Im Grunde gibt es zwei Arten, Politik zu machen - die defensive und die offensive. Mauern bauen, Transitzonen, Abschiebungen, all das gehört (auch wenn der Ton der Verfechter martialisch klingt) zur defensiven Art, Probleme anzugehen: nämlich gar nicht. Man will sie sich einfach vom Leib halten und vermasselt dabei sogar die Chancen, die sie bieten. Wer Chancen wahrnimmt, der ist eher für offensive Politik - auch und gerade in der Flüchtlingsfrage.

Damit haben sich schon eine ganze Reihe von Forschungsinstituten beschäftigt. Einige sehr defensiv – die haben sich dann eher auf Probleme und Kosten fixiert. Für deutsche Wirtschaftsinstitute eigentlich die klassische Haltung: Wenn man immer auf die drohenden Kosten zeigt, hat man zumindest dann immer Recht gehabt, wenn die Sache in die Hosen geht.

Aber es gibt auch die anderen Forschungsinstitute wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Das meldet sich gern mal mit so einem “Ja, aber” zu Wort, wenn die ganzen Schwarzmaler schon alles schwarz gemalt haben, was da anzumalen war, und versucht, die anstehenden Aufgaben als Herausforderung und ökonomische Chance zu analysieren.

Denn anders als in den meisten neoliberalen Weltbildern sind Gesellschaften keine gewaltigen “Kostenblöcke”, sondern selber Teil von ökonomischen Kreisläufen.

Und sie sind offen – auch wenn das einige hartgesottene Politiker in diesen Tagen absolut nicht akzeptieren wollen. Sie leben vom kulturellen und wirtschaftlichen Austausch.

Und auch Menschen, die aus diversen Gründen nach Deutschland kommen, können das Land reicher machen. Wenn man ihnen die Chance dazu gibt und sie nicht als “Problemfall” abwehrt, abspeist und ausschließt.

Darauf wies das DIW nun am Donnerstag, 5. November, recht deutlich hin: Gelingt die Integration der neu nach Deutschland kommenden Menschen, bedeutet dies langfristig einen Gewinn für alle. Das ist das Ergebnis einer Simulation von Ökonomen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).

„Die gegenwärtige Diskussion um Flüchtlinge fokussiert sich meist viel zu sehr auf die Kosten, die der Staat aufwenden muss, um die Menschen die hier ankommen, zu unterstützen. Das ist zu kurz gedacht“, kritisiert DIW-Präsident Marcel Fratzscher. „Selbst wenn viele Flüchtlinge aufgrund fehlender Qualifikationen kurzfristig vergleichsweise schlechte Aussichten am Arbeitsmarkt haben und diejenigen, die den Weg in eine Beschäftigung finden, oftmals unterdurchschnittlich produktiv sind, werden langfristig die positiven wirtschaftlichen Impulse für Deutschland die Kosten übertreffen.“

Der erste Effekt – den die Ost- und Westdeutschen eigentlich aus den wilden 1990er Jahren bestens kennen sollten: Zuerst einmal gibt’s mehr Konsum. Das ist was Gutes. Da kann jeder im Einzelhandel, bei Dienstleistern, Gastronomen und Apotheken nachfragen. Menschen haben Bedürfnisse und geben das Geld, das sie bekommen, umso schneller in der Region wieder aus, je weniger sie (noch) besitzen.

Um ihre Berechnungen durchzuführen, haben Marcel Fratzscher und Simon Junker verschiedene Annahmen zugrunde gelegt. Dazu zählen unter anderem die Zahl der zu erwartenden Migranten, Alter und Erwerbsfähigkeit sowie das Maß ihrer Qualifikation. Neben einem Basisszenario skizzieren die beiden Autoren des Berichts ein optimistischeres und ein pessimistischeres Szenario. Am Ende übersteigt jedoch in allen drei Fällen der Gewinn die anfänglichen Kosten.

