So einfach will Dr. Lutz Weickert Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) und Wirtschaftsbürgermeister Uwe Albrecht (CDU) nicht davonkommen lassen. Eigentlich den Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal (Die Linke) auch nicht, der ja für Fluglärm qua Amt zuständig ist. Aber in den Aufsichtsräten von Mitteldeutscher Flughafen AG und Flughafen Leipzig/Halle sitzen Jung und Albrecht.
Und sie haben mit diesem Job eine Reihe Pflichten im Sinne der Gesellschafter. Unter anderem auch, zu überwachen, ob die Geschäftsführung sich an Recht und Gesetz hält.
Und es ist ja nicht so, dass niemand in Leipzig mitbekommt, wie es um den Lärmschutz am Flughafen Leipzig/Halle und die Auflagen aus dem Planfeststellungsbeschluss für die neue Südstartbahn steht. Was da drinsteht, hat eigentlich Gesetzeskraft, ist nicht nur eine „Empfehlung“, wie es jüngst Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) formulierte. Auch er sitzt im Aufsichtsrat. Der Freistaat Sachsen ist der größte Spieler in der Eigentümergesellschaft.
Anfragen an die diversen Wirtschaftsminister gab es schon eine Menge. Bislang erfolglos. Meist tun die Regierungsinstanzen so, als sei da überhaupt kein Problem, wenn die Anwohner und Betroffenen nach der (nicht eingehaltenen) gleichmäßigen Bahnverteilung, den Versuchen, die Triebwerksprobeläufe im Freien wieder zu ermöglichen, den diversen Süd- und Nordabkurvungen oder dem fehlenden Sicherheitssystem für die nächtlichen Bahnkreuzungen fragen.
Und je öfter sie abwiegelnde Antworten erhalten, umso deutlicher werden ihre Fragen nach der Verantwortung.
Denn wenn schon die viel gepriesene Lärmschutzkommission, die eigentlich eine Lärmkritikverhinderungskommission ist, kneift, bleibt den betroffenen Leipzigern logischerweise die Frage: Wer ist eigentlich aus der gewählten Stadtpolitik verantwortlich für die Verweigerungsspiele am Flughafen?
Die Mitglieder der beiden Aufsichtsräte der Mitteldeutschen Flughafen AG und des Flughafens sind es eindeutig.
Und parallel zu Lars Kirchoff, der sich in der nächsten Ratsversammlung zum derzeitigen Schweigen um den Online-Lärm-Dialog der Stadt in dieser Anfrage kümmert, stellt Dr. Lutz Weickert aus Böhlitz-Ehrenberg gezielt die Frage nach der Verantwortung der Aufsichtsratsmitglieder.
„Seit November 2015 ist der Öffentlichkeit bekannt, dass am Flughafen Leipzig/Halle die erforderliche Sicherheitstechnik fehlt, damit das DHL-Frachtzentrum, wie im Planfeststellungsbeschluss als Auflage enthalten, seine Starts und Landungen gleichmäßig auf beide Bahnen verteilen kann“, schreibt er in seiner Einwohneranfrage, die vorher so auch als Brief an die Stadtspitze gegangen ist. „Seit der Ratsversammlung am 23.03.16 versuche ich mittels einer Einwohneranfrage folgende einfachen und konkreten Fragen beantwortet zu bekommen:
Seit wann ist den Aufsichtsratsmitgliedern der MFAG OBM Herrn Jung der Flughafen Leipzig/Halle GmbH, Herrn Albrecht bekannt, dass die im Planfeststellungsbeschluss geforderte gleichmäßige Bahnverteilung von Starts und Landungen aufgrund fehlender Sicherheitstechnik nicht möglich ist?
Bis wann werden die fehlenden Sicherheitseinrichtungen am Flughafen Leipzig-Halle nachgerüstet?
Welche Kosten sind mit der Nachrüstung verbunden?“
So oft er fragt, bekommt er auch Antwort. Aber eine so unbefriedigend wie die andere. Denn auch Leipzigs Stadtverwaltung weicht gern aus, wenn es um konkrete Probleme geht, die man partout jetzt nicht angehen will. Vielleicht ist das Eisen zu heiß. Vielleicht hat man zu viel versprochen. Vielleicht will man die großen Hütchenspieler aus der Landesregierung nicht desavouieren. Kann alles sein.
Nur am Problem der betroffenen Bürger ändert diese Aussitzhaltung gar nichts.
Lutz Weickert: „Obwohl es von Bürgermeister Uwe Albrecht bisher zwei Schreiben gibt, wurden in keinem dieser Schreiben nur im Ansatz obige Fragen beantwortet. Während Herr Albrecht noch im ersten Schreiben vom 23.03. das Fehlen von Sicherheitstechnik leugnete, bestätigte er im zweiten Schreiben vom 25.05. diese fehlende Sicherheitstechnik. Eine Beantwortung meiner Fragen lehnte er aber mit dem Hinweis auf Geheimhaltung ab.“
Und dann tun sich für Weickert so einige Fragen auf, denn die Bahngleichverteilung steht nun mal im Planfeststellungsbeschluss. Und in den ersten Jahren hat sich die Landesdirektion Leipzig auch bemüht, immer wieder neue Zahlen zur Gleichverteilung auf beiden Startbahnen zu liefern – immer mit dem Eingeständnis, dass noch immer 95 bis 98 Prozent der nächtlichen Flüge auf der Südstartbahn stattfinden. Aber das werde sich schon einspielen, hieß es damals immer.
Bis man diese Prüfung komplett einstellte.
„Bei dieser fehlenden Sicherheitstechnik handelt es sich scheinbar um einen gravierenden Planfeststellungsfehler oder -betrug (?), mit einem Millionenschaden für den Steuerzahler“, vermutet Weickert. „Die Öffentlichkeit hat ein Recht auf Aufklärung. Ich möchte deshalb erneut um kurze, schriftliche Beantwortung der obigen drei Fragen zur Ratsversammlung am 24.08.2016 bitten.“
Der Millionenschaden hat schon daher seine Berechtigung, weil die nächtlichen Aufwachreaktionen aller Betroffenen – und die leben nach Erfindung der „kurzen Südabkurvung“ eben nicht nur im ausgewiesenen „Lärmschutzgebiet“ – zu entsprechenden Erkrankungen, Fehltagen und langfristigen Gesundheitsschäden führen. Das kostet nicht nur die Versicherten und die Krankenversicherung, sondern auch die Arbeitgeber. Die einen zahlen also dafür, dass die anderen sich nicht an die Regeln halten müssen.
Und irgendwie scheint niemand in all den beteiligten Ämtern auch nur das Geringste damit zu tun zu haben.
Eine erstaunliche Stadt.
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