Wird am Ende doch noch alles gut? Die Unternehmer in der Region Leipzig jedenfalls scheinen ganz zuversichtlich zu sein, was den ausbildungsfähigen Nachwuchs betrifft. Zumindest, wenn er da ist und auch da bleibt. Aber wie das so ist bei halbierten Ausbildungsjahrgängen: Wirklich sicher ist da für die ausbildenden Unternehmen gar nichts mehr.

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig hat sich auch in diesem Jahr an der bundesweiten Unternehmensbefragung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) zum Thema Ausbildung beteiligt. Und das – naja, mit einer nicht ganz so stattlichen Anzahl von auskunftsfreudigen Unternehmen, die sich online zu ihren Ausbildungsplänen und -motiven äußern konnten. Im IHK-Bezirk Leipzig (Stadt Leipzig, Landkreis Nordsachsen, Landkreis Leipzig) taten dies von 1.363 angeschriebenen Unternehmen 90. Deutschlandweit nahmen 11.129 Betriebe teil.

90 Unternehmen sind nicht wirklich repräsentativ. Was aber einer der Gründe dafür sein könnte, dass die Bauchschmerzen in der Befragung sehr deutlich wurden. Denn wer Probleme hat, Nachwuchs zu finden, ist natürlich besonders geneigt, sich an so einer Befragung zu beteiligen.

“Das Stimmungsbild, das uns die diesjährige Befragung vermittelt, bestätigt erneut wichtige Kernaussagen der vergangenen Jahre“, erklärt Dr. Thomas Hofmann, Hauptgeschäftsführer der IHK zu Leipzig, zum Befragungsergebnis. “Hauptgrund für die Ausbildung im eigenen Betrieb ist und bleibt für fast alle antwortenden Unternehmen die Sicherung des Fachkräftebedarfs. Aber wieder konnten knapp zwei Drittel nicht alle Ausbildungsplätze besetzen. Die Unternehmen stellen sich auf das verringerte Bewerberangebot ein und reagieren mit verbessertem Ausbildungsmarketing, mehr Praktikumsangeboten und öffnen sich neuen Zielgruppen wie Studienabbrechern oder lernschwächeren Schülern. Einige Aussagen der Unternehmen haben sich hingegen verschärft oder sind neu hinzugekommen.“

Zumindest bei der Ausbildungsreife hat sich in diesem Jahr ein positiver Aspekt herauskristallisiert: Fast alle Unternehmen bescheinigten den Jugendlichen Teamfähigkeit. Nur 4,5 Prozent von ihnen mangelte es beim Nachwuchs daran.

Kritisch bleibt es in anderen Bereichen: Bei Leistungsbereitschaft und Motivation heutiger Schulabgänger stellen 57,3 Prozent der Unternehmen nach wie vor Mängel fest, ebenso beim Ausdrucksvermögen (44,9 Prozent) sowie bei der Belastbarkeit (40,5 Prozent).

Man ahnt so ein wenig, wo da die Schwachstellen in der Schule liegen könnten. Und das ist ganz bestimmt nicht ein fehlendes Fach Wirtschaftskunde.

Aber eine echte Reform des sächsischen Schulsystems steht ja derzeit nicht auf der Agenda. Das ist tragisch genug, gerade weil die sächsische Wirtschaft derzeit eigentlich alle ausbildungsfähigen jungen Leute braucht, die die Schule verlassen.

Denn im eigentlichen Ausbildungsmarkt hat sich der Wind schon lange gedreht.

So hat sich augenscheinlich 2015 auch weiter der Trend verstärkt, dass Jugendliche vermehrt ihren Ausbildungsplatz nicht antreten. Ein Drittel der antwortenden Unternehmen – mehr als im Vorjahr (18,2 Prozent) – konnten deshalb im Jahr 2014 Ausbildungsplätze nicht besetzen. Ein deutliches Zeichen dafür, dass die Schulabgänger mit einigermaßen vernünftigen Schulabschlüssen heute die Wahl haben und die Chance auch nutzen, sich gleich bei mehreren Unternehmen um eine Ausbildung zu bewerben. Am Ende nehmen sie dann wohl das aus ihrer Sicht bessere Angebot.

Problematisch sei auch, betont die IHK, dass bei fast einem Drittel der Unternehmen (29,6 Prozent) der Ausbildungsvertrag von den Auszubildenden nach Beginn der Ausbildung aufgelöst wurde.

Aber noch deutlicher leiden die ausbildenden Unternehmen im Jahr 2015 darunter, dass tatsächlich kein Bewerber auf ihre Angebote reagiert. Und wenn, erfüllten die Bewerbungen nicht die nötigen Mindestvoraussetzungen: Am häufigsten – bei 40,7 Prozent der antwortenden Unternehmen – lag der Grund für die Nichtbesetzung darin, dass keine geeigneten Bewerbungen vorlagen.

Und dann ist da ja noch ein Kummer, den die Kammern und Unternehmerverbände seit einiger Zeit mit sich herumtragen: die Angst, dass die jungen Leute lieber studieren, als eine Lehre zu machen.