„Diejenigen Flüchtlinge, die Arbeit finden, stimulieren die Wirtschaft“, stellt DIW-Präsident Fratzscher fest. „Sie stärken die Angebotsseite, auch indem sie zum Erfolg und den Erträgen der Unternehmen beitragen, und erhöhen gleichzeitig die Nachfrage. Indem sie selbst zu Konsumenten werden, tragen sie zu mehr Investitionen und höheren Einkommen für andere private Haushalte bei.“

Insgesamt wird also das Wirtschaftswachstum steigen, die Frage ist nur, ab wann dies der Fall sein wird.

Logisch: Aller Anfang ist schwer.

Während am Anfang klar die Kosten für den Steuerzahler überwiegen, wird dieser laut DIW-Simulation längerfristig profitieren.

„Selbst im von uns angenommenen pessimistischen Szenario erhöht sich das Pro-Kopf-Einkommen der bereits in Deutschland lebenden Menschen nach gut zehn Jahren. Im günstigeren Fall kann sich der positive Effekt sogar rascher einstellen, möglicherweise bereits nach vier bis fünf Jahren“, sagt Simon Junker, stellvertretender Leiter der Abteilung Konjunkturpolitik am DIW Berlin. „Gelingt es, auch nur einen Teil der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren, zahlt sich die Investition aus.“

Und was muss getan werden?

Nicht nur einige große deutsche Konzerne beschäftigen sich mit der Frage, wie man die ankommenden Menschen aus den Bürgerkriegsländern so schnell wie möglich in Beschäftigung holen kann. Auch kleine Leipziger Unternehmen tun es.

Mit der Schärfung des Bewusstseins für diese positiven Potenziale, die Zuwanderung bringen kann, begann am Donnerstag, 5. November, auch die Zukunftswerkstatt im Leipziger Programm „Mitarbeiter für Verantwortung“. 20 Führungskräfte konzipierten unter der Leitung von IdeenQuartier erste konkrete Lösungsansätze für die effektive Integration von Migranten in die heimische Wirtschaft.

Bereits am 9. Oktober waren die teilnehmenden Führungskräfte zum Auftakt des Programms zusammengekommen. Mit der nun begonnenen Zukunftswerkstatt beginnt auch die konkrete Erarbeitung der Projekte in den Themenkreisen Sprachbarrieren, Arbeitsmarktzugang, Ressentiments in der Belegschaft, interkulturelle Differenzen und Rechtsunsicherheit, welche die Teilnehmer aus Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Kultur an den folgenden Programmtagen bis April 2016 weiterentwickeln wollen.

“Indem die Führungskräfte die Projekte selbst mitentwickeln und mit ihren Unternehmen abstimmen, erreichen wir eine hohe Verbindlichkeit“, erklärt Jörg Müller, Geschäftsführer des IdeenQuartiers und Ideengeber des Programms, das Ziel. Das Thema, wie die ankommenden Flüchtlinge in die Wirtschaft integriert werden können, treibe die Unternehmen natürlich um. Bisherige in Politik und Zivilgesellschaft entwickelte Ansätze klängen vielversprechend.

„Die Unternehmen brauchen aber ihren individuellen Zugang zur Thematik und passgenaue Lösungen. Diese erreichen sie bei ,Mitarbeiter für Verantwortung’“, unterstreicht Müller.

“Der Schlüssel des Programms ist die Teamzusammenstellung jenseits von Berufs- oder Fachgrenzen. Durch die Bündelung verschiedener Problemlösungskompetenzen und Netzwerken entsteht eine außergewöhnliche und schlagkräftige Wissensgemeinschaft, die auch in die Unternehmen und Institutionen der Teilnehmer zurückwirkt“, ergänzt Sabine Willenberg, Strategieberaterin im IdeenQuartier. „Mit unserem Projektpartner Common Purpose konzipieren und managen wir damit ein Programm, das Führungskräfte für eine aktuelle und stadtentwicklungspolitisch hoch relevante Problemstellung sensibilisiert und aktiviert.“

Was also die einheimische Wirtschaft draus macht, hängt von den eigenen Lösungen ab. Da kann man also gespannt sein, was am Ende im Frühjahr 2016 als Ideenpaket auf dem Tisch liegt und umgesetzt werden kann.

