So richtig glücklich sind die Leipziger Wasserwerker mit ihren Leipzigern nicht. Die verbrauchen – aus Sicht der Wasserprofis – irgendwie zu wenig Wasser. Ganze 91,9 Liter pro Kopf und Tag. Zumindest klingt es recht vorwurfsvoll, wenn das im Geschäftsbericht für das Jahr 2016 so kommentiert wird und der bundesdeutsche Verbrauchswert von 122 Litern als Vergleich hochgehalten wird.

Schreckliche Leipziger! Waschen die sich nicht? 1993 haben sie doch auch mal 115 Liter verbraucht. Dann sackte der Wert aber richtig ab. Nicht in den Keller, auch wenn das aus Wasserwerke-Sicht so klingt: „2004 sank er erstmals unter die 90-Liter-Marke und erreichte 2011 seinen bisherigen Tiefstwert von 85,9 Litern.“

Natürlich liegt das nicht am Nicht-Waschen, sondern am Sparen. Zuweilen hat man tatsächlich das Gefühl, Leipzigs Kommunalbetriebe werden geführt, als wäre Leipzig eine Idealstadt irgendwo in Bayern, wo die Nutzer nicht zwei Mal überlegen müssen, ob sie heute duschen oder baden oder den Swimmingpool füllen.

Die Leipziger Verbrauchswerte (übrigens auch für Fernwärme, Strom und Abfall) spiegeln ziemlich genau die Einkommenssituation der Leipziger wider. Und wenn (mindestens) 40 Prozent der Leipziger bei jeder Handlung überlegen müssen, was sie diese am Monatsende kostet, kommt genau das heraus, was die Wasserwerker beobachten.

Übrigens auch der Aufwärtstrend, der seit 2013 deutlich zu beobachten ist. Vom Wirtschaftaufschwung und der sinkenden Arbeitslosigkeit profitieren eben doch einige Leipziger und leisten sich auch wieder etwas mehr. Auch mal ein ordentliches Schaumbad.

Die Wasserwerke profitieren also nicht nur (wie das am 7. Juni zur Bilanzpressekonferenz der L-Gruppe so formuliert wurde) vom Bevölkerungswachstum, sondern auch von den gestiegenen Einkommen eines Teils der Bevölkerung.

Was übrigens so ganz nebenbei einen Aspekt beleuchtet, den Politiker selten auf dem Radar haben: Dass die Stabilität von Kommunalbetrieben direkt von der Einkommenssituation der Bevölkerung abhängt. Oder mal sächsisch formuliert: Wer über ein Jahrzehnt lang eine rigide Niedriglohnpolitik fährt, schädigt auch die kommunalen Versorger. Und zwar sehr direkt.

Ist schon nicht einfach, wenn Politiker die Folgeketten ihrer scheinbar so simplen Politikweisheiten nicht mitbedenken, weil ihnen das Rüstzeug dazu fehlt.

Natürlich hat jemand anders die Leipziger Wasserwerke noch viel mehr geschädigt – jener mittlerweile fast mythische Geschäftsführer, der 2006 und 2007 jene CDO- und CDS-Geschäfte auflegte, die beinah den Kollaps der LVV zur Folge gehabt hätten und heute schon die Leipziger eine zweistellige Millionensumme gekostet haben.

Ausgang offen.

Auch wenn sich sowohl OBM Burkhard Jung als auch die Geschäftsführungen der LVV und der Wasserwerke am 7. Juni wieder zuversichtlich gaben, dass der Prozess in London auch in der Berufung gut für Leipzig ausgeht.

Den ersten Prozess mit der Schweizer Großbank UBS hat Leipzig ja am 4. November 2014 am Highcourt of Justice in London deutlich geworden. Der zuständige Richter machte der klagenden UBS deutlich, dass sie sich nicht nur unmoralisch verhalten hatte, sondern auch mit vollem Wissen Geschäfte eingerührt hatte, die gegen ein ehrliches Geschäftsgebaren verstoßen.

