27 Prozent des Leipziger Stadtgebietes sind Ackerfläche. Ein gut Teil davon gehört auch der Stadt Leipzig. Die Stadt tritt dabei in der Regel als Verpächter auf. Trotzdem ist sie Besitzer von Ackerland. Und das bringt Pflichten mit sich. Und so erlebt die Stadtverwaltung in der Ratsversammlung am 15. Oktober auch eine kleine Premiere: Erstmals muss sie ein Fragenpaket beantworten, wie es für gewöhnlich der sächsische Umweltminister serviert bekommt.

Der Sachverhalt, um denen es geht, umreißen die Grünen so: “Die Gemeinsame Agrarpolitik (CAP) der Europäischen Union hat für 2014 bis 2020 Vorgaben zum Schutz der biologischen Vielfalt in der Landwirtschaft beschlossen, die vor Ort umgesetzt werden müssen. Danach müssen 5 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen unter Naturvorbehalt entwickelt werden, wie es bspw. Natur-Hecken oder natürliche Grünstreifen und Raine als Feldumrandung sein können. Um die Felder sollen Abflussgräben gebaut werden. Schutzhecken sollten mindestens 10 Meter breit sein und aus mindestens 3 Gehölzreihen bestehen, dabei sollte auf vogelfreundliche Gehölze geachtet werden. Neben der Zielstellung, das komplexe Ökosystem Landwirtschaft zu stärken, ist auch der Schutz der angrenzenden Wohnsiedlungen und Gärten ein gewünschter Effekt.

Leipzig ist Eigentümerin vieler Flächen am Stadtrand und fordert schon seit 2006 mit dem Feldheckenkonzept (für Südwest und Südost) gegenüber den Pächtern ein, die biologische Vielfalt zu unterstützen. Zielstellung war, die vorhandenen biotopfördernden Feldergrenzbepflanzungen mindestens zu verdoppeln. Die Realisierung dieser Konzeptvorgaben ist bisher nur im Einzelfall wahrnehmbar. Eine Umsetzungsmöglichkeit wäre, dass die Stadt Leipzig die Randstreifen aus den Pachtverträgen herausnimmt und selbst Hecken anlegt.”

Die Stadt steht also vor dem selben Problem wie der Umweltminister: Man hat zwar strenge EU-Auflagen und klare Beschlüsse. Aber irgendwie fehlen die Instrumente, das auch den Pächtern der landwirtschaftlichen Flächen klar zu machen. An Kontrollpersonal fehlt es wohl auch, an Berichterstattung sowieso. Schweigen im Walde, könnte man da sagen, wenn da wenigstens ein Wald wäre.

Die Auswirkungen der intensiven Landwirtschaft, die ursprüngliche Schutzraine und Hecken in großen Teilen aus den Äckern entfernt hat, bekommen dann die direkten Anwohner der Feldflächen zu spüren. Beide Phänomene, die die Grünen aufzählen, gehören im Grunde in das Große Thema Erosion und den Verlust wertvoller Ackerböden im Millionen-Tonnen-Bereich, wie auch Umweltminister Frank Kupfer (CDU) schon angemahnt hat. Phänomen 1, die Schlammbelastung: “An leichten Neigungen wird bei Platzregen Schlamm in Gärten und Wohngrundstücke gespült. Hauptursache ist, dass der zunehmend an Humus verarmende Boden mit schweren Maschinen bearbeitet und so verdichtet wird, dass die Bodenporen fast verschwinden. Hecken und Gräben können diese Schlammfluten wirksam bremsen und vermindern.”
Phänomen 2, die Staubbelastung: “Wenn bei Wind trockene Felder bearbeitet werden, wird Staub in die Wohngebiete geblasen, oft angereichert mit Pestiziden und Herbiziden sowie Dünger. Dies schädigt langfristig Anwohner, aber auch die Landwirte. Denn was weggeblasen wird, ist unter anderem fruchtbare Muttererde. Das führt zu einer Verminderung der Bodenfruchtbarkeit. Hecken können hier spürbar helfen, sie vermindern die Windgeschwindigkeit in Bodennähe und dienen als Filter.”

Der Fragenkatalog der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist recht ausführlich und geht weit über das Anpflanzen der von der EU geforderten Hecken hinaus. Hier ist er:

1. Was wurde durch die Stadtverwaltung seit 2006 unternommen, um die Landwirte der an Wohngebiete angrenzenden Felder dazu zu veranlassen, im Rahmen des Feldheckenkonzeptes sowie aktuell der CAP, mit Hecken oder breiten Rainen ihre Felder biologisch aufzuwerten und gleichzeitig gegen Wohngebiete und Gärten abzuschirmen?

2. Welche Flächen am Stadtrand gehören der Stadt?

3. Was hat die Stadt getan, um die Pächter zu einer einwohnerfreundlichen Bodenbewirtschaftung, unter anderem Vermeidung von Schlamm durch lockeren, offenporigen Boden sowie Vermeidung von Staub-, Dünger- und Pestizidimmissionen anzuhalten?

4. Welche Gründe sind der Verwaltung bekannt, warum Entwässerungsgräben um Felder de facto nicht mehr existieren, die traditionell neben ihrer Rolle für die biologische Artenvielfalt auch eine wichtige Ableitungsfunktion bei massiven Regenfällen oder Tauwetter innehaben sollen?

5. Gibt es ein Konzept für die Wiederherstellung von Grabensystemen und die Anbindung an das Gewässernetz? Wenn ja, ist dieses durch Kosten unterlegt?

6. Welche Kosten entstehen für die Stadt durch Regen/Schlamm, der von Feldern in Gärten und Wohnsiedlungen abfließt?

7. Was wurde getan, um die Nutzer von an Feldern angrenzenden Grundstücken über ihre Rechte bei eventuellen Giftimmissionen nach Bundesimmissionsschutzgesetz aufzuklären?

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