Frieren sollen die Leipziger nicht. Auch nicht, wenn's mal knackekalt wird. Immer mehr werden direkt über das Fernwärmenetz der Stadtwerke Leipzig versorgt. Die haben jetzt wieder in ein Stück Technik investiert, um die Fernwärmeversorgung zu verbessern: 4,7 Millionen Euro für zwei neue Heißwassererzeuger. Am Dienstag, 23. Juni, schwebten die Kolosse ein. Na ja, der Regen kam ein bisschen dazwischen.

Die angekündigten Sturmböen hatten schon dafür gesorgt, dass der eindrucksvolle Akt um anderthalb Stunden verschoben werden musste.

Bereits in den Morgenstunden waren die beiden neuen Heißwassererzeuger auf ihrem Tieflader – aus Köthen kommend – in der Eutritzscher Straße angekommen. Ihr Ziel: Das ehemalige Kesselhaus der Stadtwerke, 1905 erbaut, damals noch für das rußige Kohlezeitalter. Nach 1990 wurde der alte Inhalt weitgehend ausgeräumt. 1993 kamen zwei neue Heizkessel rein, die aber noch mit Dampf arbeiteten. Wirkungsgrad: 80 Prozent. Also – von der Warte moderner Technik her betrachtet – eher Energieschlucker.

Die neuen Heizkessel aus Köthen –  zwei 75 Tonnen schwere Kolosse – sind wesentlich effizienter. Lieferant der beiden Super-Kessel ist die VKK Standardkessel – ein Komplettanbieter für Kesselsysteme sowohl für die kommunale als auch die industrielle Energieversorgung.

Hier sind mal beide Heizkessel im Bild: Einer schwebt überm Dach des Kesselhauses, einer liegt noch auf dem Tieflader. Foto: SWL
Hier sind mal beide Heizkessel im Bild: Einer schwebt überm Dach des Kesselhauses, einer liegt noch auf dem Tieflader. Foto: SWL

„Bei den Heißwasserkesseln handelte es sich um zwei Doppel-Flammrohrkessel in Dreizug-Bauweise mit außenliegender, gekühlter Rohrkammer“, erklärt Lars Velde, Geschäftsführer der VKK Standardkessel. “Dabei erzielen wir einen thermischen Wirkungsgrad von 97 Prozent, bei einer sehr hohen Verfügbarkeit von 99,5 Prozent und gleichzeitig niedrigen Emissionswerten.“

Das traditionsreiche mittelständische Unternehmen ist der Technologieführer im Bereich Großwasserraumkessel mit hoher Leistung und wurde im Jahr 2011 als erstes Branchenunternehmen mit dem Herkunftsnachweis „Made in Germany“ durch den TÜV Nord zertifiziert.

Sieben Meter hoch ist jeder Kessel, rund zehn Meter lang, 4,3 Meter im Durchmesser. Damit passen die Anlagen zwar ins vorhandene Kesselhaus. Aber dafür fand der Tieflader keinen Platz, um von der Eutritzscher Straße aus direkt ins Kesselhaus fahren zu können. Das wäre eigentlich der direktere Weg gewesen – aber dafür hätte ein Teil des Gebäudes abgerissen werden müssen.

Also wurde die Firma Thönen bestellt, die mit ihren riesigen Kränen Erfahrungen hat mit solchen schweren Teilen.

Ein 900-Tonnen-Raupenkran musste ran, um die beiden 75-Tonnen-Kessel übers Dach ins Kesselhaus zu hieven. Ein Kraftakt, der auch seine Grenzen hat. Wenn der Wind zu stark bläst, darf der Kran nicht arbeiten. Deswegen war das Kranpersonal mehr als nervös, als am Dienstagmittag wieder schwarze Wolken aufzogen, der Fototermin für die Presse aber minutengenau starten sollte. Aber jede Minute konnte darüber entscheiden, ob die Aktion abgebrochen werden musste. Der erste Regenschauer war schon durch. Die Sonne guckte durch die Wolken. Noch einmal wurde hin und her telefoniert, die Journalisten hatte man eh 100 Meter ab vom Brennpunkt geparkt, damit sie gar nicht erst in den Gefahrenbereich gerieten.

