Die festgefahrene "Energiewende" bereitet auch den Leipziger Stadtwerken zunehmend Probleme. Seit den 1990er Jahren betreiben sie ein eigenes Gaskraftwerk. In den vergangenen Jahren haben sie zweistellige Millionenbeträge in die Erneuerung der beiden Gasturbinen investiert. 2009/2010 - so bestätigt Peter Lintzel, Prokurist der SWL - war auch für die Stadtwerke Leipzig die Welt noch in Ordnung. "Die GuD-Anlage trug ordentlich zum Betriebsergebnis bei", sagt er. "Und kaum jemand hat damals erwartet, wie rasant sich die Situation verändern wird." Denn da kam 2011.

Nicht nur mit Fukushima. Sondern auch mit einem Schwellenwert, den die Erneuerbaren Energien in Deutschland überschritten. Bis dahin konnten die Strommengen aus den alternativen Anlagen noch gut kompensiert werden. Die konventionellen Meiler drosselten ein wenig ihre Produktion, manche gingen einfach auf Grundlast herunter, es gab keine wesentlichen Probleme im Netz. Doch 2011 wurde eine wichtige Schwelle überschritten: Die Stromerzeugung aus alternativen Energien (Solar, Wind, Biomasse) überschritt erstmals die 10-Prozent-Marke an der deutschen Stromerzeugung.

Von den Effekten, die dann mit dem Frühjahr 2011 sichtbar wurden, war eine ganze Menge Leute überrascht. Und es würde nicht verwunderlich sein, wenn Telefonprotokolle auftauchen, die einige Alarmanrufe der deutschen Energiewirtschaft im Bundeskanzleramt belegen. Ohne den hektischen Schwenk nach Fukushima sähe es jetzt noch wesentlich dramatischer aus auf dem deutschen Strommarkt. Und nicht nur ein Energieriese würde ums Überleben kämpfen.

Denn Überproduktion heißt am Spotmarkt an der Leipziger Energiebörse EEX schlicht: Der Handelspreis rauscht in den Keller. Wer nicht unterm Handelspreis bleiben kann, weil seine Anlage zu teuer produziert, wird seinen Strom nicht los. Er muss sein Kraftwerk drosseln.

So geschehen seit 2011 vor allem bei deutschen Gaskraftwerken. Es liegt genau an diesen Grenzkosten bei der Herstellung von Strom, die je nach Kraftwerksart verschieden sind. Am niedrigsten sind sie derzeit bei Kernkraftwerken. Da wird zwar seit 2011 eine Brennelementsteuer erhoben, diese wird aber durch die vier großen Energiekonzerne juristisch angefochten. Aber die Grenzkosten von Kernkraftwerken bestehen eben auch dann nur aus sehr geringem Aufwand für die Brennelemente und der Kernbrennstoffsteuer – damit sind sie immer noch die kostengünstigsten konventionellen Kraftwerke.

Nächstbilligste Stromart – weil über ganz andere Kanäle hoch subventioniert – ist der Strom aus Braunkohle.

Es ist ja schon jetzt spürbar: Ein Drittel der Atommeiler ist zwar schon vom Netz – dafür haben die Kohlekraftwerke ihre Produktion hochgefahren. Und der CO2-Ausstoß in Deutschland steigt – was eigentlich mit der “Energiewende” verhindert werden sollte. Dass die Kohlekraftwerke in die Lücke springen, hat mit ihren Produktionskosten zu tun: Sie können billiger produzieren als zum Beispiel Gas- oder gar Ölkraftwerke.

An der Börse verdrängt also der preiswertere Strom aus Kohlekraftwerken jene Stromerzeuger, die so billig nicht produzieren können – Ölkraftwerke (die es in Deutschland kaum noch gibt) und Gaskraftwerke. Womit die Stadtwerke, die vor zehn Jahren, quasi mit Beginn der “Energiewende”, erst ihre Millioneninvestitionen in die Übergangstechnologie Gaskraftwerk oder in KWK-Anlagen gestartet haben, die Gelackmeierten sind. Und jetzt heftige Probleme bekommen. Die teuren Anlagen amortisieren sich nicht.Ist nun die Frage: Haben die Stadtwerke Leipzig die 40 Millionen Euro, die sie in den letzten vier Jahren in die Erneuerung ihrer Anlagen investiert haben, in den Sand gesetzt?

