Sachsen ist im ostdeutschen Vergleich mit einem Bruttoinlandsprodukt von 99,89 Milliarden Euro die führende Kraft der neuen Bundesländer. Gesamtdeutsch liegt der Freistaat auf Platz acht. Auch in Sachen Zuwanderung verzeichnet das Bundesland Erfolge. Solche Erfolge lassen die Frage nach dem Raum entstehen, in dem diese Neuankömmlinge - nicht nur aus dem Inland und freiwillig - leben sollen. Genauer: wie sieht es auf dem sächsischen Wohnungsmarkt aus?
Für Jens Zimmermann, Pressesprecher des Immobilienverbandes Deutschland (IVD), sieht die Wohnraumlage ausgesprochen gut aus. Das niedrige Zinsniveau in Sachsen lenke den Fokus auf den Immobilienkauf. Die Mieten und Kaufpreise steigen moderat an und der Freistaat verzeichnet in seinen Metropolen Zuwanderungsgewinne, die zeigen wie attraktiv das Land ist. Sogar in Chemnitz, so Zimmermann, ist aufgrund der Entwicklungen am Arbeitsmarkt Zuwachs zu verzeichnen. Viele wissen gar nicht, dass das Dreieck Chemnitz-Zwickau-Westerzgebirge die stärkste Wirtschaftskraft im Freistaat ist und weit vor Leipzig und Dresden liegt. Das Aschenputtel unter den Sächsischen Großstädten hatte vor 1945 eine Bevölkerungszahl die vergleichbar mit der der Mercedes-Benz-Stadt Stuttgart war.
Was Leipzig betrifft, so ist sich Zimmermann sicher, dass die Stadt an der Elster die Landeshauptstadt weiter überflügeln wird. Erstmals seit der Erfassung der Spitzenmieten hat Leipzig (12,00 Euro/qm) Dresden (11,80 Euro/qm) überholt. In Chemnitz liegt der Spitzenwert im Vergleich bei 7,50 Euro/qm. Als Grund für diese Entwicklung sieht er die gute Lage Leipzigs mit allen infrastrukturellen Anschlüssen und den Anstieg des touristischen Interesses. Der Hypezig-Effekt habe auch internationale Auswirkungen, die in der Zukunft auf die Stadt zurückschlagen werden.
Im Mietvergleich der drei sächsischen “Metropolen” liegt das stiefmütterlich behandelte Chemnitz auf dem letzten Platz, was aufgrund der großen Wirtschaftskraft verwundern mag. Diese Qualität schlägt sich momentan noch nicht im Wohnungsmarkt nieder, erklärt Zimmermann. In Leipzig und Dresden beträgt die Differenz der durchschnittlichen Kaltmiete bei einfachem Wohnwert (teilsanierte Wohnungen) 1,15 Euro (Leipzig: 4,35 Euro/qm, Dresden 5,50 v/qm, Chemnitz: 3,80 Euro/qm). In Wohnungen mit sehr gutem Wohnwert (qualitativ hochwertige Sanierung) ist die Differenz wesentlich geringer und beträgt nur 25 Cent (Leipzig: 7,75 Euro/qm, Dresden: 8,00 Euro/qm, Chemnitz: 6,50 Euro/qm). Die Gründe für die höheren Preise in der Landeshauptstadt, sieht Zimmermann in dem Umstand beschlossen, dass Dresden als Residenzhauptstadt das höchste Beamtenauf- und -einkommen hat. Bei Neubauten hält Leipzig mit 10,00 Euro/qm den ersten Platz gefolgt von Dresden (9,80 Euro/qm) und Chemnitz (7,00 Euro/qm).
Im deutschlandweiten Vergleich, so Zimmermann, liegt der Freistaat auf einem guten Niveau. Im Vergleich zu München, wo die Spitzenkaltmiete mit 22,00 Euro fast doppelt so hoch ist wie in der Messestadt, müsse man sich noch keine Gedanken machen. Hinzu kommt, ergänzt Zimmermann, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis gelebte Praxis in Sachsen sei.
Also immer noch alles schön? Wozu die Kritik mancher Fraktionen, wozu die Änderung des Wohnungsvermittlungsgesetzes und die Einführung der Mietpreisbremse?
Prof. Dr. Dieter Rink vom Helmholtz Institut für Umweltforschung in Leipzig ist skeptisch, was die Entwicklung der Messestadt angeht. Das Handelsblatt zitierte den Stadtsoziologen im Oktober des vergangenen Jahres wie folgt: “Die Stimmung in der Stadt ist besser als die Lage.” Mit derzeit 27.650 Arbeitslosen hat die Stadt eine Arbeitslosenquote von 10,5 Prozent und liegt damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt (6,5 Prozent). Im Ranking der Armutshauptstadt liegt Leipzig auf dem unrühmlichen zweiten Platz hinter Dortmund. Und ob sich die vermuteten Zuwanderungsgewinne bewahrheiten, bleibt abzuwarten.
Die durchschnittliche Gesamtmiete stieg, laut aktuellem Monitoringbericht der Stadt Leipzig, von 2003 um 11 Prozent auf 7,23 Euro/qm. 11 Prozent in 11 Jahren – klingt nicht so schlimm. Deshalb ist Zimmermann auch der Meinung, dass eine flächendeckende Mietpreisbremse eher negative Folgen für die Immobilieneigentümer habe. Sie dürfe nur dort Anwendung finden, wo sie wirklich gebraucht wird. Dabei seien auch nicht die steigenden Mieten das Problem, sondern die steigenden Nebenkosten, die als zweite Kaltmiete angesehen werden können. Auch die steigenden Baupreise seien problematischer als die steigenden Mietpreise. Ein Nebenkostendurchschnitt von 2,50 Euro/qm hätte 2000 (damals 4,00 DM/qm) niemand akzeptiert. Heute wird dieser Umstand als normal angenommen, so Zimmermann.
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Auch Jutta Vetterlein, Mitglied des Verbandsvorstands des vdw-Sachsen ist gegen die Einführung einer Mietbremse: “Die von der Bundesregierung initiierte “Mietpreisbremse” ist für Sachsen klar das falsche Signal und geht an der Realität vorbei. Im Freistaat verteuern nicht die Kaltmieten, sondern die viel stärker steigenden Nebenkosten und Baukosten den Wohnraum. Die Nettokaltmieten bei den Mitgliedsunternehmen des vdw Sachsen sind im Jahr 2013 mit einem moderaten Plus von 1,3 Prozent klar unter der Inflationsrate (+1,6 Prozent) geblieben. Demgegenüber verteuerte sich beispielsweise das Bauen deutlich stärker: Laut Statistischem Landesamt stieg der Baupreisindex für Wohngebäude um 3,2 Prozent, der Baupreisindex für die Instandhaltung von Wohngebäuden (ohne Schönheitsreparaturen) sogar um 4,0 Prozent. Auch die Nebenkosten sind im gleichen Zeitraum stärker gestiegen als die Nettokaltmieten. Dies zeigt, was Wohnen wirklich verteuert und dass die Diskussion um eine “Mietpreisbremse” an der falschen Stelle ansetzt.”
Beim Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen e. V. läuft man ebenfalls Sturm gegen die Pläne der Bundesregierung. 20 Prozent der Unternehmen planen laut hauseigener Konjunkturprognose ihre Investitionen einzuschränken. Der nötige Neubau, der aufgrund der wachsenden Zuwanderungszahlen unumgänglich sei, könne so nicht realisiert werden, heißt es in einem Positionspapier. “Der BFW Mitteldeutschland kritisiert, dass eine moderate Erhöhung von Mieten in gefragten Lagen oder bei Neubau nach einer Mietpreisbremse nicht mehr möglich ist. Damit aber werden die für Investitionen wichtigen Renditen verhindert. Als Folge verlagern sich Investitionen in Gebiete mit niedrigeren Mieten, wo dann genau die Entwicklungen stattfinden, die eigentlich mit einer Mietpreisbremse verhindert werden sollen.”
Auch in Sachen Grunderwerbssteuer und Wohnraumvermittlungsgesetz gibt es Widerstand. Sachsens Politiker sollen im Bund gegen das Gesetz stimmen, fordert Zimmermann. Ebenso soll die Grunderwerbssteuer bei 3,5 Prozent bleiben und für Eigennutzer möglichst abgeschafft werden. Sozialer Wohnungsbau werde zwar gebraucht, aber eben nur dort, wo er notwendig ist. Zimmermann sieht hier die Wohnungsbaugenossenschaften in der Pflicht, die diesen Auftrag erfüllen können und müssen.
Auch Vetterlein teilt diese Ansicht: “Oberstes Ziel der überwiegend kommunalen Wohnungsunternehmen in unserem Verband ist es, dauerhaft bezahlbaren Wohnraum für alle Bevölkerungsschichten bereitzustellen. Dabei sind sie allerdings auf Unterstützung aus der Politik angewiesen, die die Rahmenbedingungen vorgibt. Neue Regulierungen wie die geplante Mietpreisbremse sind in diesem Zusammenhang kontraproduktiv und werden nicht zu mehr bezahlbarem Wohnraum für einkommensschwache Haushalte führen, sondern notwendige Investitionen hemmen.”
Als Alternative wurde von den Leipziger Immobilienakteuren ein 7-Punkte-Programm für einen funktionierenden Wohnungsmarkt vorgeschlagen: Zum ersten bedürfe es einer Erhebung belastbarer Daten zu Bevölkerungs- und Wohnungsmarktentwicklung, insbesondere eine Erfassung der Leerstände sowie geplanter Wohnungsbau- und Revitalisierungsprojekte. Des Weiteren müssen Neubauvorhaben und Bestandsreaktivierungen unterstützt werden, welche den unteren und mittelpreisigen Wohnungsmarkt durch Angebote im höheren Mietpreissegment entlasten. Ebenso sollen preiswerten Neubauprojekten durch Grundstücksvergabe nach Konzept statt nach Höchstpreis unterstützt werden. Die Beschleunigung der Verwaltungspraxis bei der Erteilung von Baugenehmigungen sowie der Bescheinigung von Baudenkmalen für Finanzämter müsse forciert werden und es soll ein anwenderfreundlicher Mietspiegel erarbeitet werden. Die ressortübergreifende Erarbeitung eines zusammenfassenden wohnungsmarktpolitischen Konzeptes ist bereits in Arbeit.
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