Der Kessel schwebt überm Dach - der Regen sorgt für Spannung. Foto: Ralf Julke
Der Kessel schwebt überm Dach – der Regen sorgt für Spannung. Foto: Ralf Julke

Selbst das Anheben der 75-Tonnen-Fracht brauchte seine Zeit, das langsame Schwenken des Krans mit seinen gewaltigen Ausgleichsgewichten brauchte wieder wertvolle Minuten. Da konnte dann auf die nächste Regenhusche keine Rücksicht mehr genommen werden. Als die Tropfen aufs für die Medien bereitgestellte Zelt prasselten, hing der erste Heizkessel 30 Meter über dem Pflaster in der Luft. Da war an einen Stopp nicht zu denken, und so drehte der Kran seine Last übers Dach, während der Regen rauschte, und senkte sie langsam über die ins Dach gefräste Luke, als ein richtig schönes Sommergewitter niederging.

Gegen 12.30 Uhr war dann der erste Kessel in seinem neuen Domizil angekommen. Den Rest des Tages hatten die Thönen-Leute zur Verfügung, Gleiches noch mit dem zweiten Kessel zu tun.

Im Kesselhaus werden beide Apparate an das Heißwasserverbundnetz angeschlossen und erhitzen mit Gasbefeuerung künftig Wasser von 55 °C auf maximal 130 °C. Mit dieser Temperatur geht das Wasser dann in die Fernwärmeleitungen und sorgt dafür, dass es in den angeschlossenen Gebäuden schnell richtig warm wird.

„Damit können die Heißwassererzeuger vor allem bei niedrigen Außentemperaturen im Winter sehr schnell und effizient je 35 MW zusätzliche Wärmekapazität bereitstellen und rein rechnerisch rund 14.000 Wohnungen mit komfortabler Fernwärme versorgen“, erklärt dazu Karsten Rogall, Geschäftsführer der Stadtwerke Leipzig.

Der Kessel hat seine Position über der Dachöffnung erreicht und macht sich ans Abtauchen. Foto: Ralf Julke
Der Kessel hat seine Position über der Dachöffnung erreicht und macht sich ans Abtauchen. Foto: Ralf Julke

Schon vor einigen Wochen ragte ein Kran weit über das Gelände der Stadtwerke. Um Platz für die neuen Anlagen zu schaffen, wurden die zwei alten Dampfkessel demontiert. Diese stammten noch aus der Zeit vor der Dampfnetzablösung in den 90er Jahren, Baujahr 1993, und wurden für die Absicherung der Fernwärmeversorgung immer noch vorgehalten. Zuletzt hing zum Beispiel das Stadtbad noch an diesen Kesseln.

Die Nachnutzung des alten Standortes bietet einige Vorteile, betonen die Stadtwerke. So kann nicht nur die bauliche Hülle genutzt werden, sondern auch die gesamte Infrastruktur, vom Strom- und Gasanschluss bis zur Leittechnik. Auch die Steuerung über den Leitstand und die Wartung kann von den Mitarbeitern auf dem Gelände übernommen werden. Aber das Wichtigste ist: Die Anbindung an das Fernwärmenetz ist vorhanden und die Wärme wird gleich in der Nachbarschaft zu den Gebieten erzeugt, wo sie benötigt wird: Im Zentrum sowie im Norden der Stadt, in Eutritzsch und Gohlis.

Neben dem Heizwerk auf dem Gelände der Gas- und Dampfturbinenanlage in der Eutritzscher Straße betreiben die Stadtwerke Leipzig zwei weitere Heizwerke in Kulkwitz und Nordost. 2014 stockte das Unternehmen seine Wärmekapazität auch im Heizwerk Nordost mit einem zusätzlichen Heißwassererzeuger gleicher Bauart auf. Auch diesen lieferte VKK Standardkessel aus Köthen.

„Unser Ziel ist es, die Leipziger unter allen Umständen sicher versorgen zu können – egal, wie kalt es ist, und egal, welches technische Problem gerade bei den tiefsten Minusgraden an einer anderen Versorgungsanlage gelöst werden muss“, betont Karsten Rogall die Gründe für die Investition in die Wärmeversorgung, die nun in ganz Leipzig dem Stand der Technik entspricht.

Aber auch den nötigen Reservespeicher für die Fernwärme haben die Stadtwerke inzwischen modernisiert: Bereits 2014 errichteten sie moderne Wärmespeicher auf ihrem Gelände in der Arno-Nitzsche-Straße mit einem Volumen von 3.000 Kubikmeter und einem Speichervermögen von 225 MWh thermischer Energie. Die Stadtwerke Leipzig gehörten mit dem Bau dieser Anlage mit zu den ersten großen Stadtwerken in Deutschland, die in diese Zukunftstechnologie investiert haben und sich so den Herausforderungen der Energiewende stellen.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar