Manchmal dauert es elend lange, bis ein städtisches Unternehmen sich endlich freigeschwommen hat. Erst recht, wenn es die Bücher voller Schulden hatte. So ging es der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB) Anfang des Jahrtausends. Die Schuldenlast war größer als die der Stadt Leipzig und das Motto der letzten neun Jahre hieß deshalb immer: Konsolidieren. Im Jahr 2016 steht endlich wieder Wohnungsbau auf dem Plan.

Am Mittwoch, 8. Juni, stellten die Geschäftsführerinnen Ute Schäfer und Gabriele Haase zusammen mit Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau die Bilanz für das Jahr 2015 vor. Es ist die fünfte mit einem positiven Ergebnis. Und die letzte mit einem Sondereffekt. Denn 2015 haben die LVB zum letzten Mal Häuser verkauft, um die alten Belastungen abzubauen. Gleichzeitig haben sie zum ersten Mal auch wieder Bestände dazugekauft, um ihr Portfolio zu erweitern – in diesem Fall in Gohlis-Nord. Da sind zwei völlig unterschiedliche Entwicklungslinien aufeinander getroffen. Die eine endet. Die andere wurde vom Stadtrat gerade zum Gesetz gemacht im Rahmen des Wohnungspolitischen Konzeptes.

Denn wenn Leipzig weiter in diesem Tempo wächst, braucht die Stadt dringend ein kommunales Wohnungsunternehmen, das nicht nur mindestens 10 Prozent des Wohnungsbestandes verwaltet, sondern auch in möglichst allen Ortsteilen mit einem bezahlbaren Mietangebot präsent ist. Und das nicht nur, um Leipzigern mit kleinem Geldbeutel überhaupt noch bezahlbare Wohnungen zur Verfügung stellen zu können, sondern auch, um in den Ortsteilen dem Anstieg der Mieten etwas Dämpfendes entgegen setzen zu können.

2014 lag der Durchschnittsmietpreis bei der LWB bei 4,89 Euro je Quadratmeter kalt, 2015 ist er auf 4,98 Euro geklettert. Das liegt auch weiterhin deutlich unter den 5,30 Euro im Stadtdurchschnitt oder gar den Neumieten auf dem zusehends enger werdenden Markt.

„Andere Städte haben, als ihre Wohnungsgesellschaften derart in Schieflage kamen, alles verkauft“, erinnerte Dorothee Dubrau, die das Drama der 1990er Jahre ja nicht miterlebt hat. Aber es ist bis heute präsent. Bis in die Bilanz der LWB hinein. „Aber in Leipzig hat zum Glück niemand daran gedacht.“

Gefordert hat es freilich so Mancher – auch aus politischen Kreisen. 2007 lag die Verschuldung der LWB noch bei 918 Millionen Euro. Dass es so viel war, hatte zwei Gründe – das eine war die Altschuldenregelung, die den ostdeutschen Wohnungsgesellschaften auch noch Millionenberge an Schulden aus DDR-Zeiten aufbürdete. Das andere war die abenteuerliche Ära von LWB-Geschäftsführer Karl Trabalski, der eben nicht nur 2,7 Milliarden DM Sanierungsstau an den herutergewirtschafteten Gebäuden der 1990 neu gegründeten LWB feststellte, sondern auch sofort einen Berg von tausenden Sanierungen auslöste, die die LWB schon im Jahr 1992 ins Straucheln brachten. Der Bilanzverlust für die beiden Jahre 1991/1992 wurde mit über 1 Milliarde Euro beziffert.

Ein Unternehmen mit so einem Schuldenberg zahlt sich natürlich allein an den Zinsen dumm und dämlich. An Neubau war dann 20 Jahre lang nicht zu denken. Im Gegenteil: Um die Gesellschaft wieder zu gesunden, mussten noch bis in die letzten Jahre hinein teilweise auch wertvolle Bestände verkauft werden.

Noch heute stecken 122 Millionen Euro Altschulden und 131 Millionen Euro Altlasten aus der Trabalski-Ära im deutlich abgeschmolzenen Schuldenberg der LWB. 2015 betrug er noch 632 Millionen Euro – fast 20 Millionen Euro weniger als im Vorjahr. Denn der Abbau der Kreditlast geht ja weiter. Auch wenn es nie eine „Null“ sein wird, wie Ute Schäfer betont, die bei der LWB fürs Kaufmännische zuständig ist. Denn wenn ein Unternehmen wie die LWB baut, saniert und instandsetzt, dann passiert das in der Regel über Kredit. Nur steigt der Kreditrahmen natürlich, je mehr Eigenmittel das Unternehmen erwirtschaftet hat. Und je mehr Sicherheiten es bieten kann. Und Sicherheit sind nun einmal die Gebäude und Grundstücke der LWB, die 2015 ein Anlagevermögen von 958 Millionen Euro erreichten.

„Gewissermaßen verwalten wir das Vermögen der Stadt“, sagt Ute Schäfer, Auch wenn es nur ein Teil dieses Vermögens ist. Aber fast 1 Milliarde Euro – das ist schon ein Wert. Und er wird steigen, wenn die LWB wieder stärker baut, saniert und auch kauft. Die Richtmarke für jährliche Investitionen beträgt rund 26 Millionen Euro: So hoch sind die Abschreibungen, die jedes Jahr in den Büchern erfolgen. Ganz planmäßig.

Wenn man genauso viel investiert, wie man jedes Jahr abschreibt, dann bleibt das Anlagevermögen gleich groß, wenn man mehr investiert, wächst es logischerweise.

Was aber, wenn der Altschuldendienst wichtige Investitionsgelder frisst?

Noch ist das der Fall: Über 18 Millionen Euro kostet der Altschuldendienst noch, davon sind freilich über 9 Millionen Euro planmäßige Tilgung, heißt: Der Altschuldenberg schrumpft jedes Jahr um rund 9 Millionen Euro. Es wird also noch bis zu 17 Jahre dauern, bis die alten Lasten endlich getilgt sind.

So gesehen ist es schon ein Erfolg, dass die LWB 2014 und 2015 endlich wieder selber bauen konnten – auch wenn es erst einmal „nur“ die eigene neue Zentrale an der Wintergartenstraße war. Aber der Test geht ja gleich weiter. Denn an der Querstraße bauen ja die LWB – wie angekündigt – seit Jahren erstmals wieder eigene Wohnbebauung. Noch keine Wohnungen im so wichtigen preiswerten Segment. „Unter 8,50 Euro je Quadratmeter ist das heute gar nicht mehr machbar. Und da baut man schon sehr reduziert“, sagt Baubürgermeisterin Dubrau. „Und trotzdem liegt das weit von dem, was sich die meisten Leipziger leisten können.“

Die LWB warten also dringend darauf, dass die sächsische Regierung die Förderrichtlinien für sozialen Wohnungsbau vorlegt. „Darauf warten wir seit Februar“, sagt Dubrau.

Die neue LWB-Zentrale neben dem Wintergartenhochhaus. Foto: LWB, Peter Usbeck
Die neue LWB-Zentrale neben dem Wintergartenhochhaus. Foto: LWB, Peter Usbeck

Dementsprechend kann der Wohnungsbau an der Querstraße auch nur hochwertiger Wohnungsbau sein, nicht ganz preiswert, dafür in einer zentral guten Lage. Rund 8 Millionen Euro will die LWB für die 98 Wohnungen noch 2016 investieren. 2018 sollen sie bezugsfertig sein.

Wesentlich mehr Geld – 11,5 Millionen Euro – fließt in Komplexsanierungen wie die im nunmehr 5. Bauabschnitt im Kreuzstraßenviertel mit 200 Wohneinheiten. 19 Millionen Euro fließen in lauter Einzelmaßnahmen im ganzen Stadtgebiet. Manche davon echte Hingucker, wie das Hochhaus an der Karl-Liebknecht-Straße/Ecke Scharnhorststraße. Das war in den letzten Jahren immer Stiefkind der Entwicklung, die oberste Etage musste wegen Nässe gesperrt werden, etliche Fenster wurden vernagelt, weil sie drohten herauszufallen. Jetzt soll dieses Gebäude in bester Lage endlich saniert werden. Und da hier vor allem Kleinstappartements betroffen sind, verbessert sich auf einen Schlag die Wohnsituation für 100 Wohnungen.

Der Teufelskreis dabei – so Dr. Gabriele Haase – ist immer die Frage: Können sich die Altbewohner die Wohnverbesserung eigentlich leisten? Im Kreuzstraßenviertel hat man den Spagat versucht, die Häuser möglichst mietneutral zu sanieren. Was bei der Bausubstanz (am Ende also der Kaltmiete) teurer wurde, soll sich über Einsparungen bei den Nebenkosten wieder ausgleichen. Das wird bei den unsanierten Häusern an der Brandvorwerkstraße/Ecke Hardenbergstraße schon schwieriger. Die Mieter zahlen hier noch Beträge, wie man sie in anderen Teilen der Südvorstadt nicht mehr findet. Wenn man sie nicht aus dem Stadtteil vertreiben will, muss man mit ihnen gemeinsam die Sanierung und die möglichen Umzüge auch in Übergangswohnungen planen. Aber wirklich warten kann die LWB nicht mehr. „Wir können sonst die Sicherheit der dort Wohnenden nicht mehr gewährleisten“, so Gabriele Haase.

8 Millionen Euro Geschäftsergebnis haben die LWB 2015 erzielt, im Jahr davor waren es 9 Millionen. Das Geld fließt freilich nicht in die Kasse der Stadt, sondern bleibt im Unternehmen, denn als Eigenmittel erhöhen sie die Kreditfähigkeit der LWB natürlich wieder. Und darum wird es gehen, wenn das Unternehmen wirklich in nennenswerten Größenordnungen neue Wohnungen bauen will oder auch kaufen, falls realistische Angebote auf dem Markt auftauchen.

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