Die ganze Berichterstattung der Arbeitsagenturen belegt eigentlich, dass man es hier nicht mit Arbeits-Agenturen zu tun hat. Man kümmert sich nicht mal um den Arbeitsmarkt. Man ist eine reine Verwaltung, weiß also auch nicht, was sich wirklich da draußen tut. Was sorgt denn dafür, dass in Leipzig die Arbeitslosenzahlen so deutlich sinken?
Erst einmal also die bürokratische Wasserstandsmeldung fürs Verwaltete: „Die Arbeitsmarktentwicklung präsentiert sich weiter deutlich besser als vor einem Jahr. Außerdem hat die Frühjahrsbelebung eingesetzt. Die Zahl der Beschäftigten erreicht einen neuen Höchststand. Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist hoch und die Zahl der Arbeitslosen geht zurück. Gemeinsam mit den Unternehmen müssen wir noch mehr als bisher in die Personalrekrutierung investieren. Es geht uns vor allem darum, durch Qualifizierung die Menschen fit zu machen für die Anforderungen der aktuellen und künftigen Leipziger Arbeitsplätze. Wichtig ist, dass aus Weiterbildung neue Chancen entstehen und die Leipziger Wirtschaft die gesuchten Arbeitskräfte auch in Zukunft bekommt“, erklärte am Freitag, 31. März, der Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit, Steffen Leonhardi.
Arbeitslose Menschen
Insgesamt waren im März 24.357 (Vormonat 24.965) Männer und Frauen in Leipzig arbeitslos gemeldet. Der Rückgang im Vergleich zum Februar betrug 608 Personen. Der Abstand zur Zahl der arbeitslosen Menschen im März 2016 ist mit 3.160 sehr groß und ist über die letzten Monate deutlich gewachsen.
In den Altersgruppen gab es eine unterschiedliche Entwicklung. Bei den jungen Leuten stieg die Zahl im Vergleich zum Vormonat leicht an und bei den Älteren sank sie. Der Anstieg bei den unter 25-Jährigen betrug 3, insgesamt gibt es derzeit 2.027 Arbeitslose in dieser Altersgruppe, das sind 291 weniger als vor einem Jahr, ein Minus um 12,6 Prozent.
Trotzdem ist es ein Achtungszeichen, selbst dann, wenn hinter dieser Entwicklung vor allem die jungen Flüchtlinge stecken, die erst noch Deutsch lernen und eine Ausbildung machen müssen. Was natürlich seine Zeit braucht.
Das Problem steckt woanders: Sechs Jahre lang haben die Unternehmen in Leipzig auch noch von den Reserven auf dem Arbeitsmarkt zehren können, die bis 2010 angewachsen waren. Das war das Jahr, als die halbierten Ausbildungsjahrgänge erstmals in den Arbeitsmarkt eintraten. Ab da gab es mehr angebotene Ausbildungsplätze als Bewerber. Das tarierte sich im Jahresverlauf meist noch aus.
Aber im Frühjahr 2017 ist das erstmals deutlich anders: Aktuell waren im März 2.180 freie Ausbildungsstellen bei der Arbeitsagentur Leipzig gemeldet. Das waren 241 mehr als vor einem Jahr um diese Zeit. Gegenwärtig sind davon noch 1.554 Ausbildungsstellen unbesetzt. Dem stehen 1.786, 215 weniger als im März 2016, Bewerberinnen und Bewerber um einen Ausbildungsplatz gegenüber. Von diesen suchen noch 1.154 nach einer Ausbildung. Weniger Bewerber auf mehr Ausbildungsstellen – da geht jetzt eine Schere auf, die Leipzigs Betriebe so einfach nicht mehr werden schließen können.
Oder mal so formuliert: Die Unternehmen werden noch händeringend um Zuwanderer bitten.
Denn wer die nötigen Qualifikationen erwirbt, der wird auch genommen.
4.486 Ausländer waren im März in Leipzig arbeitslos gemeldet. Das waren 96 weniger als im Februar 2017 und 294 mehr als im März 2016.
