Leipzig ist eine Stadt der Selbstausbeuter. Die Stadt rühmt sich zwar in teuren Werbekampagnen einer breiten und lebendigen Kreativszene. Aber wenn man dann mal nachfragt, wie es eigentlich um die Förderung seitens der Stadt steht, wird es dünn. Die Linksfraktion hat im Juni mal angefragt. Man hatte ja auch irgendwas beschlossen im Stadtrat. War doch so, oder?
War so: 2010 beschloss der Stadtrat die Einrichtung einer „Kontaktstelle Kreativwirtschaft“. Schon damals gab es keine belastbaren Zahlen zur Medien- und Kreativwirtschaft in Leipzig, keine Förderprogramme, keine Daten zum wirtschaftlichen Zustand des Clusters, von dem Leipzigs Politik immer redet – aber tatsächlich ignoriert sie die Branche seit Jahren.
Thema war das damals, weil Leipzig wieder an so einem Blümchenprojekt namens „Creative Cities“ teilgenommen hatte, so einem richtigen EU-sinnlos-Projekt, bei dem ein paar Leipziger irgendwie mit Partnern aus anderen süd- und osteuropäischen Städten in Austausch kamen. Spuren hat das Projekt nicht hinterlassen. Leipzig ist nicht mal dem UNESCO-Netzwerk „Creative Cities“ beigetreten. Man findet auf der Website kreativwirtschaft-leipzig.de noch den Link. Aber wenn man ihn betätigt, erfährt man alles: Das Projekt ist auch aus dem Internet verschwunden. Jetzt gibt es dort eine dubiose Seite zu Sportwetten.
Und wo die EU schon keine feste Arbeitsbasis findet, wie sie mit den kreativen Potenzialen des Kontinents umgehen soll, tut es auch Leipzig nicht. Bunte Broschüren druckt man. Aber alle bunten Broschüren zur ach so kreativen Stadt sind eben nur das: buntes Marketing.
Aber was steckt drin? Ist die Kontaktstelle wenigstens besetzt?
Und was fördert die Stadt?
Die Kontaktstelle ist besetzt, teilt das Dezernat für Wirtschaft und Arbeit mit. Mit einer 2/3-Stelle: 26 Stunden pro Woche plus ein Sachmitteletat von 13.000 Euro für konkrete Vorhaben. „Seit Juni 2014 betreut und koordiniert die Kontaktstelle die Clusterwebseite www.kreativwirtschaft-leipzig.de“, teilt das Dezernat noch mit. Die Seite gibt es tatsächlich, schön bunt ist sie, aber auch entsprechend vollgestopft. Denn das Cluster „Medien- und Kreativwirtschaft“ ist eigentlich kein steuerbares Cluster. Hier sind sieben unterschiedliche Branchen gebündelt – von der IT-Branche über Verlagswesen, Architekten und Werbebuden bis hin zu den sogenannten Vermittlern, wo man die ganzen riesigen Callcenter der Stadt findet.
Die Kontaktstelle hilft beim Förderanträge stellen. „Seit Anfang 2015 bis Mitte Juni 2016 haben 165 Akteure die Beratung der Stelle in Anspruch genommen (neun Beratungen im Monat)“, teilt das Wirtschaftsdezernat mit.
Da wird dann auch sichtbar, was für ein buntes Klientel man hier versucht zu bedienen: „Die meisten Beratungsanfragen stammen aus der Subbranche Künste und Musik (36,17 %, Schauspieler, Musiker, Galerien, Musikagenturen, Fotografen), gefolgt von Architektur und Design (25,53 %, vorwiegend Grafik- und Produktdesigner). Am dritthäufigsten fragen Akteure aus der Subbranche Rundfunk und Film eine Beratung an (11,34 %, alle aus dem Filmbereich). Die anderen Subbranchen (Informations- und Kommunikationstechnologie, Druck- und Verlagswesen, Messen und Dienstleistungen und Werbung und Öffentlichkeitsarbeit) haben einen Anteil von 6 % bis 8 %.“
Genaue Zahlen zur Kreativszene insgesamt gibt es freilich nicht. Die hohen Zahlen von 22.000, 28.000 oder gar 44.000 dort Tätigen wird auch durch die großen Mitarbeiterstämme in Callcentern verzerrt.
