Schmückt sich die Leipziger Kongressszene mit fremden Federn? Oder ist es ein besonders pfiffiges Marketing-Projekt für Leipzig, wenn "Do it at Leipzig" und LTM zusammen eine Broschüre mit dem Titel "Verborgenes Leipzig" herausgeben? Einen Guide, wie sie es nennen. Als gäbe es so etwas in Leipzig noch nicht.
Einfach zur Erinnerung: Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von Leipziger Stadtführern, die diese Stadt aus anderer Perspektive zeigen – als (ehemalige) Buchstadt, als Musikstadt, als Stadt der Dichter, als Gründerzeit-Stadt, sogar als Tatort. Geschrieben von Leipziger Autoren, die ihre Stadt tatsächlich kennen und nicht von “Szene” reden müssen, weil das Besondere nichts mit Szene zu tun hat. Und trotzdem besonders ist. Diese Bücher stehen in allen gut sortierten Buchhandlungen, kosten mal 9,99 Euro, mal 5 Euro, mal 12 Euro. Je nach Geschmack und Thema.
Es brauchte kein Brainstorming, um dieses Leipzig zu entdecken. Es brauchte nur einen kleinen Weg auf den Markt zu Bachmann oder in eine andere gut sortierte Buchhandlung.
Doch in diesem 2000 gegründeten Verbund “Do it at Leipzig”, in dem sich die Leipziger (Tagungs-)Hotelbetreiber, das Congress Center Leipzig und der damalige Tourist Service, der inzwischen in der LTM aufgegangen ist, zusammen taten, macht man sich solche Mühe nicht. Man setzt sich lieber hin, wie Volker Bremer, Geschäftsführer des LTM, erzählt, und macht sich Gedanken darüber, was eine Kongressstadt Leipzig so besonders macht. Das Vorhandensein der in Beton und Stahl und Glas gebauten Infrastruktur bestimmt nicht. “Das setzen Kongressveranstalter einfach voraus”, sagt André Kaldenhoff, Geschäftsbereichsleiter des Congress Center Leipzig (CCL). Was aber die Entscheidung beeinflusst, sind die “weichen Faktoren”, die den Tagungsort von anderen unterscheiden. “Authentizität”, sagt Kaldenhoff.
Das habe man, so sagt er, schon im aktuellen Kongress-Werbematerial abgebildet. “Feel the spirit” steht darauf. Und es sind Leute wie Gewandhauskapellmeister Riccardo Chailly, Thomanerknabe Johannes Hildebrandt, Prinzen-Sänger Tobias Künzel oder Herzspezialist Prof. Friedrich-Wilhelm Mohr, die der Stadt ein Gesicht geben. Im Hintergrund: Mädlerpassage. Gondwanaland, Porsche, Universitätsbibliothek. Vorm Wolkenlabor des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung sieht man Falco-Chef Peter Maria Schnurr in einem seltsam steifen Gespräch mit Maler Neo Rauch. Schon diese Broschüre zeigt, wie die Akteure von “Do it at Leipzig” die Stadt sehen. Und was sie für den “Geist” dieser Stadt halten.
Und sie lässt ahnen, warum es von den Herren aus der Nachdenk-Runde keiner geschafft hat, in den nächsten Buchladen zu gehen. Dann hätten sie nämlich gesehen, dass das, was ihnen da so flippig eingefallen war, schon da war.Sie wollten noch ein bisschen mehr für ihre Kongressteilnehmer als das, was sowieso bekannt ist – Bach, Thomaskirche, Völkerschlachtdenkmal. Auch ein bisschen mehr als das, was in den letzten Jahren tatsächlich positive Effekte im Stadtmarketing gebracht hat – nämlich die Fokussierung auf Kultur- und Musikstadt.
Die Zahlen sprechen für diese Fokussierung (die ja mit Mendelssohn, Schumann, Bach, Wagner … auch hochkarätig gefeiert wurde). “Wir haben damit Leipzig als die Musikstadt in Europa platziert”, sagt Bremer. 2013 wird es einen neuen Besucherrekord für Leipzig geben. Schon im November waren 2,5 Millionen Gäste da. Für den 31. Dezember rechnet Bremer mit mehr als 2,7 Millionen. “Da ist Potenzial für 3 Millionen” sagt er. Und erwartet die Zahl spätestens 2015. “3,5 bis 3,8 Millionen sind drin.”
Aber irgendwie möchte man den Tagungsteilnehmern noch mehr bieten. “Die Fragen auch an der Rezeption oft, was es an Besonderheiten gibt”, sagt Axel Ehrhardt, Chef der Leipzig Hotel Alliance, Sprecher der “Do it in Leipzig”-Initiative. Denn Welt-Reisende, die schon allerlei Tagungs-Städte kennen, die wollen irgendwann raus aus der berühmten Touristenmeile. Die wollen gern auch erleben, wie die besuchte Stadt dort tickt, wo sie die Einwohner toll finden.
