Leipzigs Messe feiert zwar offiziell 2015 ihren 850. Geburtstag, denn ihre Entstehung ist aufs Engste mit der Erteilung des Marktrechts an die Stadt Leipzig irgendwann ums Jahr 1165 gekoppelt. Aber tatsächlich könnte das Unternehmen auch seinen 25. Geburtstag feiern. Denn 1990 begann alles bei Null, wie Martin Buhl-Wagner, Sprecher der Geschäftsführung, am Mittwochabend, 6. August, erklärte. Samt Rekordergebnis für 2013.

Das lag dann – nachdem im Dezember schon mit 85 Millionen Euro Umsatz gerechnet wurde, bei 88,1 Millionen Euro. Das beste Ergebnis der Leipziger Messe seit 1990. Fast 16 Millionen mehr als 2012. Der neue Kurs, den die Messe seit 2010 steuert, macht sich in den Zahlen bemerkbar. In jene Jubelregionen, in denen Messen ganz ohne Unterstützung ihrer Eigner auskommen, ist sie damit noch nicht angelangt.

“Aber schon die 7 Millionen Euro Zuschuss sind sportlich”, sagt Buhl-Wagner. Es gab Zeiten, da mussten die beiden Gesellschafter Freistaat Sachsen und Stadt Leipzig zweistellige Millionensummen zuschießen, um das Jahresergebnis auszugleichen. Das taten sie schweren Herzens – aber auch in dem Wissen, dass eine international ausstrahlende Messe direkte positive Wirkungen für die heimische Wirtschaft entfaltet – als Schaufenster, Handelsplatz, Auftraggeber. Nur war spätestens um 2010 das Zeitalter der reinen Messegesellschaften, die sich nur um Messen kümmerten, vorbei. Das bekamen auch andere, potentere Messestandorte in Deutschland zu spüren.

Auch das alte Spiel des Erfindens neuer, schnuckeliger Messen ging immer seltener auf. Was die Leipziger Messe spätestens mit dem Weggang der GC schmerzlichst erlebte. Messen sind immer Co-Produktionen zwischen Messegesellschaft und Trägerverband. Und Besucherzahlen und Umsätze sind eher nicht die Kriterien, nach denen Veranstalter entscheiden. Für sie zählen – je nach Zuschnitt – Besucher- und/oder Kundenkontakte. Das trifft nicht nur auf Medien-Leitmessen wie die GC zu, sondern auch auf kulinarische Spezialmessen wie die Le Gourmét. Die wird es künftig nicht mehr geben. Als Besuchermesse funktionierte sie nicht. Dafür wird es künftig eine Fachmesse extra für Gastronomen und Anbieter geben, eine Messe mit dem Namen “Iss gut!”.

Diese Wechsel hat das Leipziger Publikum in den letzten Jahren schon vermehrt erlebt. 30 Messen hat Leipzigs Messegesellschaft in den vergangenen 25 Jahren selbst entwickelt – und auch wieder eingestellt, wenn sich herausstellte, dass das Konzept so nicht mehr funktioniert. Schon seit einigen Jahren ist das Kongressgeschehen immer mehr zum zweiten Standbein der Leipziger Messe geworden. Und stolz ist Buhl-Wagner darauf, dass Leipzig mittlerweile unter den deutschen Kongressstandorten die Nummer 4 in Deutschland ist. “Nicht von den Besucherzahlen her”, sagt er, “sondern aus Sicht der Veranstalter. Das ist entscheidend.”

Die wissen nicht nur die Infrastruktur zu schätzen, die auch nach 18 Jahren Nutzung ihre Qualitäten nicht eingebüßt hat, sondern auch die Stadt, die jedem Kongressveranstalter eine Unzahl von Möglichkeiten für ein attraktives Rahmenprogramm bietet. “Das kann durchaus mal zehn Jahre dauern, bis ein Kongress dann tatsächlich nach Leipzig kommt”, sagt Buhl-Wagner. Auch die “World Skills”, die 2018 zum besten Konzernergebnis seit 1990 beitrugen, hatten eine jahrelangen Vorlauf, waren zudem eine Kooperation von Bund, Land, Stadt und Messe. Und am Ende bewarb sich die Messe nicht nur als Austragungsort, sondern auch um das komplette Programm von der Hospitality (Übernachtung und Verpflegung) bis zum Rahmenprogramm, wo sie dann als Reise- und Eventdienstleister tätig wurde.