“Ganz bestimmt nicht”, sagt Peter Lintzel, Prokurist der Stadtwerke Leipzig. “Ohne die Investition stünden wir deutlich schlechter da.” Denn ein Teil der Gelder floss vor allem in die Erhöhung der Effizienz der Gas-und-Dampfturbine in der Eutritzscher Straße, die in dieser Kopplung sowieso schon einen hohen Wirkungsgrad hat. Denn sie produziert – anders als viele der in Deutschland neu gebauten Gaskraftwerke – eben nicht nur Strom aus Gas, sondern aus der Abwärme gleichzeitig auch Fernwärme für tausende Leipziger Haushalte. “Den Effizienzgrad bei der Stromerzeugung aber haben wir noch einmal um 2 Prozent erhöht und die Leistung um 4 Megawatt gesteigert”, sagt Lintzel.

Das ist bares Geld. Erst recht dann, wenn es kalt wird und die Stadtwerke die Turbine anschmeißen müssen, weil die Kunden natürlich ein Anrecht auf warme Wohnungen haben.

Die Kopplung von Strom- und Wärmeerzeugung hat bis jetzt verhindert, dass die GuD-Anlage der Stadtwerke Leipzig zum Geldfresser wurde.

Aber die dramatischen Änderungen auf dem Strommarkt gehen auch an Leipzig nicht vorüber. 2011/2012, so Lintzel, lief das Kraftwerk in der Eutritzscher Straße noch ungefähr 6.000 Stunden. “In diesem Jahr mussten wir schon deutlich herunterfahren”, so Lintzel. “Wir werden ungefähr bei 4.600 Betriebsstunden herauskommen.”

Für 2014 hält er es für möglich, dass es nur noch 3.000 Betriebsstunden sein werden. Denn der Ausbau der Erneuerbaren Energien geht ja weiter. Da hilft auch die seltsame Bremser-Politik der schwarz-gelben Regierung in Sachsen nichts. Auch alternative Erzeugeranlagen haben einen Investitions- und Planungsvorlauf von ungefähr zwei bis vier Jahren. Heute schon werden 15 Prozent des Stroms aus alternativen Energien gewonnen. Bald werden es 20 Prozent sein.

Lintzels Prognose: “Noch fünf Jahre halten auch wir das nicht durch.”

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So wie der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) sieht auch er die Politik in der Verantwortung. Das Herumdoktern an einzelnen Symptomen des Problems, wie es die vergangene schwarz-gelbe Regierung praktiziert hat, müsse aufhören. Ein Wunsch der deutschen Stadtwerke hat sich mit der neuen Regierungsbildung schon erfüllt: Mit Siegmar Gabriel (SPD) gibt es endlich den gewünschten Superminister für Wirtschaft und Energie – das wichtige Thema Energiewende wird nicht mehr im Clinch zwischen Wirtschafts- und Umweltressort zerredet. Wenn es Lösungen geben soll, dann müssen sie aus einem Guss sein.

Ob ein wichtiges Regularium tatsächlich irgendwann greift, bezweifelt Peter Lintzel. “Gegen eine richtige Beschränkung der CO2-Zertifikate werden vor allem die osteuropäischen Staaten opponieren.” Der Zertifikatehandel ist nun einmal ein europäisches Thema. Da kann Deutschland keinen Alleingang machen. Außer es geht eigene Wege wie England und Frankreich und erhebt eigene CO2-Steuern.

Dass es Übergangstechnologien geben muss, die die Grundversorgung mit Energie sichern, so lange die Strukturen für eine sichere Versorgung aus alternativen Energien nicht stehen, sieht Lintzel als wichtige Lösungsaufgabe für den neuen Superminister. “Denn wenn die Bundesregierung solche Kraftwerksreserven will, muss sie sie auch bezahlen. Da hilft kein Verbot, die Kraftwerke einfach stillzulegen. Da fragen die Betreiber zu Recht, wer den Weiterbetrieb dann bezahlen soll.”

Denn auch nicht fahrende Kraftwerke kosten Geld – bis hin zum Personal, das in Bereitschaft gehalten werden muss. Der neue Energieminister hat also einen Berg von Aufgaben auf dem Tisch. Und wirklich viel Zeit, Lösungen anzubieten, hat er nicht. Den ersten Stadtwerken jedenfalls läuft die Zeit davon.

www.swl.de

www.vku.de

Zur Meldung der VKU zum Thema Energiewende: www.vku.de/service-navigation/presse/pressemitteilungen/liste-pressemitteilung/pressemitteilung-9013.html

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