Konjunktur ist eigentlich immer. Auch dann, wenn keiner was von "Wachstum" in die Welt posaunt. Keiner weiß das besser, als ein guter Handwerker: Sein Geschäft läuft entweder, weil die Menschen genug Geld im Portemonnaie haben - oder eben nicht. Und zur Zeit liegt Sachsen in einer Schönwetterlage - auch wenn diverse Institute schwarze Wolken an alle Horizonte malen. "Die Konjunktur steht weiter unter Volldampf und wird vor allem von der noch guten Binnenkonjunktur getragen", sagt Ralf Scheler.
Er ist Präsident der Handwerkskammer zu Leipzig und muss es wissen. Weiß es auch, denn genauso wie die Schwesterorganisation IHK befragt auch die Handwerkskammer zu Leipzig regelmäßig einen Teil ihrer Mitgliedsbetriebe nach der aktuellen Auftragslage, nach den Geschäftsaussichten, nach Personal- und Investitionsplänen. Und allen Unkenrufen zum Trotz befindet sich das Leipziger Handwerk seit 2010 auf der Sonnenseite.
Von rund 1.800 befragten Betrieben (von insgesamt 12.249 im Oktober), meldeten in der jetzigen Herbstumfrage 58 Prozent eine gute bis sehr gute Geschäftslage, 32 sind zufrieden, nur 10 Prozent sind unglücklich. Natürlich hat das Gründe. Und die heißen derzeit vor allem: Hochkonjunktur im Bau- und Ausbauhandwerk, bei Modernisierung und Sanierung. Das hat mit der wachsenden Stadt Leipzig zu tun: Wenn eine Stadt wächst, produziert sie ganz automatisch Aufträge in Größenordnungen. Und wenn dann auch noch die Ausbauprogramme der Kommune selbst bei Schulen, Kitas, Straßen und Brücken laufen, dann kommt es dahin, dass bis zu 40 Prozent der Betriebe zu 100 Prozent ausgelastet sind. “Oder mehr”, wie Ralf Scheler fast beiläufig betont. Denn da Handwerker vorsichtige Burschen sind, halten sie sich bei Investitionen lieber zurück. Und weil Fachpersonal in einigen Branchen (z. B. Maurer) kaum noch zu finden ist, nutzen sie die Möglichkeit der Zeitarbeit oder – “Das kennen wir wohl alle”, sagt Ralf Scheler – schuften Überstunden.
Und das trotz guter Geschäftslage. Natürlich hat das auch mit der Personalsituation zu tun. Da geht es den Handwerksbetrieben genauso wie den IHK-Betrieben. Zwar ist das Tal der niedrigsten Schulabgängerzahlen durchschritten. Das war 2012. Jetzt steigen die Zahlen der Lehrlinge wieder. Aber auf niedrigem Niveau. Der “Wettbewerb um die besten Köpfe” wird bestehen bleiben. Da freut sich Ralf Scheler regelrecht, dass einige alte Kammerforderungen im neuen Koalitionsvertrag von SPD und CDU Niederschlag gefunden haben – vor allem das Thema Berufsorientierung im Gymnasium. Denn 50 Prozent der Kinder wählen zwar den Weg aufs Gymnasium als die Schulart mit den besten Zukunftschancen – aber etliche sind dann dennoch mit Abitur oder Studium überfordert.
Schon seit geraumer Zeit hat die Handwerkskammer deshalb einen Kooperationsvertrag mit der HTWK, um dortige Studienabbrecher aufzufangen. Denn für Manchen, für den ein Studium zu theoretisch ist, ist der Weg über den Meisterbrief eine oft viel spannendere Karierrechance. Anspruchslos sind Handwerksberufe schon lange nicht mehr. Auch das ein Thema, das die Kammer beschäftigt.
