Im März versuchten es die Grünen im Leipziger Stadtrat mal als Antrag zu formulieren: Wie kann man den Kreativschaffenden in Leipzig eigentlich mit einem eigenen Programm helfen? Sie kommen durch die Miet- und Auftragsentwicklung in Leipzig am heftigsten unter Druck. Mit zunehmender Gentrifizierung drohen sie völlig an den Rand gedrängt zu werden. Was also tun?
Aber wir tun doch schon was, rufen gleich zwei Dezernate – das für Kultur und das für Wirtschaft und Arbeit. Was zu erwarten war. Und die Grünen hatten es wohl auch erwartet, als sie versuchten, das Problem in seiner Komplexität zu beschreiben.
Was übrigens für ganz Deutschland gilt. Während ringsum Jobs und Arbeitsmarkt blühen, ist die Auftragsszene für Kreativschaffende fast völlig verschwunden. Deutschland ist saturiert geworden. Und einige Kollegen stellen sich im Angesicht der Dieselaffäre zu Recht die Frage, ob die Bundesrepublik gerade dabei ist, ihre Innovationskraft zu verlieren. Man hält verkrampft an veralteten Technologien fest und hat nicht einmal mehr Antennen dafür, was passiert, wenn in großen Städten nur noch der Mietpreis bestimmt, wer dableiben darf und wer nicht.
Die Skizze der Grünen, was in Leipzig eigentlich für Kreativschaffende passieren könnte: „1. Die Stadtverwaltung Leipzig wird beauftragt, bis zum IV. Quartal 2017 zum Cluster Medien- und Kreativwirtschaft ein Förderprogramm zu erarbeiten, das folgenden Zielsetzungen dient:
– die Arbeitsbedingungen für Kreativschaffende in Leipzig sind zu verbessern, damit deren Leistungskraft weiter gestärkt wird;
– für auswärtige Künstler ist ein Anreiz auszuüben, sich in Leipzig niederzulassen und zu arbeiten;
– das Arbeitsumfeld für Kreativschaffende ist zu verbessern;
– städtische Betriebe, Einrichtungen und Liegenschaften, die räumliches Potenzial für Kreativschaffende besitzen, sind noch stärker einzubinden.
- Konkrete erste Maßnahmen darin sollen sein:
– Aufbau eines kommunalen Flächenpools (Vergabe von Ateliers und Atelierräumen, temporär oder langfristig)
– Aufbau einer Atelierbörse, in der private oder städtische Eigentümer freie Räume anbieten können („Leerstandsmelder“).
- Das Förderprogramm ist als kultur- wirtschafts- und stadtentwicklungspolitischer Maßnahmekatalog gemeinsam mit Kreativschaffenden, Akteuren aus Verwaltung und Politik sowie Bestandshalter und Entwickler von Immobilien und Liegenschaften, Experten aus Stadtentwicklung, Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft zu entwickeln und umzusetzen.“
Die beiden oben genannten Dezernate haben jetzt so eine Art Alternativvorschlag vorgelegt, der im Grunde zeigt, wie wenig man im Rathaus tatsächlich über den Kummer der Kreativschaffenden weiß.
Der eingedampfte Alternativvorschlag lautet: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, die Kreativschaffenden bei der Suche nach geeigneten Objekten bzw. Flächen zu unterstützen. Dazu wird geprüft, die Internetplattform immoSIS auszubauen. Die Kosten werden im Rahmen einer Ausschreibung ermittelt.“
Das ist das alte Thema, das die Verwaltung schon kennt. Emsig durchdiskutiert, als es um Proberäume für Bands ging. Jüngst auch bei Ateliers für bildende Künstler.
Ansonsten, so die Verwaltung, habe man ja schon lauter Förderinstrumente, die auch eifrig nachgefragt würden:
- „Das Mittelstandsförderprogramm mit 16 Einzelmaßnahmen und einem Jahresbudget von 620.000 € (Überblick auf www.leipzig.de/mittelstand) wird zum Beispiel aktiv von Kreativwirtschaftsunternehmen in Leipzig in Anspruch genommen und verbessert somit deren Wettbewerbsfähigkeit und Leistungsfähigkeit. Besonders bei der Fördermaßnahme „Transfer kreativer Ideen“ profitieren die Akteure, da die Fördervoraussetzung die Zusammenarbeit mit einem Leipziger Dienstleister aus der Kreativwirtschaft ist. Auch mit der Clusterförderung unterstützt die Wirtschaftsförderung Projekte von Kreativschaffenden, dazu zählt unter anderem ein Kooperationsvertrag mit dem Verein Kreatives Leipzig.“
- „Das Dezernat IV (Kulturamt) unterstützt Kulturprojekte und Institutionen, die einen Mehrwert für die Stadtgesellschaft generieren. Im Jahr 2017 hat das Amt eine Kulturförderung für Leipzig in Höhe von 5,7 Millionen Euro ausgegeben. Davon profitieren mittelbar und unmittelbar auch Künstlerinnen und Künstler.“
- „Die Stadt prüft momentan, ob eine Vereinheitlichung von Standards für die Vermietung von Räumen der Eigenbetriebe Kultur an freie Träger möglich ist (KEP Maßnahmen Nr. 21). Weiterhin wird von Seiten der Stadt (Kulturamt) aktuell geprüft, ob die Möglichkeit der Zwischennutzung von angemieteten Objekten, zwecks Unterbringung Asylsuchender, für die Nutzung von Proberäumen und Atelierräumen gegeben ist. Im Fachkonzept Kultur/INSEK wird der Bedarf an kreativen Frei-Räumen besonders herausgestellt und für die Schwerpunkträume als Zielmaßnahme definiert.“
- „Das Dezernat VI (Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung) unterstützt über die KU-Förderung in Kooperation mit der Wirtschaftsförderung Unternehmen. Primäres Ziel ist hier die Etablierung bzw. Stabilisierung einer tragfähigen Wirtschaft in bestimmten Stadtbereichen wie dem Leipziger Osten und dem Leipziger Westen. Zur Tragfähigkeit gehört auch, dass die Unternehmen in der Lage sind, die Kosten ihrer Betriebsstätten aufzubringen, um eine dauerhafte Subventionierung durch die öffentliche Hand zu vermeiden.“
Ist es das wirklich? Das alles hatten die Grünen in ihrem Antrag auch schon aufgeführt.
