Kleine Brücke, große Folgen, könnte man sagen. Die 1912 gebaute Brücke, die die Alte Messe im Verlauf der Straße des 18. Oktober mit dem Wilhelm-Külz-Park und dem Völkerschlachtdenkmal verbindet, ist marode und soll ab 2016 durch eine Fußgänger-/Radfahrerbrücke ersetzt werden. Seit über zehn Jahren ist sie so desolat, dass sogar die Wasserleitung verlegt werden musste. Sie hing vorher unter der Brücke, wie das bei vielen Leipziger Brücken üblich ist.

Aber es ist keine ganz normale Wasserleitung, die hier verläuft. Hauptversorgungsleitung 2 heißt die Leitung im Sprachgebrauch der Leipziger Wasserwerke, kurz: HVL 2.

Sie ist eine von vier Hauptversorgungsleitungen, die vom Wasserwerk Probstheida aus fast das gesamte Stadtgebiet erschließen und mit Trinkwasser versorgen. Man sieht’s auch am Durchmesser der Rohre: 800 Millimeter oder 80 Zentimeter. Auf der Brücke zum Wilhelm-Külz-Park liegt die Leitung seit Jahren oberhalb der Brücke. Die Brücke selbst ist so marode, dass die Aufhängung der Leitung unter der Brücke nicht mehr sicher war.

Die HVL 2 führt über das Messegelände durch das Innere der Stadt am Zentralstadion vorbei bis nach Gohlis. Das Trinkwasser, das die Gohliser bekommen, ist weit gereist.

Seit Jahren provisorisch auf die Brücke gelegt: Hauptversorgungsleitung 2 der Wasserwerke Leipzig. Foto: Ralf Julke
Seit Jahren provisorisch auf die Brücke gelegt: Hauptversorgungsleitung 2 der Wasserwerke Leipzig. Foto: Ralf Julke

Doch die Fußgängerbrücke, die die Stadt Leipzig ab 2016 bauen will, eignet sich auch nicht, um darunter so eine große Wasserleitung aufzuhängen. Was tun? Seit 2008 laufen deshalb schon die Planungen, um die Hauptversorgungsleitung neu zu verlegen. Damals noch mit einer Vorzugsvariante einer Dükerleitung unter dem Verlauf der Brücke, berichtet Ines Gleim, die die Bauplanung seitdem begleitet hat und jetzt für die Bauüberwachung zuständig ist. Doch die Dükerung direkt unter der Brücke erwies sich als nicht umsetzbar. Was auch mit den Anlagen der Deutschen Bahn zu tun hat. Bestimmte Bauwerke wie Masten und Weichen dürfen nicht direkt über so einer Leitung stehen.

Da musste also völlig umgeplant werden. “Was  gar nicht so einfach war”, erzählt Ines Gleim. Am Ende fand man eine nutzbare Trasse 30 Meter südlich der Brücke, reichte 2013 alle Genehmigungsunterlagen bei der Bahn ein. Die prüfte gründlich. Nach einem Jahr gab’s die Genehmigung. 2014 konnte das Projekt ausgeschrieben werden und eine Untersuchung auf mögliche Kampfmittel wurde durchgeführt.

Den Baugrund hatte man schon 2009/2010 untersucht. Es ist der übliche Leipziger Untergrund: eine Menge Kies, abgelagert in einer der vielen Eiszeiten, die aber auch noch andere Überraschungen nach Leipzig brachten. Findlinge, von denen man nie weiß, ob sie beim Tunnelbohren unter Leipzig in die Quere kommen oder nicht.

Den Zuschlag, die 150 Meter lange Leitung unter die Erde zu bringen, bekam die Firma Echterhoff, die auch in Dessau eine ostdeutsche Niederlassung unterhält und sich mit der Untertunnelung von allerlei Geländen – gern auch mal der Elbe oder der Spree – bestens auskennt. Das Leipziger Projekt ist für die Firma eher ein kleines, gut überschaubares. Auch wenn Rainer Süßmann, Prokurist der Firma, über den hohen Überwachungsaufwand staunt, den sich die Auftraggeber bestellt haben. Aber ein Teil des Aufwands geht auf die Bahn zurück, die gern über alles informiert sein will, was an und unter ihren Gleisen passiert. “Deswegen betreiben wir auch ein Extra-Messsystem, das jede kleine Abweichung an den Gleisen registriert”, sagt Ines Gleim. “Das wird sofort an die Bahn gemeldet, die auch umgehend reagiert, wenn sich Veränderungen ergeben sollten.”

Dabei ist man sicherheitshalber mit dem Tunnel auch noch deutlich unters Niveau der S-Bahn-Gleise gegangen: 3,70 Meter beträgt der Abstand zwischen Gleisen und Tunnelröhre.

