Der Erfolg eines Wirtschaftsstandorts hängt nicht nur davon ab, ob Politiker schöne Reden über Wirtschaft halten oder an irgendwelchen Steuerschrauben drehen. Damit sich Unternehmen wohlfühlen, müssen eine ganze Reihe Rahmenbedingungen stimmen. Dazu haben jetzt nach 2009 zum zweiten Mal die Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern der Regionen Halle und Leipzig Unternehmen in 26 ausgewählten Städten Mitteldeutschlands befragt. Wie steht es um ihre Standortzufriedenheit?
Dabei waren jeweils 36 Standortfaktoren aus den Bereichen Infrastruktur, Bildung/Arbeitsmarkt, Gewerbeflächen/-immobilien, Energieversorgung, kommunale Steuern und Abgaben, Unternehmensfreundlichkeit der Verwaltung sowie „weiche“ Faktoren wie Image der Stadt, Einkaufsmöglichkeiten, Angebote zur Kinderbetreuung und andere hinsichtlich ihrer Wichtigkeit und Zufriedenheit zu bewerten. 1.309 Unternehmen, darunter 737 aus der Region Leipzig, beteiligten sich daran.
„Für die jeweiligen Stadtverwaltungen und die Vertreter der Kommunalpolitik ist diese Analyse ein wichtiges Strategiepapier für ihre künftige Arbeit. Es lassen sich Handlungsempfehlungen ableiten, um die örtlichen Rahmenbedingungen noch wirtschaftsfreundlicher zu gestalten und die Qualität der Gemeinde als Unternehmensstandort weiter zu verbessern. Sie gibt den Entscheidungsträgern Anhaltspunkte, Defizite zu beseitigen und sich im Standortwettbewerb besser aufzustellen“, erklärt Wolfgang Topf, Präsident der IHK zu Leipzig.
„Die Attraktivität einer Wirtschaftsregion hängt maßgeblich von der Qualität der Standortfaktoren ab. Günstige Standortfaktoren beeinflussen nicht nur Ansiedlungsvorhaben und Investitionsentscheidungen positiv, sie wirken auch Abwanderungstendenzen, Produktionsverlagerungen und Betriebsschließungen entgegen. In Zeiten eines zunehmenden Wettbewerbs sind sie erfolgsbestimmend“, ergänzt Claus Gröhn, Präsident der Handwerkskammer zu Leipzig.
Die Ergebnisse für die 13 Städte in der Region Leipzig sind recht aufschlussreich. Denn Vieles, was einige Politiker gern als wichtig behaupten, ist es gar nicht. Anderes dafür schon mehr.
Die Hitliste: Welche Standortfaktoren sind den Unternehmen am wichtigsten?
- Breitbandanbindung/High-Speed-Internet
- Versorgungssicherheit bei Energie
- allgemeine Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit
- Strompreise
- regionale und überregionale Erreichbarkeit
- Höhe der Gewerbe- und Grundsteuern
“Da für die operative Tätigkeit vieler Unternehmen eher unwichtig, finden sich Faktoren wie Nähe zu Hochschulen/Forschungseinrichtungen sowie zu Schulen/Gymnasien als auch Sondernutzungsgebühren am Ende der Wichtigkeitsrangfolge wieder”, schätzen die Kammern ein. Was den Blick auf eine andere falsche Blickweise auf “Wirtschaft” lenkt: Dass Unternehmen immer kurzfristig und langfristig denken müssen. Operativ – das ist kurzfristig, das ist das Abarbeiten der Aufträge heute und jetzt. Da muss es flutschen, müssen alle Prozesse optimal laufen.
Aber die Umfrage zeigt auch, dass das langfristige Planen – die Strategie – bei vielen Unternehmen augenscheinlich zu kurz kommen, als nicht so wichtig angesehen werden. Es gibt viele, die sich so auch öffentlich äußern und entsprechend Politik machen. Zum Schaden des Standorts. Denn strategische Nicht- oder Fehlentscheidungen sorgen dafür, dass das operative Geschäft morgen in die Binsen geht.
Zur Strategie gehört zum Beispiel:
- Personalmanagement
- Nachwuchs (deswegen ist Bildungspolitik ein 1A-Thema)
- Weiterbildung
- Investition (und entsprechende Förderprogramme)
- Forschung (mit Anbindung an Hochschulen)
- Arbeitskräftesicherung auch durch Familienkompatibilität
Woran liegt es aber, dass das kurzfristige Denken so über das strategische Denken dominiert? Liegt es an der Struktur der befragten Unternehmen? – Das liegt nahe. Es kommt einem vertraut vor in all den immer gleichen Leipziger Diskursen, in denen immer wieder dieselben Themen als “wichtig” erscheinen, obwohl sie nur für ein Segment der Wirtschaft wirklich so wichtig sind, während viele Unternehmen – und zwar gerade die, die strategisch arbeiten wollen – kein Gehör finden. Auch nicht in der Politik, die sich gern so wirtschaftsaffin gibt, aber immer dann, wenn es um Wirtschaftsprogramme geht, die Hürden für strategische Investitionen so hoch legt, dass die Prozesse entweder elend lange dauern bis zu Umsetzung, oder nur “Peanuts” tröpfeln, die für strategische Investitionen schlicht nutzlos sind.
Und so ist es dann auch mit den Standortfaktoren.
Die Unternehmen, die nur von Tag zu Tag denken und das Kurzzeitdenken kultiviert haben, haben andere Prioritäten als die strategisch arbeitenden Unternehmen.
Was aber passiert, wenn die erste Kategorie bei jeder Umfrage die Mehrheit bildet und damit die – scheinbare – Prioritätensetzung dominiert? Sie bekommt natürlich, was sie will. Und ist doch nicht zufrieden, wenn man die nun wirklich überflüssige Diskussion zum neuen STEP Verkehr der Stadt denkt. Denn gerade hier ist die Standortzufriedenheit am größten.
Die Hitliste in der Standortzufriedenheit:
1. regionale und überregionale Erreichbarkeit
2. Naherholungsmöglichkeiten
3. Versorgungssicherheit bei der Energie
4. Einkaufsmöglichkeiten
5. Umweltqualität
“Der als sehr wichtig erachtete Faktor Strompreise belegt jedoch den letzten Platz bei der Rangfolge der Zufriedenheit”, stellen die Kammern fest. “Weitere Standortfaktoren, mit denen die Unternehmen eher unzufrieden sind, besitzen in Form von Steuern, Gebühren und Abgaben eine gewisse Kostenrelevanz – so etwa die Höhe der Grund- und Gewerbesteuer sowie die Gebühren für Wasser, Abwasser und Abfall. Aufgrund der zunehmenden Probleme der Unternehmen bei der Nachwuchsgewinnung und Fachkräftesicherung erhalten auch die Faktoren Verfügbarkeit von Facharbeitern, Meistern und Auszubildenden sowie die Ausbildungsreife der Schulabgänger eine unbefriedigende Bewertung.”
Welche Standortfaktoren haben sich gegenüber 2009 verbessert bzw. verschlechtert?
1. Den größten Sprung nach oben in der Zufriedenheitsrangfolge im Vergleich zu 2009 hat das Image der Gemeinde gemacht (+ 6 Ränge).
