Wie weiter mit der Verbundnetz Gas AG (VNG) und dem Standort Leipzig? - Das bewegt seit dieser Woche wieder die Leipziger Stadtgesellschaft. Zumindest all jene, die so ein bisschen ahnen, wie wichtig die VNG sein könnte. Am 14. März wurde Oberbürgermeister Burkhard Jung durch den Vorstand der EWE gemeinsam mit Vertretern von Wintershall über die geplante Übernahme der von Wintershall gehaltenen VNG-Anteile durch EWE informiert worden.

Die EWE Aktiengesellschaft aus Norddeutschland besaß bislang 47,9 Prozent der Anteile an der VNG, Wintershall 15,79 Prozent. Damit wird aus dem größten Aktionär der VNG auch der Mehrheitsaktionär.

Burkhard Jung: “Wir stehen im Kontakt mit den Mitaktionären der VNG. Der neu entstehende Mehrheitsaktionär hat der Stadt gegenüber klar erklärt, die VNG AG am Standort Leipzig nachhaltig weiterentwickeln zu wollen. Die aktuelle Entwicklung bestärkt uns umso mehr in unserer Strategie, die Sperrminorität im Kreise der kommunalen VUB-Anteilseigner zu sichern.”

Zehn ostdeutsche Kommunen bzw. ihre Stadtkonzerne halten bislang diese Sperrminorität von 25,79 Prozent, die unter anderem auch verhindert, dass das Unternehmen seinen Sitz verlegt. Der Vollständigkeit halber sei noch der dritte große Anteilseigner der VNG genannt: Die russische Gazprom hält 10,52 Prozent der Anteile.

Das Problem für Leipzig ist derzeit weniger der Mehrheitseigner, sondern der drohende Verlust der Sperrminorität. Denn anders als Leipzig haben die anderen Kommunen kein existenzielles Interesse an diesen Anteilen. Sie bekommen zwar ihre Ausschüttungen, die die VNG in der Regel auch erwirtschaftet. Aber die wertvollen Arbeitsplätze und die so wichtigen Steuereinnahmen helfen vor allem Leipzig, das innerhalb der VBOB mit 7,02 Prozent der größte Anteilseigner ist.

Jetzt hat aber die thüringische Landeshauptstadt Erfurt angekündigt, sich von ihrem 4,21-Prozent-Anteil trennen zu wollen. Die anderen Kommunen haben zwar ein Vorkaufsrecht. Aber ganz billig sind die Anteile der VNG, die immerhin zu den 100 größten deutschen Unternehmen gehört, nicht.

Es ist ein Abwägen, wie weit Leipzig alles dafür tun will, das Unternehmen am Standort zu halten, oder seinen Verlust, der auch den Freistaat in der Pflicht sieht. Denn VNG würde nicht nur Leipzig verloren gehen, sondern auch Sachsen.

Leipzig hat zwar per Wortmeldung die Option auf das Vorkaufsrecht der Erfurter Anteile angemeldet. Aber jetzt muss erst einmal geprüft werden, wie es gelingen kann, diese Aktien weiter in kommunaler Hand zu halten. In Rede stehen bis zu 85 Millionen Euro.Reiner Engelmann, Stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Leipziger Linken, zu den möglichen Auswirkungen eines Nicht-Kaufs: “Mit 1.100 Beschäftigten und durchschnittlich zirka je 15 Millionen Euro jährliche Steuereinnahmen ist die Rettung der Sperrminorität ein Akt der Existenzsicherung für Leipzig aber auch für den Freistaat.”

Seine Befürchtung: “Wieder stehen die Ostdeutschen ohnmächtig da – ihr Eigentum droht verramscht zu werden. Noch vor wenigen Wochen hat der Aufsichtsratsvorsitzende von VNG, Dr. Rainer Seele, der zugleich Vorstandsvorsitzender von Wintershall ist, erklärt, dass man zu VNG stehe. Wem darf man in dieser Gesellschaft noch glauben? Verantwortungsbewusstsein und Ehrlichkeit sind in der Deutschen Gesellschaft offenbar entwicklungsbedürftig!”

Und so fordern die Linken den Oberbürgermeister auf, “alles zu tun, damit VNG der Stadt und dem Freistaat erhalten bleibt.”

Einen Fragenkatalog für den Oberbürgermeister hat die Linksfraktion auch schon zusammengestellt:

1. Welche Bedeutung misst die Staatsregierung der VNG AG am Standort Leipzig zu?

2. Sind 1.100 Arbeitsplätze in Sachsen und ein durchschnittliches Körperschaftssteuereinkommen von etwa 15 Millionen Euro in den vergangenen 23 Jahren für die Staatsregierung relevante Einflussgrößen? Wie hoch ist der Anteil des Freistaates am Aufkommen der Körperschaftssteuer? Wie viele vergleichbare Unternehmen mit Konzernsitz in Sachsen gibt es? Wie hoch ist der Anteil der 500 größten Unternehmen Deutschlands, die ihren Sitz in Sachsen haben, gemessen am Umsatz?

3. Sieht die Staatsregierung den VNG-Standort Leipzig durch die Übernahme der Anteilsmehrheit als gefährdet an? Kann die Staatsregierung ausschließen, dass der VNG-Konzern zerschlagen und der Standort Leipzig aufgegeben wird? Welche Zusagen hat EWE gegenüber der Staatsregierung bezüglich des Standorterhaltes gemacht?

4. Auf welche Weise beabsichtigt die Staatsregierung, ihrerseits zum Standorterhalt beizutragen?

5. Seit wann ist der Staatsregierung bekannt, dass Wintershall ihr Aktienpaket veräußern möchte? Ist die Staatsregierung der Auffassung, dass der Erhalt der kommunalen Sperrminorität der VUB zur Standortsicherung wichtig ist? Wenn ja, wie beabsichtigt sie, die Kommunen dabei zu unterstützen?

Weitere Informationen

www.vub-online.de
www.vng.de

Sperrminorität bei Wiki
de.wikipedia.org/wiki/Sperrminorität

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