“Da haben wir uns schon gefragt: Dürfen wir denn das?”, erzählt Buhl-Wagner. “Wir haben uns informiert, bis zu welcher Grenze wir das dürfen. Und dann haben wir uns beworben.” In der Jahresbilanz taucht dann also zum ersten Mal die Rubrik “Reise- und Eventdienstleistungen” auf. 7,5 Millionen Euro hat die Messe damit umgesetzt. “Und im Nachhinein können wir nur sagen: Wir hätten uns richtig geärgert, wenn wir das nicht gemacht hätten”, sagt Buhl-Wagner. Denn gelernt habe man dabei wieder eine Menge.
Ein Thema, das auch die Vorjahre schon bestimmte. Denn wenn eines die Amtszeit von Buhl-Wagner beschreibt, dann ist es die knallharte Orientierung auf das Thema Dienstleistung. “Denn eigentlich sind wir nicht irgendwelche Anbieter von Ausstellungsfläche”, beschreibt der Geschäftsführer seine Sicht auf das moderne Messewesen, “sondern Veranstalter.” Da sei es die Hauptaufgabe, vor allem den Ausstellern und den Trägerverbänden jene Konzepte zu entwickeln, mit denen sie ihr Anliegen am besten umsetzen können.

Das schlägt auch auf die Infrastruktur durch. So wurde das Jahr 2013 auch genutzt, um ein eigenes Blockheizkraftwerk zu installieren. Eine kleine Hauruck-Aktion, bei der die Stadtwerke halfen, auch um das Ganze noch vor 2014 abzuwickeln, ahnend, das die neuen EEG-Regeln die Sache deutlich erschwert hätten. “Wir erzeugen damit vor allem die Wärme für unser Haus und die nötige Grundlast beim Strom”, sagt Markus Geisenberger, der für solche technischen Investitionen als Geschäftsführer zuständig ist. Er betont auch: “Nur die Grundlast. Spitzen kaufen wir zu.” Das Ergebnis werde am Ende trotzdem eine Einsparung bei den Energiekosten im sechsstelligen Bereich sein. Und eine größere Unabhängigkeit von den Unsicherheiten des Energiemarktes. “Wir sind wirklich froh, das wir das gemacht haben.”

Und investiert wurde in einen massiven Ausbau des WLAN-Netzes. “Das reicht jetzt für ein paar Jahre”, sagt Geisenberger. “Damit sind wir europäische Spitze. Darum beneiden uns selbst die Amerikaner. Das kennen die von sich gar nicht.”

Aber das Netz wir nicht gebraucht, um vielleicht die GC zurückzuholen. “Unsere Kunden erwarten mittlerweile ganz einfach, dass so etwas vorhanden ist”, sagt Buhl-Wagner. “Sie kaufen sich einen Voucher, und dann wollen sie unbeschränkt damit ins Netz gehen.” Das gut ausgebaute deutsche WLAN-Netz sei dabei ein echter Vorteil. Und die neue Ausstattung decken alle Bedürfnisse ab, die Leute haben, die mit ihrem Smartphone im Messegelände unterwegs sind.

Aber wer hat dann 2013 das ganze Geld verdient? Nur die World Skills? – Ein Blick in die Bilanz zeigt, dass sämtliche Einzelbereiche der Messe ihre Ergebnisse aus den Vorjahren überboten haben. Die Messe Gesellschaft selbst hat ihren Umsatz von 37 auf 47 Millionen Euro gesteigert – und hier spielen die World Skills natürlich eine wichtige Rolle. “Wir haben gezeigt, dass wir so große Veranstaltungen stemmen können”, sagt Buhl-Wagner. “Und damit haben wir natürlich beste Karten, auch in den nächsten Jahren solche Großveranstaltungen nach Leipzig holen zu können.” Die Erfahrungen aus den Worl Skills hat die Messe dann gleich mal beim ver.di-Kongress anbieten können – die Gewerkschafter waren wohl dankbar.

