Leipzig steckt längst mittendrin in diversen Gentrifizierungsprozessen. Sie kamen ganz still und leise. Und trotzdem hat man ihnen zugucken können. Und trotzdem wurden sie nicht ernst genommen. Weil sie nicht alle betreffen, sondern vor allem die, die auch im Leipziger Stadtrat nur eine leise Stimme haben: die Einkommensschwachen, die Nichtangepassten, die Kreativen und Alternativen. Einige Stadtratsfraktionen werden nun munter.

Munterer, als in den Monaten, als man über das „Wohnungspolitische Konzept“ debattierte, bei dem man am Ende versuchte, ein Papier draus zu machen, das niemandem wehtut und vor allem kein extra Geld braucht. Das Stadtsäckel ist ja leer. Für richtige Investitionen fehlt die Reserve.

Was im November 2016 erst so richtig deutlich wurde, als das sächsische Innenministerium die Bedingungen für die Förderung des sozialen Wohnungsbaus vorstellte, den es in Leipzig über 15 Jahre nicht gegeben hat. Selbst die Verwaltungsmitarbeiter stöhnten: Zu solchen Konditionen kann man auch in Leipzig keine Sozialwohnungen bauen. Es geht einfach nicht. Leipzigs Wohnungsgenossenschaften und Hauseigentümer haben schon ganz offiziell abgesagt: Mit solchen Förderkonditionen können sie nicht wirtschaftlich bauen.

Es wird wohl alles auf die stadteigene Wohnungsbaugesellschaft LWB hinauslaufen. Sie hat einen Auftrag. Sie ist verpflichtet, sozial verträglichen Wohnraum zur Verfügung zu stellen, mit dem die Verwaltung auch operieren kann.

Aber es steht nicht in der Präambel der Eigentümerziele, wie die Linksfraktion im Stadtrat nun feststellt. Sie hat sich mit dem Papier natürlich beschäftigt, denn die Eigentümerziele der LWB sollen in diesem Jahr neu beschlossen werden. Immerhin gab es auch für das städtische Wohnungsunternehmen eine Zeitenwende: In der jüngeren Vergangenheit war das Unternehmen vor allem dazu verdonnert worden, seinen Schuldenberg von über 900 Millionen Euro abzubauen und das Unternehmen zu konsolidieren. Dazu gehörten auch über Jahre Verkäufe großer Wohnungsbestände. Das brachte das notwendige Geld zur Entschuldung, ließ aber den Wohnungsbestand deutlich schrumpfen.

Damit ist es seit zwei Jahren vorbei. Der Schuldenberg ist auf ein belastbares Kreditportfolio zusammengeschmolzen. Die LWB soll wieder ihre ursprüngliche Rolle wahrnehmen, nämlich nicht nur sozial verträglichen Wohnraum möglichst im ganzen Stadtgebiet anzubieten, sondern auch selbst wieder zu bauen. Das erste Wohnungsbauprojekt läuft derzeit an der Wintergartenstraße. Ein sozial verträgliches ist es noch nicht. Dafür gab es noch keine Fördergelder.

Aber die alte neue Rolle müsse sich nicht nur in den Eigentümerzielen widerspiegeln, findet die Linksfraktion. Sie gehöre eindeutig schon in die Präambel. Ganz vorne hin, wo alle lesen können, was für eine Wohnungsgesellschaft das für Leipzig sein soll.

Deswegen schlägt die Linksfraktion als Änderung zur Verwaltungsvorlage vor: „Der letzte Satz der Präambel wird wie folgt neu gefasst: Die langfristige Bereitstellung von bezahlbaren Wohnungen für breite Schichten der Bevölkerung erfolgt unter der Voraussetzung des Erreichens der finanz- und betriebswirtschaftlichen Zielstellungen als Grundlage der wirtschaftlichen Stabilität. Vor diesem Hintergrund beschließt die Ratsversammlung folgende Eigentümerziele: …“

Denn Eines haben ja die letzten Jahre gezeigt: Wer immer nur mit kurzen Horizonten plant, hechelt den Erfordernissen der wachsenden Stadt permanent hinterher. Der preiswerte Wohnraum in Leipzig ist knapp geworden. Die Leerstrandsquote liegt nur noch bei 3 Prozent. Aber sozialer Wohnungsbau ist noch längst nicht in Gang gekommen.

„Die untrennbare Einheit vom sozialen Hauptzweck, der langfristigen Bereitstellung von bezahlbaren Wohnungen, auch für Haushalte, die es schwer haben, sich auf dem Wohnungsmarkt selbst zu versorgen, sowie kontinuierlicher wirtschaftlicher Stabilität sollte sich auch in der Präambel wieder finden“, stellt darum die Linksfraktion fest. Das ist das Hauptziel, das angesteuert werden soll. Und zwar so, dass die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens nicht gefährdet und nicht wieder neue Schuldenberge aufgetürmt werden. Deswegen: „Zufriedene Mieter und die kontinuierliche wirtschaftliche Stabilität haben in den zurückliegenden Jahren ein gutes Image der LWB in der ganzen Stadt Leipzig befördert, was auch in langfristigen Mietverträgen seinen Ausdruck findet.“

Das wird ein Spagat, keine Frage. Erst recht, wenn die Förderbedingungen für sozialen Wohnungsbau so starr und stur bleiben, wie sie sind. Was aber vor allem für die Unfähigkeit einer sächsischen Staatsregierung steht, Kommunen und kommunalen Unternehmen ein verantwortliches Handeln und klugen Umgang mit den bereitgestellten Mitteln zuzugestehen. Eine von Misstrauen durchwachsene Regierung. Das macht Bauen und Wohnen in Sachsen erst recht teuer, weil die, die sozial verträglich bauen wollen, behandelt werden wie Geldverschwender.

Vielleicht hilft da auch eine neu formulierte Präambel, die die vormundschaftlichen Staatssekretäre in Dresden beruhigt: So schlimm sind die ja gar nicht da in Leipzig.

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