Jüngst erst machte eine Zeitungsmeldung die Runde, ein Viertel aller Gesellen in Leipzig würde durch die Prüfung rauschen. Eine Meldung, der – wie so oft – der zweite Teil fehlte: Die Durchgerauschten schaffen es meist im zweiten Anlauf. Nur 2 Prozent – so Kerstin Schultz, die amtierende Hauptgeschäftsführerin der Handwerkskammer, – schaffen es wirklich nicht. Und das auch nicht so sehr in den mittlerweile wirklich anspruchsvollen technischen Handwerksberufen (Kraftfahrzeugmechatroniker, Anlagenmechaniker, Elektroniker usw.), sondern eher bei den Werkern, die nach einer zweijährigen Ausbildung zumindest zu einer Grundqualifikation kommen. Und auch das ist eher nicht tragisch zu sehen, sondern als eins der wichtigsten Arbeitsfelder der Handwerkskammer heute.
“Wir sehen es als unsere Pflicht an, auch jungen Leuten ohne guten Abschluss eine Chance zu eröffnen”, sagt Ralf Scheler. Das hohe Ziel: Möglichst keinen, der nach der Schule einen Berufseinstieg sucht, im Regen stehen zu lassen. Das bedeutet aber für alle Ausbildungsbetriebe deutlich mehr Arbeit und Betreuung. Im Kammerbezirk Leipzig sind sich die Ausbildenden dessen bewusst. Noch bevor die Politik überhaupt aufwachte, hat die Handwerkskammer ihre Kontakte zu Schulen und Lehrern ausgebaut, schleust jedes Jahr dutzende Schulklassen durchs Ausbildungszentrum in Borsdorf, geht zur praktischen Berufsorientierung in die Schulen.Natürlich ist die Stimmung im Handwerk nicht ganz ungetrübt (auch wenn das Gejammer über die eingetrübte Kauflaune der Deutschen in Leipzig so noch nicht zu hören ist). Bauchschmerzen machen den Handwerkern eher die immerfort steigenden Rohstoff- und Energiepreise.- Und der angekündigte Mindestlohn sorgt zumindest für Verunsicherung. “Auf jeden Fall,wird es zu Preissteigerungen kommen. Das geht gar nicht anders”, sagt Scheler. Bei vielen Friseuren ist es schon so. Und auch bei Brot und Brötchen muss man damit rechnen.
Die größten Bauchschmerzen haben tatsächlich Gesundheitsgewerke und die personenbezogenen Dienstleister. Sie sind eingeklemmt zwischen den strikten Sparvorgaben insbesondere der Krankenkassen (Thema Zuzahlung bei Gesundheitsmitteln) und den kleinen Geldbeuteln der Versicherten. Da geht es ihnen ähnlich wie drüben in der IHK den Gastronomen: Wenn die Leute nicht mehr Geld zum Ausgeben haben – kommen sie dann nicht viel seltener in den Laden?
Alles offene Fragen, die auch damit zusammenhängen, ob der Mindestlohn dazu beiträgt, Lohnniveau und Kaufkraft in Leipzig zu heben.
Eine Zurückhaltung merken auch die Baugewerke schon: Die Investitionen aus der Wirtschaft sind zurückgegangen. Es sind eher private Bauherren oder nun etwas verstärkt die Kommunen, die mehr Aufträge vergeben. Noch stimmt die Auftragslage. Im Schnitt 7 bis 8 Wochen können Leipzigs Handwerksbetriebe in die Zukunft blicken, so weit sind ihre Bücher voll. “Das ist ganz ordentlich”, sagt Scheler. Und man darf auch nicht vergessen, dass im vergangenen Jahr die Umsätze insgesamt gestiegen sind. Viele Betriebe schauen also von einem etwas höheren Polster aus nach vorn in diese komische Zukunft, über die man nicht viel mehr weiß, als das Auftragsbuch hergibt.
Das Thema Fachkräfte wird die nächsten Jahre ein dominantes bleiben. “Allerdings lässt die Dynamik beim Beschäftigungsaufbau nach”, schätzt die Handwerkskammer ein. Aber das liegt eben nicht am fehlenden Bedarf, sondern an den geeigneten Leuten, die die Bedarfslücken schließen könnten.
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