Das Thema Mindestlohn ab 2015 ist in Leipzig und Mitteldeutschland auch ein Thema der Taxibetriebe. 650 Taxen zählt man derzeit in Leipzig, drei maßgebliche Taxizentralen vermitteln die Fahrten in der Messestadt. Die alteingesessenen Löwentaxi Genossenschaft, die Funkzentrale 4884 und die neuere, kleinste Top-Taxi Gesellschaft verfügen gemeinsam über rund 500 der Fahrzeuge in Leipzig.
Der Löwenanteil der Fahrten wird dabei von den beiden großen Taxigesellschaften abgewickelt, doch wie steht es um die Vergütung der angestellten Fahrer? Im ersten Gespräch dazu Hans-Jürgen Zetsche, Geschäftsführer von “4884” und Vorstand des Landesverbandes Sächsischer Taxi- und Mietwagenunternehmer e.V..
Das Problem schwelt nun schon eine Weile in der mitteldeutschen Taxlergilde, die Fahrpreise sind einheitlich festgelegt und offenbar zu gering. Wie in jedem Servicegewerbe spielen bei den Verdiensten der Fahrer in den meist ockerfarbenen Stahldroschken die Trinkgelder keine kleine Rolle. Denn der Verdienst ist nicht üppig, der anvisierte Mindestlohn von 8,50 Euro brutto offenbar fern.
Wenig überraschend also, dass vergangene Woche aus der Umgebung von “Top-Taxi” heraus ein Versuch erfolgte, den Mindestlohn für Taxler durch eine Gewerkschaftsgründung hinauszuzögern. Ver.di zeigte sich daraufhin hörbar erbost, ein wenig erinnerte das Modell an die einst durch den Springerkonzern selbst gegründete Gewerkschaft, um beim damaligen eigenen Postzustelldienst Pin Group (heute LVZ Post, zumindest in Leipzig) die Löhne unten zu halten. Der Trick: im Prinzip verhandelt der Arbeitgeber mit sich selbst unter Benutzung von Arbeitnehmern, welche Angst um ihren Arbeitsplatz haben.
Mit der Gründung einer arbeitgebernahen “Gewerkschaft” namens “Gewerkschaft der Taxi- und Mietwagenfahrer Mitteldeutschlands” startete nun aus der Umgebung von “Top-Taxi” mit 111 Personen ein ähnlicher Versuch – diesmal, um den Mindestlohn hinauszuzögern. Ob dies ein taugliches Mittel ist, um die Situation der Fahrer zu bessern, Arbeitsplätze zu erhalten oder gar dem Mindestlohn zu entgehen, ist fraglich. Die Fragen, wie die Situation wirklich derzeit ist und wie man die Einführung des Mindestlohns auf Leipzigs Straßen realisieren kann, stellte L-IZ an Hans-Jürgen Zetzsche, Geschäftsführer von “4884” und Vorstand des Landesverbandes Sächsischer Taxi- und Mietwagenunternehmer e.V. und den Vorstand der Löwentaxi Genossenschaft.
Hans-Jürgen Zetzsche antwortete umgehend.
Wie steht “4884 – Ihr Funktaxi” zum Thema Mindestlohn für die Fahrer der mit Ihnen kooperierenden Fahrgastunternehmen?
4884 betreibt selbst Taxen und ist somit selbst Taxiunternehmer und betroffen. Grundsätzlich hätte sich 4884 gewünscht, dass sich in die bisher bestehende Tarifpartnerschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (oder deren autorisierte Vertreter) nicht die Politik einmischt. Der Name des Gesetzes “Tarifautonomie Stärkungsgesetz” ist daher vollkommen falsch, da gerade diese durch politischen Willen aufgehoben wird und für die Zukunft Schlimmeres erwarten lässt.
Selbstverständlich können wir uns nunmehr dem Mindestlohn nicht verschließen. Aber wir müssen Rahmenbedingungen schaffen, die eine weitere Existenz des Taxigewerbes und vor allem die zuverlässige Bedienung der vielen Fahrgäste, die uns bisher aus unterschiedlichsten Gründen beauftragen, ermöglichen.
