Nein, Schampus gab es nicht, eigentlich nur ein gegenseitiges Schulterklopfen: Am Dienstag, 7. Juni, hat die Leipziger Gruppe (die Kommunalunternehmen LVV, LVB, KWL und SWL) ihre Bilanz fürs Jahr 2015 endlich veröffentlicht. Über so einem Rechenwerk wird mittlerweile lange gegrübelt, denn man steckt - so stellte auch OBM Burkhard Jung fest - mitten in schwierigen Zeiten.
Genauer: Man hat mit „schwierigen Rahmenbedingungen“ zu kämpfen. Der Wind ist rau geworden. Das Geldverdienen ist nicht mehr so einfach, nicht nur wegen der Energiewende, die seit 2013 tatsächlich ganz unten angekommen ist, bei den kommunalen Stadtwerken. Die haben deutschlandweit zu kämpfen. Einerseits unter einem liberalisierten Strommarkt, auf dem auch reihenweise Billiganbieter um die Kunden in den Großstädten buhlen, andererseits unter dem massiven Verfall der Strompreise auf ein extrem niedriges Niveau. Genau das hat den Stadtwerken letztlich ein einstmals lukratives Geschäftsfeld genommen: den Großhandel an den Börsen. Solange die Strompreise noch in oberirdischen Höhen waren, konnten hier Gewinne erzielt werden, die letztlich auch die Summe erst attraktiv machten, die die Stadtwerke an die Muttergesellschaft LVV abgaben.
Doch dieses Geschäft ist im Grunde seit zwei Jahren im Keller. Nur mit einigen attraktiven Großabnehmern funktioniert es noch. „Deswegen haben wir dieses Geschäftsfeld in den letzten Jahren planmäßig zurückgefahren“, sagt Volkmar Müller, der bei den LVV fürs Kaufmännische zuständige Geschäftsführer. Trotzdem – oder gerade deshalb – seien die 54 Millionen Euro, die die Stadtwerke Leipzig 2015 erwirtschaftet haben, ein für Stadtwerke dieser Größenordnung gutes Ergebnis – und natürlich der wichtige Beitrag zum Konzernergebnis der LVV.
Denn die finanziert ja aus den Gewinnen von Stadtwerken und Wasserwerken die LVB, die als ÖPNV-Anbieter klassischerweise ein Zuschussunternehmen sind. Nur indem der Zuschuss von (mindestens) 45 Millionen Euro in den anderen Unternehmen erwirtschaftet wird, kann die LVV ihre Zusage einhalten, den Nahverkehr in Leipzig rein aus den Erlösen der Kommunalbetriebe zu finanzieren.
„Was unseren Stadthaushalt enorm entlastet“, betont OBM Burkhard Jung.
Wobei am Dienstag zur Bilanzpressekonferenz auch die Frage im Raum stand: Wird das die LVV auch künftig schaffen? Denn das Wort von den „schwierigen Rahmenbedingungen“ fiel ja mehrmals. Und zumindest gilt es für die Stadtwerke: So einfach werden sie ihre 50 Millionen Euro nicht mehr verdienen. Im Gegenteil: Ein grundsätzlicher Unternehmensumbau hat ja gerade erst begonnen. Die Stadtwerke müssen sich einem völlig veränderten Markt anpassen, auf dem immer mehr kleine und mittlere Stromerzeuger unterwegs sind, auf dem die Verdienstmargen gering sind, die Steuerung der Netze aber wesentlich aufwendiger.
Was bedeutet: Gerade die IT-Infrastruktur der Stadtwerke muss völlig neu gebaut werden. Burkhard Jung, der ja als OBM auch Aufsichtsratsvorsitzender der LVV ist, nahm dafür extra das Wort „Smart City“ in den Mund: Die Zeit der großen, zentralen Kraftwerke geht vorbei. Energie wird künftig umweltschonend und dezentral produziert – entsprechend „intelligent“ müssen die Netze werden.