In Leipzig also: raus aus der City.
Also beauftragte “Do it at Leipzig” die Leipziger Agentur Ideenquartier, einmal eine solche Publikation herzustellen, die Leipzig aus der “verborgenen” Perspektive zeigen soll. Die Bilder fertigte Tom Schulze, grafisch umgesetzt hat es die Agentur Artkolchose.
Aufgeteilt ist das Büchlein nach den vier Himmelsrichtungen. 143 Tipps aus dem “verborgenen Leipzig” stehen drin, die meisten nicht wirklich verborgen. Und dass André Kaldenhoff eine andere Vorstellung hat von dem, was “angesagt” ist, als der fürs Heft zuständige Jörg Müller – geschenkt. Aber das Buch schauen wir uns noch extra an. In aller Ruhe. Vielleicht gibt’s ja doch was zu entdecken für Leipziger.
Für Gäste bestimmt. Für die ist jeder Weg abseits der City natürlich eine Entdeckung. Aber – auch das war bei der Vorstellung der Publikation am Mittwoch, 5. Februar, – ein wenig zu dick aufgetragen: Für dieses Leipzig wirbt schon längst nicht nur eine unfassbare Mund-zu-Mund-Propaganda. Nicht nur für die “Karli” und nicht nur für den Leipziger Westen.
Im Gegenteil: Engagierte Stadtführer bieten seit Jahren umfassende Themen-Touren dazu an. Evendito, das solche Stadtteiltouren anbietet, steht zum Beispiel mit drin im Heft – die anderen Anbieter fehlen alle. Das ist peinlich. Ein vom LTM betreutes Heft sollte wenigstens an dieser Stelle konsequent sein. Das hat wirklich nichts mit “Szene” zu tun.
Und anders als bei all den anderen Stadtpublikationen, die ohne Förderung und Zuschuss auskommen mussten, gab’s hier richtig Geld, damit losproduziert werden konnte. “Im unteren fünfstelligen Bereich”, sagt Volker Bremer. Die Initiative “Do it at Leipzig” hat was gegeben, der LTM und der Freistaat aus seinem Tourismus-Fördertopf. 5.000 Broschüren à 140 Seiten wurden in Deutsch gedruckt, weitere 2.500 in Englisch.
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Die Vorstellung wurde am Mittwoch, 5. Februar, in der nato in der Karl-Liebknecht-Straße inszeniert. Beinah schön glatt. Aber Marion Salzmann, die die Villa Hasenholz in Leutzsch vor fünf Jahren zum Leben erweckt hat, gab dann noch ein bisschen Kritik dazu. Berechtigte Kritik. Denn die Szene, mit der man sich in diesen “Tipps abseits bekannter Wege” schmückt, ist genau jene Szene, die man in Leipzig knapp hält. Fördermittel werden gekürzt, echte Unterstützung für diesen lebendigen Teil der Leipziger Kreativwirtschaft gibt es bis heute nicht – außer hochmütigen Vorschlägen, wie sich diese Szene doch bitte besser vernetzen kann.
Dass diese Szene seit Jahren dafür sorgt, dass Leipzig seinen guten Ruf als kreative Stadt nicht verliert, wird nicht honoriert. Im Gegenteil. Nicht nur Marion Salzmann hat die Erfahrung gemacht, dass auch städtische Behörden stur sein können, wenn es darum geht, Projekte wie die Villa Hasenholz zu behindern. In diesem Fall das Bauordnungsamt, das Leute ohne dicke Geldbörse genauso behandelt wie eben jene reichen Investoren, die dann eingeflogen kommen, wenn die kreativen Pioniere einen Stadtteil aus seiner Todesstarre erlöst haben.
Pionierarbeit wird in Leipzig weder ausreichend gefördert noch belohnt.
Verständlich die Angst von Marion Salzmann, dass dann, wenn die Villa Hasenholz zum Publikumsmagneten geworden ist, die “Heuschrecken” einfliegen und “den Stadtteil fressen”. Sie wollte dann das bunte Buch auch nicht so hoch in die Kamera halten. Und das ist nur zu verständlich.
6 Euro soll es übrigens kosten – als Schutzgebühr. Erhältlich in der Tourist-Information in der Katharinenstraße.
Parallel dazu hat der LTM auch eine Website aufgelegt, wo das Ganze noch einmal dargestellt ist – und mit der Zeit auch erweitert werden soll. Es gibt auch eine englische Variante des Ganzen.
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