Sowohl die durch das Gesetz bestimmte Lohnhöhe als auch die Lohnform, sind Grund für berechtige Existenzängste für Taxiunternehmen mit angestellten Chauffeuren/-innen.
Wird bei den durch Sie vermittelten Unternehmern bereits Mindestlohn gezahlt?
Derzeitig werden Taxichauffeure und -innen annähernd ausschließlich auf der Basis einer Provision vom erzielten Umsatz vergütet. Sie sind somit motiviert und unmittelbar am Erfolg des sie beschäftigenden Unternehmens beteiligt. Dabei gibt es unterschiedlich aktive Chauffeure und Chauffeurinnen. Im Durchschnitt verdienen diese in Leipzig derzeitig keine 8,50 Euro brutto je Zeitstunde.
Wir liegen derzeitig durchschnittlich bei 5,50 bis 6,00 Euro brutto je Stunde. Die unmittelbare Einführung des Mindestlohnes in Höhe von 8,50 Euro bedeutet somit eine nicht verkraftbare Steigerung der Lohnkosten um mehr als 50 %.
Werden Sie oder Mitglieder Ihrer Taxizentrale der “Gewerkschaft der Taxi- und Mietwagenfahrer Mitteldeutschlands” beitreten?
Eine Gewerkschaft ist, wie Sie wissen, eine Organisation der Arbeitnehmervertretung. Weder 4884 noch vertraglich mit 4884 verbundene Unternehmen werden daher Mitglied werden. Ob Mitarbeiter von 4884 oder der Unternehmen des Unternehmensverbundes 4884 Mitglieder dieser neuen Gewerkschaft werden, kann ich nicht beurteilen.
Jedoch erachte ich die Wahrscheinlichkeit, auch aufgrund der Konstellation dieser Gewerkschaft, für nicht sehr hoch.
Welche Wege verfolgt derzeit “4884 – Ihr Funktaxi” beim Thema Ausgestaltung der Fahrpreise, hier zum Beispiel der Grundgebühr beim Zustieg oder den allgemeinen Fahrpreisen für die Kunden in Leipzig?
Am 10. Juli wurde durch mich, als Vorstand des Landesverbandes Sächsischer Taxi- und Mietwagenunternehmer e.V., ein zuvor ausführlich diskutierter Antrag auf Erhöhung der Taxitarife an den Oberbürgermeister der Stadt Leipzig gestellt. Dieser Tarifvorschlag wurde zuvor, insbesondere mit dem Ziel des Erhaltes des seit 2012 bestehenden und bewährten Mitteldeutschen Taxitarifes, mit Kolleginnen und Kollegen der Städte Halle/Saale und Leipzig sowie den Landkreisen Saalekreis, Nordsachsen und Leipzig diskutiert, um einen tragbaren Konsens zu finden und einheitlich zu beantragen.
Durch die jeweils anwesenden Taxiunternehmer/-innen, wurde für die Stadt Leipzig und die Landkreise Nordsachsen und Leipzig der Landesverband mehrheitlich beauftragt, die entsprechenden Anträge zu stellen. Dies erfolgte jeweils zeitgleich am 10.07.2014. Auch für die Stadt Halle/Saale und den Landkreis Saalekreis wurden inzwischen gleichlautende Anträge durch die dort ansässigen Taxiunternehmen bzw. die sie vertretende Taxizentrale gestellt.
Ich hoffe sehr, dass der Erhalt des Mitteldeutschen Taxitarifs möglich sein wird.
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Das Anliegen ist vollkommen verständlich. Es wird nach einem Strohhalm gegriffen, der jedoch nicht “retten” kann. Ursache dafür ist die tatsächlich begründete und vorhandene Existenzangst der Taxiunternehmen, die Fahrpersonal beschäftigen. Teilweise in den letzten 25 Jahren der Freiheit mit viel Risiko und persönlichem Engagement aufgebaute Unternehmen drohen zu zerbrechen.
