassen und dafür lieber die 600 Mal leistungsstärkere GuD-Anlage in der Eutritzscher Straße herunterzufahren. Die ist so leicht steuerbar, dass sie bei Ausfall von Wind und Sonne binnen 15 Minuten wieder auf Volllast fährt.
Und in gewisser Weise können auch die neuen Energiestationen so arbeiten: Sie sind in der Lage, dringend benötigte Regelenergie, also kurzfristig verfügbaren Strom, zu liefern. Mit diesem kann die schwankende Einspeisung erneuerbarer Energien im Netz ausgeglichen und der wirtschaftliche Betrieb der Anlagen unterstützt werden.
Steuerbar ist alles von der Zentrale in der Eutritzscher Straße aus, die sich im Lauf der Zeit zum Zentrum einer Netzsteuerung entwickeln wird, in dem nicht nur die Energiestationen der Stadtwerke vernetzt sind, sondern am Ende tausende kleiner (auch und gerade privater) Kraftwerke, die allesamt Strom und Wärme produzieren und in das große Stadtnetz einspeisen.
„Leipzig erlebt gerade eine zweite Gründerzeit“, sagt Johannes Kleinsorg, Sprecher der Stadtwerke-Geschäftsführung. „Unser Ziel ist es, die sichere Energieversorgung der wachsenden Stadt zukunftsweisend, ressourcenschonend und gemeinsam mit den Leipzigern zu gestalten.“ Dabei setze das Unternehmen gezielt auf eine intelligente und technologieoffene Verknüpfung von effizienten konventionellen und erneuerbaren Energien. „Die Energiewende muss wesentlich konsequenter dezentral gestaltet werden – mit einem Transformationsprozess, bei welchem sich wirtschaftliches Wachstum und ökologische Weitsicht nicht ausschließen, sondern bestenfalls befördern“, fordert Kleinsorg.
„Wir müssen die Wärmeversorgung Leipzigs vorausschauend gestalten. Um den Wärmebedarf unserer Stadt mit ihrer dichten, historisch geprägten Bebauung weiter zu optimieren, müssen wir die heute schon umweltfreundliche Fernwärmeversorgung weiter entwickeln und sinnvoll mit neuen Technologien verknüpfen“, betont Johannes Kleinsorg, der Sprecher der Geschäftsführung der Stadtwerke.
Der Vorteil des gelben Kraftpakets: Es muss gar nicht allein stehen. In der alten Trafo-Station können mehrere solcher BHKW nebeneinander aufgestellt werden und damit noch mehr Haushalte mit Fernwärme versorgen. „Das System ist skalierbar“, betonen die Erbauer.
In Plagwitz planen die Stadtwerke 75 Megawatt (MW) Fernwärmeleistung bis 2020 in Leipzig neu anzuschließen, was rein rechnerisch dem Wärmebedarf von rund 25.000 Wohnungen entspricht. Neben Neuerschließungen wie in Lindenau, Plagwitz und Anger-Crottendorf konzentriert sich das Unternehmen auch auf die Verdichtung ihres Fernwärmenetzes. Dafür wollen die Stadtwerke in diesem Zeitraum rund 30 Millionen Euro in den Ausbau ihrer Fernwärmenetze in Leipzig investieren. Das leistet auch einen wichtigen Beitrag für die Umwelt, denn im Vergleich zu einer Ölheizung spart die Versorgung mit Fernwärme rund 50 Prozent CO2 und im Vergleich zu einer Gasheizung rund 25 Prozent CO2.
Was dann wieder den Umweltbürgermeister freut, weil sich endlich die CO2-Bilanz der Stadt verbessert.
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