Für die Wasserwerke Leipzig ist das 2,7 Millionen Euro teure Tunnelprojekt freilich etwas Besonderes, betonte Dr. Ulrich Meyer, der Technische Geschäftsführer der Kommunalen Wasserwerke Leipzig, am Mittwoch, als man die Leipziger Medien zum Baustellenbesuch einlud. Gebaut wird schon seit März. Auf beiden Seiten der S-Bahn-Strecke wurden tiefe Schächte in den Boden gegraben, 16 Meter tief der Schacht am Wilhelm-Külz-Park, 12 Meter tief der auf dem Gelände der Alten Messe.

Maschinist im Führerstand der Vortriebsmaschine. Foto: LVV / KWL
Maschinist im Führerstand der Vortriebsmaschine. Foto: LVV / KWL

Anlass der Einladung war der Beginn des Tunnelvortriebs. Dazu hat die Firma Echterhoff eine kleine Vortriebsmaschine in den Schacht gelassen. Am Mittwoch steckte sie schon die ersten Meter tief im 1,80 Meter durchmessenden Tunnel. Akrobatisch mussten da auch die Fotografen sein. Denn mit der Leipziger Tunnelbohrmaschine “Leonie” ist das Gerät nicht wirklich vergleichbar. Der Maschinist steuert die Maschine aus einem Sitz praktisch gleich hinter dem Bohrkopf, der sich durch das weiche Bodenmaterial gräbt. Der ausgefräste Kies wird per Schnecke auf ein Förderband gleich hinter der Vortriebsmaschine verfrachtet und von da mit einer kleinen Elektrolok zum Kran befördert.

Aber da sich die ganzen technischen Geräte in der Vortriebsmaschine befinden, müssen der Maschinist und der für die Transporte zuständige Kollege schon ein bisschen turnbegabt sein. Der Vorteil dieses Maschinentyps: Man sieht, durch welches Bodenmaterial man sich vorarbeitet und kann reagieren, wenn doch mal ein Findling auftaucht. “Und wenn’s ein großer von – sagen wir mal zwei Metern Durchmesser ist – dann müssen wir mit dem Presslufthammer ran”, sagt Süßmann. Und hofft, dass das nicht passiert, denn der Zeitplan ist eng bemessen. Am 1. Juli will man mit der Vortriebsmaschine direkt unter den Gleisen der S-Bahn sein. “Genau dann hat die Bahn hier eine Langsamfahrstrecke eingerichtet”, sagt Gleim.

Wenn alles wie geschmiert läuft, will man am 17. Juli den Schacht auf der Ostseite erreichen.

Die Stahlrohre von 1,72 Meter Durchmesser, die später die Hauptversorgungsleitung aufnehmen, werden direkt hinter der Vortriebsmaschine in die frisch gebohrte Tunnelröhre geschoben. Damit’s gleitet, wird dabei ein  Ton-Sand-Gemisch zwischen Rohr und Bodenumgebung geschoben. “Hinterher wird der Zwischenraum dann mit einem Betongemisch versteift”, sagt Süßmann. Die Rohre selbst werden mit Edelstahlmanschetten ummantelt. Riesige Hydraulikpressen schieben die Rohre in den Schacht.

Blick in den Schacht mit dem Ende der Vortriebsmascine (oben) und dem starken Hydrailikgestänge, das die Stahlrohre in die Tunnelbohrung schieben wird. Foto: Ralf Julke
Blick in den Schacht mit dem Ende der Vortriebsmascine (oben) und dem starken Hydraulikgestänge, das die Stahlrohre in die Tunnelbohrung schieben wird. Foto: Ralf Julke

Und wenn der Tunnel aus Stahlrohren dann fertig ist, können auch die richtigen Wasserrohre verlegt werden. Die sind nicht so stark wie das im Innendurchmesser 140 Zentimeter dicke Stahlrohr, sondern haben die für eine Hauptversorgungsleitung üblichere Stärke von 80 Zentimetern. Allein auf der Seite der Alten Messe überwindet das Rohr künftig einen Höhenunterschied von 7 Metern, findet dort auch wieder Anschluss an die Hauptversorgungsleitung. Auf der Seite des Wilhelm-Külz-Parks ist der Höhenunterschied noch um 4 Meter größer. Die beiden jetzigen Bauschächte werden nach Ende der Tunnelarbeiten noch in reguläre betonierte Arbeitssschächte umgebaut, über die die Techniker der Wasserwerke jederzeit Zugang haben zur Kontrolle der Leitung.

Da auch Baufachleute zum Ortstermin eingeladen waren, gab es auch die etwas freche Frage, wie die Firma Echterhoff denn eigentlich den Schacht auf der anderen Seite treffen wolle. Aber die Vortriebsmaschine ist mit soviel Überwachungstechnik und entsprechender Lasersteuerung ausgestattet, dass das Ziel eigentlich nicht verfehlt werden dürfte. In der Höhe darf es maximal eine Abweichung von 5 Zentimeter geben, in der Horizontale maximal um 20 Zentimeter.

Im Mai 2016 wollen die Wasserwerke mit dem kompletten Projekt fertig sein.

Dann kann die Stadt die alte Brücke demontieren und mit dem Bau der geplanten neuen Fußgängerbrücke beginnen.

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