Was man bei der UBS nicht so sehen wollte. Banken kennen keine Moral. Sie kennen nur Gewinne und Risiken und die Spielräume, die ihnen Gesetze geben. Sie beschäftigen riesige Justizabteilungen, die sich ausschließlich damit beschäftigen, diese Spielräume abzuchecken und auch dann Prozesse anzustrengen, wenn nur die geringste Möglichkeit besteht, eventuell doch ein Urteil im eigenen (Geschäfts-)Sinn zu erreichen.

Im Londoner Verfahren war zwar der Antrag auf Berufung im Februar 2015 zurückgewiesen worden. Aber die UBS wandte sich an den Highcourt of Appeal und erreichte dort die Festlegung einer Berufungsverhandlung, bei der keine neuen Beweise aufgenommen werden sollen (all das ist ja im ersten Prozess zur Genüge geschehen). Aber die Rechtmäßigkeit des Urteils soll noch einmal geprüft werden. Im Mai sollte eigentlich die zweiwöchige Verhandlung dazu sein. Aber – das war dann auch eine neue Nachricht am 7. Juni – diese Verhandlung ist auf Ende des Jahres verschoben.

Die Ungewissheit geht also weiter. Denn wenn die Sache sich völlig drehen sollte, steht eine Summe von 500 Millionen Euro im Raum – die ursprünglich rund 350 Millionen Euro, die die UBS von den Wasserwerken gefordert hat, nachdem sie die faulen Geschäfte gekündigt hatten, plus die Zinsen seit 2010. Die Klärung der ganzen Geschäfte, die der einstige KWL-Geschäftsführer Klaus Heininger eingerührt hat, dauert also schon viel länger als die ursprünglichen Hintergrundgeschäfte, von denen ja bekanntlich nicht mal der Aufsichtsrat der KWL etwas merkte.

Zwischendurch hat der Spaß noch einmal rund 8 Millionen Euro gekostet, denn das Finanzamt hat für diese Geschäfte noch rückwirkend Steuern verlangt. Die man auch lieber bezahlt habe, wie LVV-Geschäftsführer Volkmar Müller am 7. Juni erklärte. Eine außerordentliche und auch nicht geplante Ausgabe, die man möglicherweise künftig wieder verrechnen kann.

Aber sie hat erst einmal dazu geführt, das ursprünglich anvisierte Jahresergebnis der Wasserwerke von über 32 Millionen Euro deutlich zu senken auf 24 Millionen.

Dabei hat man dort ganz andere Themen auf der Agenda. Denn das Bevölkerungswachstum bringt nicht nur höhere Umsätze mit sich, sondern erfordert auch eine deutliche Erweiterung der Strukturen. An beiden Enden der Versorgungskette.

Das Klärwerk Rosental wurde ja am 7. Juni schon benannt. Es muss dringend erweitert werden, um die Abwasser von immer mehr Leipzigern aufzunehmen.

Das Thema wird so ernsthaft diskutiert, dass man denkt: Die bauen jetzt gleich los. Tun sie aber nicht. Baubeginn für die Erweiterung des Klärwerks Rosental soll 2020 sein. Die letzten Jahre nutzte man vor allem, um die Pläne zu konkretisieren. Und der erste und wichtigste Baustein wird eine neue biologische Reinigungsstufe sein, die 2023 in Betrieb gehen soll. Die Dringlichkeit der Diskussion ist trotzdem berechtigt. Schon jetzt braucht es eine Lösung, die steigenden Abwassermengen in den Griff zu bekommen. Das will man bis dahin mit einer Optimierung der Sauerstoffzuführung in der jetzigen biologischen Behandlungsanlage erreichen.

Man denkt ja vor allem an Mechanik und große Rührwerke, wenn man an so ein Klärwerk denkt. Aber die Hauptarbeiten machen dort lauter emsige Bakterien, die die menschlichen Abprodukte zersetzen.

Aber auch ins Netz wird (nun schon seit ein paar Jahren) kräftig investiert. Die Wasserwerke laden ja jedes Mal zu eindrucksvollen Fototerminen ein, wenn sie die 100 Jahre alten Abwassersammler unter den Straßen sanieren oder gleich ganz neue bauen wie gerade an der B 2.