Dabei haben die Leipziger Stadtwerke noch einen besonderen Bonus zum Umbau bekommen: Sie haben vom Leipziger Stadtrat sowohl das Strom- als auch das Gasnetz in den 1999/2000 eingemeindeten Ortsteilen zugesprochen bekommen. Nach einem ordentlichen Wettbewerb, dessen Ergebnis letztlich auch vor Gericht bestand hatte. Die Übernahme kostet natürlich erst einmal. Denn die Infrastrukturen gehörten ja dem bisherigen Betreiber enviaM. Auch muss modernisiert werden. „Mittelfristig aber wächst das Netzgeschäft der Stadtwerke um 30 Prozent“, betonte LVV-Geschäftsführer Norbert Menke am Dienstag. Womit dann die Netze einen wesentlichen Grundbeitrag zum Geschäft der SWL leisten werden. Die Gaskonzessionen hat der Stadtrat schon 2015 an die Stadtwerke vergeben, die Stromkonzessionen kamen jetzt im Mai 2016 hinzu.
Dass die LVV am Ende ihr Gesamtbetriebsergebnis sogar deutlich steigern konnte von 42,7 Millionen Euro im Vorjahr auf 58,5 Millionen, liegt auch diesmal an den Wasserwerken. Einst das Sorgenkind im Konzern, dem kaum noch einer auch nur 20 Millionen Euro Gewinn zutraute.
Noch immer hängt freilich das Damoklesschwert über den Wasserwerken: Die Londoner Verhandlungen über den Deal der Wasserwerke mit der Schweizer Großbank UBS. Den Prozess hatten die Wasserwerke zwar 2014 gewonnen – aber im Nachhinein wurde die Berufung der UBS doch noch angenommen. Nun soll im Mai 2017 der Berufungsprozess stattfinden. Das Hauptproblem dabei: Je länger die Entscheidung dauert, umso größer ist die Risikosumme, um die es geht. Sollte der Prozess – wider Erwarten – doch noch gegen Leipzig ausfallen, steht mittlerweile eine Risikosumme von über 500 Millionen Euro im Raum, teilte LVV-Geschäftsführer Volkmar Müller am Dienstag mit.
Und das bei einem Unternehmen, das unter seiner neuen Geschäftsführung gezeigt hat, dass man solide 30 Millionen Euro Gewinn im Jahr erwirtschaften kann, ohne dass das Unternehmen in Gefahr gerät. Auch 2015 waren es 30 Millionen Euro.
Die LVV konnten also ohne Probleme die 45 Millionen Euro für die LVB bereitstellen.
Und wie haben die abgeschlossen? „Mit einer schwarzen Null natürlich“, betonte Müller.
Denn die 45 Millionen bekommen die Verkehrsbetriebe ja vor allem, um den Fehlbetrag zwischen Umsatzerlösen und Aufwand auszugleichen. Parallel dazu müssen sie den Investitionsstau der vergangenen Jahre aufholen. Rund 57 Millionen Euro investierten sie 2015. „KarLi“ und Könneritzstraße waren zwei der Großprojekte.
Und was machen die LVV mit den 23,8 Millionen Euro, die sie 2015 plus gemacht haben? Fließt das Geld in den Leipziger Stadthaushalt? „Wir werden vorschlagen, 18 Millionen in die Rücklagen geben zu dürfen“, sagt Menke. Vor allem sei das Geld dazu gedacht, die nötigen Investitionen der nächsten Jahre zu finanzieren – in diesem Fall in die IT-Erneuerung der Stadtwerke.
Auch 2014 hatte der Stadtkonzern schon 23,8 Millionen Euro Plus gemacht, im Vorjahr waren es noch 3,5 Millionen Euro Minus.
Die Zahlen, so Menke, würden zeigen, wie weit der Konsolidierungsprozess im Konzern schon gediehen sei.
OBM Burkhard Jung war sogar regelrecht euphorisch, als er von einer „deutlich anderen Qualität als zu Beginn meiner Amtszeit“ sprach. Das war vor zehn Jahren und da war die mit drei Mann besetzte LVV nichts anderes als ein Steuersparmodell, keine Managementholding. Der Umbau zu einer solchen steht – so Jung – kurz vor dem Abschluss.
Vielleicht gerade rechtzeitig für das, was sie jetzt alle auf dem Schirm haben: die „schwierigen Rahmenbedingungen“ einer Energiewende, die seit ein paar Jahren eher chaotisch vonstatten geht und wo die Manager kommunaler Unternehmen am Jahresbeginn oft noch gar nicht wissen, unter welchen Vorzeichen sie am Ende arbeiten müssen.
Ein schwieriger Spagat, bei dem auch in der Leipziger Unternehmensgruppe noch niemand weiß, was am Ende dabei herauskommen wird. Zumindest ist man zuversichtlich, die richtigen Weichen gestellt zu haben.
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