Wo entsteht eigentlich in Leipzig neue Beschäftigung?
Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit Arbeitsort in Leipzig erreichte im September 260.202. Das ist die aktuellste verfügbare Zahl. Damit stieg die Beschäftigtenzahl innerhalb eines Jahres um 7.242 oder 2,9 Prozent.
„Das ist eine überaus erfreuliche Entwicklung und die Prognose für 2017 geht von einem weiteren Wachstum um 3 Prozent aus“, zitiert Leonhardi aus der Frühjahrprognose des Institutes für Arbeitsmarkt und Berufsforschung in Nürnberg. Die Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit rechnet 2017 mit einer durchschnittlichen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung für Leipzig im günstigsten Fall von 267.500 und im Untergrenzwert mit 261.300. „Diese Zahlen sprechen die deutliche Sprache des Wachstums in der Wirtschaft. Das wird auch weiter zu sinkenden Zahlen der Arbeitslosigkeit führen“, ist sich Leonhardi sicher.
Im März haben Wirtschaft und Verwaltung 1.854 freie Stellen gemeldet. Der Bestand an freien Stellen lag bei 6.177. Das waren 159 mehr als im Vormonat und 868 als im März 2016.
„Unsere direkten Kontakte zu den Arbeitgebern Leipzigs zeigen uns, dass die Anforderungsprofile von Stellen und die zur Verfügung stehenden Qualifikationen von Bewerbern mitunter nicht ausreichend zusammenpassen“, meint Leonhardi. „Deshalb bitte ich die Arbeitgeber uns ihren konkreten Bedarf anzuzeigen. Unser Ziel ist es, die Qualifizierung am konkreten Bedarf der Betriebe auszurichten. Die Kolleginnen und Kollegen in unserem gemeinsamen Arbeitgeberservice von Arbeitsagentur und Jobcenter Leipzig beraten Sie gerne zu den finanziellen Unterstützungen bei der Einstellung und zu den Fördermöglichkeiten der Weiterbildung.“
Aber wo die neuen Jobs entstehen, das verrät die Arbeitsagentur nicht. Obwohl die Statistik zumindest einen Fingerzeig gibt.
Der steckt in den Beschäftigungszahlen nach Wirtschaftszweigen. Und da haben wir einfach mal ausgerechnet, in welchem Wirtschaftsbereich es von März bis September 2016 welche Zuwächse gab. Hier ist die Liste:
Gesundheits- und Sozialwesen: + 1.177
Baugewerbe: + 791
Zeitarbeit: + 765
Information und Kommunikation: + 751
Erziehung und Unterricht: + 633
Verkehr und Lagerei: + 598
Handel, Instandhaltung und Rep. von Kfz: + 514
Gastgewerbe: + 486
Wirtschaftliche Dienstleistungen: + 440
Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Soz.Vers.: + 383
Verarbeitendes Gewerbe: + 270
Finanz- u. Versicherungsdienstleister: + 12
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei: + 6
Hier wird sichtbar, wie stark die Personalnachfrage zum Beispiel in den Pflegeberufen ist. Dass die Bauwirtschaft beim derzeitigen Bauboom Leute eingestellt hat, ist auch nachvollziehbar. Und die Branche der IT-Dienstleister und Callcenter wächst ebenso. Der Zuwachs bei Erziehung und Unterricht geht leider noch nicht auf wachsende Lehrerzahlen zurück, sondern auf den Bereich Kindertagesstätten. Am stärksten wächst also sichtbar der ganze Sozialbereich.
Das Verarbeitende Gewerbe kommt zwar eher im Hinterfeld. Aber man darf auch nicht vergessen, dass die meisten Jobs in der Industrie noch immer über Zeitarbeitsfirmen akquiriert werden. Sie sind im Grunde das Scharnier zwischen Arbeitsagentur und Arbeitsmarkt. Außer dort, wo Jobsuchende selbst tätig werden und gar nicht erst darauf warten, dass ihnen die Arbeitsagentur zum Glück verhilft.
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