Nur gehen solche kreativen Freiräume – und gerade in Gebieten der Stadterneuerung – schnell wieder verloren, wenn der Eigentümer der Gebäude doch lieber an renditeträchtige Unternehmen vermieten will. Jüngst passiert beim Westwerk in Plagwitz, was ja die Grünen erst auf das Thema brachte.
Braucht es nicht eher stabile Strukturen in der Stadt, in denen wirklich professionell kreative Wirtschaft gefördert und betreut wird? Ein Netzwerk gibt es ja – aber schon der Blick auf die verfügbaren Mittel zeigt, wie klein die Spielräume sind. Mit solchen Budgets sind andernorts allein schon die Betreuer in der Verwaltung ausgestattet.
Was übrigens im Alternativvorschlag der Verwaltung betont wird:
„In anderen Bundesländern und Kommunen gibt es eigens eingerichtete Teams, die sich konzentriert mit dem Thema Kultur- und Kreativwirtschaft beschäftigen können. Diese Teams agieren beispielsweise in München oder Hamburg dezernatsübergreifend und werden auch dezernatsübergreifend finanziert. Beim Beispiel München speist sich der Etat aus dem Referat Wirtschaft und Arbeit, dem Kulturreferat und dem Kommunalreferat (bei 6,5 neu geschaffenen Stellen wurden in 2012 für zusätzliche Personal- und Sachkosten 651.060 € eingestellt)“, kann man da lesen.
Und irgendwie so etwas Ähnliches kann sich auch Leipzigs Verwaltung vorstellen. Auch wenn das, was es gibt, nur ganz entfernt so ähnlich aussieht: „Ein erster Schritt in diese Richtung ist in Leipzig mit der Gründung einer Arbeitsgruppe aus Kulturamt, Wirtschaftsförderung, Stadtentwicklung (Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbau – ASW), den Kammern, dem Verein Kreatives Leipzig und weiteren Multiplikatoren/Akteuren der Kreativwirtschaft in Leipzig unternommen worden. Einmal im Quartal stehen auf Arbeitsebene ein Informationsaustausch und die Entwicklung gemeinsamer Projekte und Veranstaltungen im Fokus. Zukünftig soll auch das Liegenschaftsamt eingebunden werden. Eine erste gemeinsame Veranstaltung war die Informationsveranstaltung zum Thema ‚Kommunale Fördermöglichkeiten für die Kultur- und Kreativwirtschaft‘ im März 2017.“
Man hat also wieder eine Menge Leute an einen Tisch geholt, die alle ein paar Kompetenzen mitbringen.
Aber letztlich fehlen die Konturen. Was an der amtlichen Sicht auf die Sache liegt: „Generell ist zwischen der Unterstützung von Unternehmen, der Förderung eines Kulturangebots und der Unterstützung von Einrichtungen und Orten mit Bedeutung für die Soziokultur in Stadtteilen zu unterscheiden. Deswegen richten sich die Förderschwerpunkte an unterschiedliche Zielgruppen, die unterschiedliche Bedarfe haben. Dies kann im Einzelfall zu Schnittmengen führen – zum Beispiel im Bereich der Unterstützung zur Schaffung von Spielstätten für darstellende Künste und Musik wie z. B. dem Felsenkeller.“
Logisch, da bleibt am Ende nur die Hilfe bei der Ateliersuche.
Denn man kennt die Probleme der Kreativen nicht wirklich. Nicht mal deren Zusammensetzung. Und damit auch nicht die Unterschiede zur klassischen Wirtschaft: Wie hoch sind die Umsätze? Welche Kreativleistungen sind nachgefragt? Wer sind die Auftraggeber? Welche Förderinstrumente gibt es direkt für kreatives Schaffen: Stipendien, Preise, kommunale und staatliche Aufträge …
Das Dunkelfeld ist riesig. Die Budgets sind knapp.
Aber immer wieder gibt es Versuche, Hilfsangebote irgendwie zu strukturieren.
Deswegen verweist die Stadt auch auf die Tatsache, dass nun endlich auch der Freistaat Sachsen mitmacht beim Kümmern um die Kreativen: „Seit März 2017 wurde zudem das Sächsische Zentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft etabliert, das ebenfalls als ein Partner in dieses Thema eingebunden wird.“
Das Büro des Sächsischen Zentrums für Kultur- und Kreativwirtschaft wurde am 1. Juli übrigens in der Härtelstraße eröffnet.
Der Antrag der Grünen-Fraktion.
Der Alternativvorschlag der Stadt.
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