Genauso, wie etliche Kongressveranstalter dankbar sind, wenn sie sich aufs reine Kongressprogramm konzentrieren können und die den ganzen Rest organisiert – von den Hotelbuchungen übers Rahmenprogramm bis zur Ausstellung. 37 Messen gab es 2013. Schon das ein Mammutprogramm (2012 waren es 33), dazu 94 Kongresse mit einem Umsatzerlös von 5,4 Millionen Euro. Im Umsatz zugelegt hat auch die Fairnet, die für den Messe- und Veranstaltungsservice zuständig ist – von 23,9 auf 25,2 Millionen Euro. Und im Auslandsgeschäft hat die Leipziger Messe International (LMI) ebenfalls zugelegt – von 4,9 auf 5,5 Millionen Euro. “Im Auslandsgeschäft werden wir auch in den nächsten Jahren noch zulegen”, sagt Markus Geisenberger. Darin habe man auch die Rückendeckung der Gesellschafter.

Womit man dann bei den Fährnissen der Gegenwart wäre. Denn gerade die Ukraine und Russland sind Länder, in denen sich die LMI in letzter Zeit besonders engagiert haben. Dabei seien es nicht einmal die Länder, die nun dicht machen würden, betont Geisenbeger. Aber verständlicherweise würden sich jetzt die wichtigsten Kunden scheuen, in diese unsicheren Regionen zu gehen. “Ich hoffe wirklich, das sich die Lage dort schnell klärt”, sagt Geisenberger.

Der Umsatzsprung von 72 auf 88 Millionen Euro hat also in Teilen mit der World Skills zu tun, passt aber auch in eine Wellenbewegung der Leipziger Messejahre, mit der sich die jährlichen Umsätze immer weiter steigern. Das Jahr 2014 werde zwar nicht an das Rekordergebnis andocken, sagt Buhl-Wagner. Das habe mit dem Turnus der Messen und Veranstaltungen zu tun, der alle zwei Jahre ein anderer sei. Aber das Ergebnis würde deutlich über dem von 2012 liegen. Im Bilanzbericht wird ein Ziel von 76 bis 80 Millionen Euro genannt.

Höhere Umsätze bedeuten natürlich ein paar mehr Spielräume für Investitionen, aber auch für ein Absenken der Zuschüsse, die die beiden Gesellschafter zahlen müssen. 7 Millionen Euro (3,5 Millionen jeweils von Land und Stadt) waren schon sportlich. Aber mit 5,9 Millionen Euro Zuschuss konnte dieser Zielwert 2013 erstmals unterboten werden.

Der Wechsel im Portfolio wird weitergehen. So kurz nach der Automobilmesse AMI 2014 habe man zwar noch nicht mit der Konzeption für die AMI 2016 begonnen, betont Buhl-Wagner. Aber selbst die Autohersteller wussten, dass reine PS-Messen jetzt wirklich der Vergangenheit angehören. Die Zukunft gehöre einem wesentlich weiteren Spektrum der Mobilität.

Und mitten in die Zukunft führt dann ein Ereignis, das Leipzig während der WM der Roboter, dem RoboCup in Brasilien, zugesprochen wurde: die RoboCup WM 2016. 4.000 Gäste aus aller Welt, die sich für die Spitzenentwicklungen de Robotertechnik interessieren, werden erwartet. Und so ganz stille wächst auch das neue Kongress-Pflänzchen, die neue Veranstaltungsräumlichkeit in der Kongresshalle heran. “Da werden wir bald kleine, nicht ganz so große Kongresse in einem einmaligen Ambiente anbieten kann”, freut sich Buhl-Wagner.

Und Markus Geisenberger ist sich sicher, dass die Aufwärtsbewegung bei den Umsätzen so weitergehen wird. Die jahrelange Arbeit – auch mit einem engagierten Personal von 385 Mitarbeitern – zahle sich nach und nach aus. “Jetzt sind es die anderen, die bei uns abgucken, wie man das macht”, sagt er.

www.leipziger-messe.de

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