2. Ebenfalls verbessert hat sich die Zufriedenheit mit der Verfügbarkeit von Parkplätzen/Anlieferzonen (+5 Ränge) und
3. mit der Erreichbarkeit der öffentlichen Verwaltung und
4. mit deren Unternehmensbetreuung (jeweils +4 Ränge)
Und dann kommen die Leipziger Unternehmer, so wie sie sind, ins Bild. Sie setzen zwar strategisch nicht so die richtigen Prioritäten. Aber wenn es dann im operativen Geschäft auf einmal auffällt, dass es hakt, dann zeigt sich das in ausgesprochenem Missmut:
“In der Rangfolge deutlich verloren hat dagegen die Zufriedenheit mit der Breitbandanbindung (-7 Ränge). Auch die Verfügbarkeit von Gewerbeflächen/-immobilien, die Angebote zur Kinderbetreuung sowie die Verfügbarkeit von Hochschulabsolventen sind in der Zufriedenheitsrangfolge abgestiegen (jeweils -5 Ränge).”
Sind ja alles keine neuen Themen. Aber irgendwie scheint man zwar “die Politik” als großen Dienstleistungsbetrieb zu betrachten, aber wenn die zu kämpfen hat (weil die in Dresden gar nicht einsehen, was die in Leipzig eigentlich wollen), dann steht “die Politik” vor Ort schnell unter Beschuss.
Aber immerhin positiv zu sehen, dass es genau die Felder sind, auf denen die Stadt sich bemüht, auf die Beine zu kommen, die auch der Wirtschaft zumindest Unbehagen bereiten.
Denn Fakt ist nun nach 24 Jahren “Boomtown” auch: Die Region hat tatsächlich gute Standortbedingungen – und zwar bessere als im sonstigen mitteldeutschen Raum.
Das Fazit der Leipziger Wirtschaftskammern: “Insgesamt sind die Unternehmen der Region Leipzig mit den Standortbedingungen vor Ort durchaus zufrieden. Immerhin werden 35 der 36 untersuchten Standortfaktoren besser bewertet als im mitteldeutschen Durchschnitt. Am höchsten ist die positive Abweichung beim Image der Stadt, gefolgt von der Kaufkraft/dem Absatzpotenzial vor Ort, den Freizeit-, Kultur- und Sportmöglichkeiten sowie den Angeboten des ÖPNV.”
Alles sogenannte “weiche Standortfaktoren”, die immer wieder gern negiert werden. Von der neoliberalen Schule sowieso, die das alles für überflüssig, weil unproduktiv hält.
Aber der Kern menschlichen Wirtschaftens ist nun einmal eine lebendige, funktionierende Gesellschaft: Lebenskultur als Dienstleistung, für die Menschen auch bereit sind zu arbeiten und Geld auszugeben. Die kompakte Stadt ist ein Qualitätsfaktor, der nicht nur Leben aufwertet, sondern auch Produzieren.,
Nur an einer Stelle klemmt es noch. Aber auch das ist nicht neu: “Einzig die Zufriedenheit mit den Angeboten zur Kinderbetreuung liegt unter dem mitteldeutschen Durchschnitt.”
Und genau so sehen es – zumindest in ihrem Fazit – auch die Wirtschaftskammern: “Rückblickend auf die erste mitteldeutsche Standortzufriedenheitsanalyse von 2009 hat sich die Region Leipzig gut entwickelt. Insbesondere im Vergleich zum Durchschnitt aller untersuchten Städte sind die hiesigen Unternehmen mit den meisten Standortfaktoren zufriedener. Vor allem die hohe Zufriedenheit mit vielen weichen Standortfaktoren lässt auf eine hohe Lebensqualität schließen. Um im nationalen und internationalen Standortwettbewerb bestehen zu können, müssen jedoch vorhandene Defizite bei der Verfügbarkeit von Fachkräften, dem schnellen Internet sowie der Kinderbetreuung in Angriff genommen werden.”
Und was lehrt uns das?
1. Hohe Attraktivität für Wirtschaftsansiedlungen hat ein Standort durch den Faktor “hohe Lebensqualität”.
2. Nicht nur Unternehmen müssen – gerade aus Eigeninteresse – wieder lernen strategisch zu denken. Von den verantwortlichen Politikern muss man es auch erwarten können.
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