Führung im Klärwerk Rosenthal. Foto: Kommunale Wasserwerke Leipzig
Führung im Klärwerk Rosental. Foto: Kommunale Wasserwerke Leipzig

Und dann ist da noch die Wassergewinnung, die beim Hochwasser 2013 so in den Fokus rückte, weil die Fluten der Mulde die Wasserförderung in Canitz bedrohten. Die Landestalsperrenverwaltung ließ damals kurzfristig die Deiche verstärken – aber augenblicklich ist eine zukunftsfähige Verstärkung und Erneuerung dieser Deiche in Arbeit. Denn hier geht es um die Sicherung der Trinkwasserversorgung für die Leipziger. Denn ihr Trinkwasser bekommen sie aus Canitz und Naunhof, wo es aus den alten Flusskiesen hochgepumpt wird, in denen das Muldewasser gereinigt wird.

Ein Teil des Leipzier Wassers kommt auch aus dem Harz. Aber das Muldewasser ist die tragende Säule.

Und wie der Wasserverbrauch ansteigt, wenn die Stadt wächst, haben die Wasserwerke 2016 erlebt. Er wuchs von 33,8 Millionen Kubikmetern auf 35,2 Millionen. 4,5 Millionen sind reiner Eigenbedarf bzw. Wasserverlust – zum Beispiel durch Leitungsschäden.

Aber die seit Jahren betriebene Sanierung im Leitungsnetz zahlt sich aus. Die Zahl der Rohrschäden ist 2016 wieder gesunken von 752 auf 676. Das ist im Bundesvergleich noch kein Spitzenwert, sondern oberes Mittelfeld, wie es im Geschäftsbericht heißt.

Aber bis 1990 war ja bekanntlich über Jahrzehnte fast nichts an Sanierung im Leitungsnetz erfolgt. Das wird erst in den letzten Jahren langsam abgearbeitet.

Aber reicht dann eigentlich die Wassergewinnung an der Mulde aus?

Nicht unbedingt. Deswegen wird ein wesentliches Investitionsprojekt in der nächsten Zeit der Bau von 36 neuen Pumpbrunnen in Naunhof 1 bis zum Jahr 2020 sein.

Wenn man die Risiken in London ausblendet, laufen die Wasserwerke derzeit stabil und können auch (was es zu Heiningers Zeiten nie gab) stabile Ergebnisprognosen von 30 Millionen Euro für die nächsten Jahre anmelden. 2017 sollen es sogar mal 43,8 Millionen Euro sein, womit sie sogar den Stadtwerken Konkurrenz machen. Aber das ist ein Einmaleffekt, heißt es im Geschäftsbericht.

Den Umsatz hingegen will man noch einmal kräftig steigern – 2015 waren es knapp 140 Millionen Euro, 2016 dann 145 Millionen. 2017 rechnet man sogar mit 152 Millionen Euro.

Und kurz war am 7. Juni auch noch der Cross-Boarder-Lease-Vertrag für das Klärwerk Rosental im Gespräch, der schon im Jahr 2001 eingefädelt wurde, als alle deutschen Kommunen regelrecht berauscht waren von der Idee, mit dem Verleasen ihrer Anlagen richtig Geld machen zu können. Auch das ein Geschäft, das nicht mehr funktioniert. Die nächste Ausstiegsmöglichkeit für diesen CBL-Vertrag gibt es im Jahr 2025. Würden die Wasserwerke vorzeitig aussteigen wollen, müssten sie derzeit 44 Millionen Dollar hinblättern.

Ähnliches hat ja die Leipziger Gruppe mit anderen CBL-Verträgen schon getan. Aber so lange die laufenden Verträge kein signifikantes Risiko beinhalten, vertagt man solche Entscheidungen lieber. Und steckt das Geld lieber ins Netz.

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Keine Kommentare bisher

Was ich nicht ganz verstehe: verbrauchen die Leipziger nun zu wenig Wasser – wie “bemängelt” – oder zu viel, da die KWL ja nun wieder ausbauen wollen???

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