Schöne Papiere und bunte Broschüren kann jeder veröffentlichen. Wie sagte doch mal ein großer Staatsmann? "Wichtig ist, was hinten rauskommt." Aber was kommt hinten raus, wenn sich nichts ändert? Zum Beispiel, wenn es um die landwirtschaftlichen Flächen im Besitz der Stadt Leipzig geht. 2014 versprach der OBM, deutlich mehr für die ökologische Landwirtschaft im Stadtgebiet zu tun. Und nun?

Als Oberbürgermeister Burkhard Jung 2014 sein “Arbeitsprogramm 2020” vorlegte, sah es ganz so aus, als wolle er jetzt einen klaren Richtungswechsel in der Leipziger Landwirtschaftspolitik. “Regionale Landwirtschaft” war der Punkt im Programm überschrieben und kümmern sollten sich die Dezernate III (Umwelt, Ordnung, Sport) und VII (Wirtschaft und Arbeit).

“Wie selbstverständlich stehen in den Regalen jedes Lebensmittelgeschäftes Produkte aus aller Welt. Die Nahrungsmittelerzeugung ist längst Teil der globalisierten Agrarwirtschaft und einer weltweit vernetzten Logistik. Der neue Trend des ‘Urban Farming’ möchte die Abhängigkeiten von globalen Märkten verringern und regionale Nahrungsherstellung mit kurzen Wegen zum Verbraucher unter anderem aus ökologischen und aus beschäftigungspolitischen Gründen erhalten und verstärken. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Landwirt als Unternehmer”, hatte Burkhard Jung in sein Arbeitsprogramm geschrieben. “Die Stadt hat dabei erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten: Sie legt fest, welche Bedingungen bei der Bewirtschaftung eigener Pachtflächen gelten oder welche Speisen in kommunalen Einrichtungen zubereitet und angeboten werden. Mit der bewussten Stärkung regionaler Verbrauchermärkte – denken wir nur an die neue Markthalle – und auch als Verbraucher und Liegenschaftsverwalter können und werden wir Impulse für eine nachhaltige Landwirtschaft und eine gesunde Ernährung setzen.”

Das mit der Festlegung der “Bedingungen bei der Bewirtschaftung eigener Pachtflächen” haben auch die Grünen sehr wohl gelesen. Das mit den “ökologischen Gründen” ebenfalls. Aber hat sich das für den wiedergewählten Oberbürgermeister damals auch in einer Strategie niedergeschlagen? Vielleicht in einem Regelwerk für die Verpachtung der stadteigenen Flächen?

Nicht wirklich, teilt jetzt das Dezernat VII mit.

Für alle landwirtschaftlichen Betriebe im Leipziger Gebiet zählt immer noch die Zahl einer Erhebung aus dem Jahr 2012. Damals wurden rund 2,5 Prozent der Flächen in Leipzig ökologisch bewirtschaftet. Was peinlich genug ist. Die Zahl ist fünf Jahre alt. Die Stadt scheint sich nicht einmal dafür zu interessieren, was im Stadtgebiet an ökologischer Landwirtschaft überhaupt passiert.

Die letzten sächsischen Zahlen lagen übrigens bei 4,4 Prozent ökologisch bewirtschafteter Landwirtschaftsfläche. Was die Grünen dem zuständigen Landwirtschaftsminister auch schon angekreidet haben. Denn das ist ein geradezu kärglicher Fortschritt. Wirklich politischer Wille, die Landwirtschaft tsatsächlich umweltfreundlicher zu machen, steckt nicht dahinter.

Und in Leipzigs Hoheit, das selbst ja 1.800 Hektar Landwirtschaftsfläche hat, hat sich seit 2014 auch nichts geändert: “Dem gegenüber steht über die letzten Jahre ein konstanter Anteil von rd. 6,5 % (116 ha) der Landwirtschaftsflächen im Eigentum der Stadt Leipzig, welche ökologisch bewirtschaftet werden. Aufgrund einzuhaltender Gesetze und Regularien hat die Bewirtschaftung von Landwirtschaftsflächen umweltgerecht zu erfolgen, unabhängig davon, ob diese Bewirtschaftung konventionell bzw. ökologisch durchgeführt wird.”

Der letzte Satz ist schon deutlich genug. Denn in der Umsetzung bedeutet er, dass es keine ökologische Landwirtschaft gibt, wenn die Hindernisse als zu groß erscheinen.