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Es gibt 5 Kommentare

Was ist eigentlich mit Ihrem 2. Beitrag Ihrer Serie? Ich warte sehnsüchtig darauf.

Ist doch alles in Arbeit.

Da beide – die L-IZ und meine Wenigkeit – bei jeder Folge unter einen Hut kommen müssen, gab es bei Folge zwei verschiedene Ansichten. Da ich am kürzeren Hebel sitze, muss ich mich den Wünschen der L-IZ beugen. Das ist nicht tragisch, weil dadurch die Weichen für die weiteren Folgen gestellt sind. Es war wichtig den roten Faden zu finden, der dann alle Folgen verbinden wird. Ich bin mir sicher, dass das nun geschehen ist. Heute gegen 01:00 Uhr soll Folge zwei aus meiner Sicht fertig sein. Dann brauche ich noch etwa zwei Tage zum Überarbeiten. Am Mittwoch soll Folge zwei unter der Überschrift “Die Landesrechnungshöfe – Geldverschwendungsmaschinen” an die L-IZ abgehen.

Ach ja, Klaus, was Sie nicht alles wissen und wozu Sie in der Lage sind…

Die genannten Excel-Tabellen haben durchaus hier und da gewisse Angriffsstellen, von denen Sie aber keine einzige erwähnen. Nicht einmal die zwei-drei, von denen ich am ehesten vermutet hätte, dass sie Sie am meisten “stören”. 😉

Was ist eigentlich mit Ihrem 2. Beitrag Ihrer Serie? Ich warte sehnsüchtig darauf.

Wer nicht einmal in der Lage ist zu verstehe, dass die LVB Verluste macht, der ist erst recht nicht in der Lage eine solche Studie einzuschätzen. Dazu muss man sich aber auch mit dieser auseinander setzen. Das DIW kocht auch ausschließlich nur mit Wasser. Es ist meist nicht einmal in der Lage das Wasser so lange zu kochen, bis der Siedepunkt erreicht ist. Scheinbar hat sich das noch nicht genügend herum gesprochen.

Was ist daran schwer, derartige Excel-Tabellen zu lesen? Na gut, etwas von Zahlen und Logik solle man schon verstehen. Mehr bedarf es dazu aber wirklich nicht.

>Ich habe mich mit dieser Studie beschäftigt.

Soso, Sie haben sich also mit diesen Excel-Tabellen beschäftigt und behaupten nun ohne nähere Begründung, die Studie habe mit einer realen Einschätzung nichts zu tun…

Ich habe mich mit dieser Studie beschäftigt. Ich habe dazu auch Personen des DIW angerufen, um ergänzende Informationen zu erhalten. Die Auskunftsbereitschaft war in einen Fall in Ordnung, in zwei Fällen nicht vorhanden.

Diese Studie hat mit einer realen Einschätzung nichts zu tun, Es ist übrigens in diesem Jahr nicht die erste Studie des DIW, die vollkommen neben den Füßen steht. In einer anderen Studie wurde vorgeschlagen privates Kapital verstärkt für kommunale Investitionen in Deutschland einzusetzen. Sogar Herr Gabriel hat das Ergebnis für gut befunden, obwohl es schlimmer gar nicht geht.

Bei der öffentlichen Vorstellung der im Beitrag genannten Studie war auch die Bundeskanzlerin anwesend. Sicher haben alle fein bzw. laut in die Hände geklatscht.

Nein, so leicht kann man die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr für dumm verkaufen. Nicht einmal mehr in den alten Bundesländern. Aber es doch so schön, sich gegenseitig zu beweihräuchern, besonders vor Weihnachten.

Die Auflösung des DIW wäre ein Segen. Dieses Geld könnte dann beispielsweise mit dafür eingesetzt werden, allen bedürftigen Kindern in den Schulen Deutschlands ein kostenloses Mittagessen zu ermöglichen, was längst überfällig ist.

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