“Akademisierungstrend” nennen sie es – fälschlicherweise. Aber danach gefragt, was sie selbst machen, damit die Berufliche Bildung für Jugendliche den gleichen Stellenwert wie ein Studium erhält, antworteten 60,3 Prozent der Unternehmen, dafür die Karriereoptionen im Unternehmen deutlich zu machen. Fast die Hälfte (46,6 Prozent) gestaltet die Vermittlung der Ausbildungsinhalte noch attraktiver und 27,6 Prozent suchen den Kontakt zu Schulen.

Aber aus Sicht der Mehrzahl der Unternehmen (87,9 Prozent) ist es dafür ebenso wichtig, dass auch an Gymnasien über die Chancen einer dualen Berufsausbildung informiert und diskutiert wird. Für 65,5 Prozent der Unternehmen können Elternabende an Gymnasien dazu beitragen, dass die berufliche Bildung für Jugendliche den gleichen Stellenwert erhält wie ein Studium. Auch den Start von Imagekampagnen bzw. das Hervorheben guter Karriereperspektiven und Verdienstmöglichkeiten der Beruflichen Bildung sehen Unternehmen als Beitrag an, der geleistet werden kann.

Was aber an der Tatsache nichts ändert, dass die frühe Trennung von Schülern in Gymnasien und Mittelschulen (seit einiger Zeit in Sachsen Oberschulen genannt) dazu geführt hat, dass die Gymnasien zur sächsischen Regelschule geworden sind und die Mittelschulen mit einem schlechten Image zu kämpfen haben. Eine echte Schulreform, die wieder ein längeres gemeinsames Lernen und mehr echte Praxisanteile ermöglicht, ist in Sachsen überfällig. Nur so können Kinder einen großen Teil ihrer Fähigkeiten tatsächlich entfalten und in wesentlich leistungsstärkeren Klassen auch lernen, was wirklich Wettbewerb ist. Beides Dinge, die die heutige sächsische Mittel-Oberschule nicht erfüllt. An der Zweitsprache liegt es nämlich nicht. Dafür zum großen Teil an einer systematischen Desillusionierung all der Schüler, denen ihr Elternhaus keinen Turbo fürs Leben mitgegeben hat.

Ein wenig zielt der Appell der IHK dann auch in diese Richtung, wenn diese an die Bildungsträger gewandt fordert:

– An frühzeitiger und praxisnaher Berufsorientierung konsequent festhalten: Sie ist die Grundlage für dauerhafte Partnerschaften zwischen Wirtschaft und Schule und unverzichtbar, um gegen mangelnde Ausbildungsreife, unklare Berufsvorstellungen sowie vorzeitige Ausbildungsabbrüche vorzugehen.

– Die Chancen der dualen Berufsausbildung als Alternative zum Studium insbesondere bei Gymnasiasten stärker kommunizieren: Die duale Ausbildung ist die bewährte Quelle für den Fachkräftenachwuchs in Deutschland. Sie garantiert hochwertige, bundesweit einheitliche berufliche Qualifizierung. Ihr Plus: Die Nähe zur Wirtschaft und zum praktischen Berufsalltag von Anfang an. Eine duale Berufsausbildung bietet attraktive Aufstiegswege und öffnet viele Türen, z. B. über einen Fortbildungsabschluss auch den Weg zum Hochschulstudium. Angesichts der nach wie vor hohen Studienabbruchquote sollten auch Gymnasiasten diese Vorteile kennen und wissen, dass verkürzte Ausbildungszeiten oder Kooperative duale Studiengänge interessante Optionen für sie sind.

Von den Jugendlichen fordert die IHK mehr Fairness bei den Bewebungen. Aber das ist immer erst das Problem am Ende. Wirklich gelöst werden müssen die Probleme am Anfang, direkt im Bildungsbereich. Ansonsten bietet die IHK eine Vielzahl von Services, Projekten und Veranstaltungen, um bei der Berufsorientierung zu helfen, für das duale Ausbildungssystem zu werben, zwischen Unternehmen und Jugendlichen zu vermitteln etc.

Schon jetzt finden Jugendliche in der Lehrstellenbörse der IHK zu Leipzig unter www.leipzig.ihk.de/lehrstellenboerse für das Ausbildungsjahr 2016 rund 650 offene Angebote in Unternehmen der Wirtschaftsregion Leipzig.

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Mit Verwunderung lese ich ” … mehr Fairness der Jugendlichen bei der Bewerbung …” Also mein Kind erlebte das Gegenteil: nach 6 Wochen gefeuert, weil der Zweite Azubi besser war.
Nun bin ich nicht mehr ganz so auf dem Laufenden: die Ausbildungsentgelte sind wohl immer noch so niedrig, dass mancher Jugendlicher lieber weiter sucht und günstigenfalls den schlechten Vertrag nicht wahrnimmt.
Zu guter Letzt noch: welcher Ausbilder, der händeringend sucht, geht jedes Jahr in die 8. oder 9. Klassen der Realschulen und wirbt für sich, wer holt sich den Jugendlichen dann 1, 2 Wochen im Sommer, um sie an sich zu binden, indem er ein Vertrauensverhältnis aufbaut? Da hätte er mehr Erfolg, als dass die IHK sein Geld verplempert auf Ausbildungsmessen usw. Welcher Ausbilder immer nocht wartet, dass ihm die Azubis zufliegen, hat eben auch die Zeichen der Zeit verpasst.

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