Oder in der Formulierung des Wirtschaftsdezernats: “Bei Neuverpachtungen landwirtschaftlicher Nutzflächen in kommunalem Eigentum wird eine Bevorzugung von Biobetrieben geprüft, sofern keine sachlichen und rechtlichen Gründe für eine andere Vergabe sprechen. Gründe sind in diesem Fall meist andere städtische Entwicklungsziele, wie z. B. bei Umsetzung von Ansiedlungen, wo strategisch potentielle Gewerbestandorte entwickelt werden, die mit einem landwirtschaftlichen Flächenentzug verbunden sind und Ersatzflächen für die betroffenen Landwirtschaftsbetriebe zur Verfügung gestellt werden müssen, unabhängig von der Ausrichtung der Bewirtschaftungsform.”

Und an anderer Stelle noch einmal, als wollte das Dezernat den Grünen klarmachen, dass erst mal alles andere kommen muss, bevor ein Biobauer den Zuschlag erhält: “Bei Neuverpachtung wird zuerst die Möglichkeit der Vergabe an einen ökologisch wirtschaftenden Landwirt geprüft. Dem entgegenstehen können strategische Ziele der Stadt Leipzig, nachbarrechtliche Konfliktfelder oder notwendige Ersatzflächen für Landwirte zur Abwehr vom Einsatz von Rechtsmitteln bei Grunderwerb zur Umsetzung von städtischen oder wirtschaftlich vorrangigen Entwicklungsmaßnahmen (z. B. Straßenbau, soziale Infrastruktur, Ansiedlung u. ä.).”

Das erzählt alles nicht von einer Strategie oder einem Plan, den Anteil der ökologisch bewirtschafteten Flächen systematisch zu erhöhen.

Das Wirtschaftsdezernat betont zwar: “Grundlage des Verwaltungshandelns ist das Arbeitsprogramm des Oberbürgermeisters 2020. Darin wird zur regionalen Landwirtschaft festgestellt, dass der neue Trend die Abhängigkeiten von globalen Märkten verringern und regionale Nahrungsherstellung mit kurzen Wegen zum Verbraucher unter anderem aus ökologischen und aus beschäftigungspolitischen Gründen erhalten und verstärken möchte. Eine wesentliche Rolle spielt dabei der Landwirt als Unternehmer.”

Dass sich die Verwaltung da lieber zurückhält, hängt auch damit zusammen, dass Landwirtschaft mittlerweile eine Art Risikounternehmen geworden ist.

Das schildert das Wirtschaftsdezernat so: “Ergänzend gibt es die AG Landwirtschaft, die zweimal im Jahr zusammen mit dem Grünen Ring und Landwirten veranstaltet wird. Derzeit gibt es von mehreren größeren landwirtschaftlichen Betrieben in und um Leipzig Bestrebungen zu verzeichnen, ökologische und naturnahe Teilbewirtschaftungen einzuführen. Die Stadtverwaltung rät dringend davon ab, diese positive Entwicklung über Quotenregelungen bei der Vergabe von landwirtschaftlichen Flächen zu beeinflussen. Die Betriebe werden bereits durch Bundes- und EU-Recht zu hohen Umweltstandards verpflichtet, deren Erfüllung bereits ein hohes Maß an Reglementierung der (Flächen-) Bewirtschaftung beinhaltet.”

Was nur die halbe Wahrheit ist. Die andere Hälfte sind die Marktpreise und ein weltweiter Subventionswettbewerb, der gerade kleine Betriebe immer öfter zum Aufgeben bringt.

“Grundsätzlich ist die Verwaltung bestrebt, die Rahmenbedingungen für die ökologische und umweltgerechte Landwirtschaft zu verbessern und Angebote (Klein-und Splitterflächenkataster) zu unterbreiten”, versucht das Wirtschaftsdezernat das Fehlen einer Strategie zu begründen. “Dabei sind strategische Stadtentwicklungsinteressen zu beachten, das Freiwilligkeitsprinzip und Eingriffe in die unternehmerischen Freiheiten der Landwirtschaftsbetriebe zu vermeiden.”

Tatsächlich steht ökologische Landwirtschaft gar nicht unter den prioritären Arbeitslinien der Verwaltung. Da steht anderes, das das Wirtschaftsdezernat im Zusammenhang mit den Neuverpachtungen seit 2011 aufzählt: “Gründe für die Neuabschlüsse waren u. a. die Fortsetzung sehr guter Geschäftsbeziehungen, Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung der Landwirtschaftsflächen, nachhaltige Unternehmenssicherung durch die Flächenbereitstellung sowie unter Eintritt bestimmter Voraussetzungen (z. B. Flächenbedarf zur Erfüllung kommunaler Aufgaben, Durchführung von Infrastrukturmaßnahmen u. ä.) eine kurzfristige Flächenverfügbarkeit für die Stadt Leipzig.”

Die komplette Antwort auf die Grünen-Anfrage.

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