Ziel ist, die im Gesetz enthaltene Übergangsregel zu nutzen, um Zeit zu gewinnen. Da es keine Ausnahmen geben soll, wird dies versucht. Die Übergangsregelung lässt zu, dass für bestehende Tarifverträge der gesetzliche Mindestlohn erst ab dem 01.01.2017 verbindlich sein muss. Mit dem Mindestlohngesetz wurden gleichzeitig eine Reihe weiterer Gesetze verabschiedet, oder zumindest novelliert. So auch das Tarifvertragsgesetz.
Es ist somit eindeutig gesetzlich definiert, dass ein entsprechender Tarifvertrag allgemeinverbindlich sein muss und wie diese Allgemeinverbindlichkeit zu erreichen ist. Dies kann die durch Ehepartner und Kinder der betreffenden Taxi- und Mietwagenunternehmen gegründete Gewerkschaft keinesfalls erreicht werden. Der erhoffte Zeitgewinn kann so nicht geschaffen werden.
Wie sehen die weiteren Wege aus, um die Fragen nachhaltig zu klären?
Durch mich, in meinen Funktionen als Geschäftsführer von 4884 und Vorstand des Landesverbandes Sächsischer Taxi- und Mietwagenunternehmer e.V., sind beide Organisationen direkt in der gegründeten Tarifkommission unseres Bundesverbandes, dem Deutschen Taxi- und Mietwagenverband BZP e.V., vertreten. Diese Tarifkommission des Bundesverbandes beginnt am 09.09.2014 mit Ver.di Verhandlungen zur Schaffung eines dann tatsächlich als allgemeinverbindlich erklärbaren Tarifvertrages für das gesamte deutsche Taxi- und Mietwagengewerbe.
Der Ausgang dieser Verhandlungen ist heute noch nicht absehbar. Aber der Versuch ist es wert und zugleich die einzige Möglichkeit, Zeit zu gewinnen.
Die mit der gesetzlichen Einführung des Mindestlohnes in unserem Dienstleistungsgewerbe verbundenen Veränderungen, sind so grundlegend, wie es sie in der langen Geschichte des Droschken- und Taxigewerbes bisher noch nie gab.
Es wird zum Artikel “Mindestlohn und Taxi in Leipzig” mitgeteilt, dass die Firma Top Taxi International GmbH und Co KG nichts mit der gegründeten Gewerkschaft zu tun hat. Die Firma Top Taxi International GmbH und Co KG ist ein Unternehmen, welches Mitglied im Sächsischen Landesverband der Taxi- und Mietwagenunternehmer ist und damit in einem Arbeitgeberverband.
Eine Gewerkschaft ist eine Vereinigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.
Es bleibt Mitarbeitern der Firma jedoch unbenommen, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Dies ist aus unserer Sicht eine grundrechtlich gewährte Freiheit. Wir werden keinesfalls Mitarbeiterin verbieten, diese Grundrechte auszuüben. Im Übrigen muss dies nicht die Gewerkschaft Verdi sein. Es ist nicht bekannt, dass diese in den letzten 25 Jahren Arbeitnehmerinteressen im Taxi- und Mietwagenbereich wahrgenommen hat.
Darüber hinaus wird mitgeteilt, dass die Firma auch nicht gegen die Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes ist und derzeit die Arbeitsverträge diesbezüglich vorbereitet, um den zukünftigen gesetzlichen Bedingungen gerecht zu werden.
Unabhängig davon, steht das Unternehmen zu einer konstruktiven Auseinandersetzung mit den Interessen der Arbeitnehmer und kann diese auch nachvollziehen. Der Erhalt der Arbeitsplätze ist für die Arbeitnehmer wichtig. Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes bei gleichbleibenden gesetzlichen Tarifen der Stadt Leipzig dürfte zu einem erheblichen Abbau von Arbeitsplätzen im Taxi- und Mietwagenbetrieben führen.
Inwieweit der beantragten Tariferhöhung stattgegeben wird, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht eingeschätzt werden. Im Übrigen wohl auch von Herr Zetzsche nicht. Die alleinige Entscheidung darüber liegt beim Stadtrat der Stadt Leipzig.
Insofern sind die Interessen der Arbeitsnehmer nur verständlich.
Frank Törpel
Geschäftsführer
Top Taxi International GmbH & Co. KG
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