Und dann kommt das Wirtschaftsdezernat zur Förderung. Wofür bekommen die Kreativen eigentlich Geld? Für Projekte? Investitionen? Büroausstattung.
Nicht die Bohne. In der Antwort wird eigentlich alles deutlich, was die Stadt von der Kreativwirtschaft hält. Sie hält sie für einen Veranstaltungsladen: „Mit der Clusterförderung können Projekte und Veranstaltungen im kleinen Rahmen unterstützt werden, die einen Mehrwert für das gesamte Cluster besitzen (Informationsveranstaltungen, Branchentreffen oder Weiterbildungen von Vereinen/Verbänden für die Akteure). 2015 gab es für die Akteure des Clusters außerdem die Möglichkeit sich an einer Internationalisierungsausschreibung zu beteiligen, in deren Zuge die besten eingereichten Projekte eine Prämie erhielten. Denn kreative Produkte und Dienstleistungen besitzen in besonderer Weise das Potenzial international vermarktbar zu sein.“
Dann gibt es auch noch die Maßnahme „Transfer kreativer Ideen in kleine Unternehmen“, mit der der Transfer kreativer Ideen in mittelständische Unternehmen unterstützt werden soll. Kreativität also als Dienstleistungsmagd.
Und dann kommen die großen Zahlen:
In der Maßnahme „Transfer kreativer Ideen in kleine Unternehmen“ wurden von September 2013 bis Juni 2016 insgesamt 228.208 Euro ausgeschüttet. Klingt viel. Aber die Summe mussten sich 106 Unternehmen teilen. Macht pro Förderung: 2.153 Euro. Die Förderung ging aber eher an „Unternehmen aller Branchen“, die sich die Zusammenarbeit mit Kreativen damit fördern lassen konnten. Die Kreativen saßen also am Ende der Verdauungskette.
Und wie ist es mit dem „Mittelstandsförderprogramm insgesamt“?
Dort wurden in den drei Jahren insgesamt 562.264 Euro ausgeschüttet. An insgesamt 230 Empfänger. Macht pro gefördertes Projekt: 2.445 Euro. Davon bezahlt man geradeso den Druck einer Broschüre. Das war’s dann. Aber mehr war wohl auch nicht beabsichtigt.
In der Projektförderung „Internationalisierung“ wurden insgesamt 12.000 Euro an 4 Projekte ausgereicht. Macht 3.000 Euro im Schnitt.
Und dann ist da noch die „Clusterförderung Medien- und Kreativwirtschaft“, die es seit 2014 gibt. Da hat die Stadt insgesamt 205.208 Euro ausgeschüttet – an 42 Antragsteller, was aber immerhin 4.886 Euro pro Projekt ergibt. Die meisten Gelder – 127.053 Euro – gingen hier an Rundfunk- und Filmschaffende, wo dann allein die Technik schon etwas teurer ist.
Das sind alles eher Peanuts, ein paar Nüsse für alle, die noch freie Kapazitäten für Antragstellungen haben.
Der Rest ist dann freier Enthusiasmus. Oder um mal die extra für die Kreativen eingerichtete Seite zu zitieren: „Die Medien- und Kreativwirtschaft in Leipzig ist so lebendig wie nie zuvor. In allen sieben Subbranchen arbeiten die Akteure und Unternehmen mit Enthusiasmus und Professionalität an ihren Projekten und Visionen. Sie setzen spannende Zeichen, wollen sich mit ihren Ideen ein Standbein aufbauen oder sich im internationalen Vergleich behaupten. So haben sie viel zu Leipzigs gutem Ruf als Geheimtipp für Kreative beigetragen, der immer wieder neue Akteure und Talente in die Stadt lockt.“
Der Kreatives Leipzig e.V. wird zwar als Steuereinheit für das Möchtegern-Cluster benannt. Aber über ein bisschen Vereinsarbeit kommt der Verein nicht wirklich hinaus.
Die Anfrage der Linksfraktion zur Medien- und Kreativwirtschaft.
Die Antwort des Wirtschaftsdezernats zur Linke-Anfrage zur Kreativwirtschaft.
In eigener Sache – Eine L-IZ.de für alle: Wir suchen „Freikäufer“
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