Am 5. Dezember griff die "Süddeutsche Zeitung" zu den ganz großen Lettern. "Deutschlands Stadtwerke schlagen Alarm" hieß es da. "Die schwere Krise der Energiebranche erfasst Deutschlands Stadtwerke." Und Ivo Gönner, Präsident des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), wurde zitiert: "Vielen drohen Löcher in der Bilanz." Die nahe liegende Frage: Betrifft das nicht auch die Stadtwerke Leipzig?
Das Problem, das sich jetzt zuerst verstärkt bei Stadtwerken im Ruhrpott bemerkbar macht, aber mittlerweile auch Stadtwerke im Süden Deutschlands betrifft, ist ein Teilaspekt dessen, was man heute noch immer gern “Energiewende” nennt, obwohl mittlerweile mehrfach an diesem einst von Rot-Grün gestarteten Projekt herumgedoktert wurde. Denn zumindest der damaligen Regierung war noch klar, wie komplex es ist, die komplette Energiewirtschaft eines Landes von konventioneller Erzeugung auf erneuerbare Energiequellen umzustellen. Das geht weder von heute auf morgen, noch einfach nur dadurch, dass man den Ausbau von Wind- und Solarkraft subventioniert.
Mehrere Energiekonferenzen auch in Leipzig haben mittlerweile deutlich gemacht, was passiert, wenn wichtige Steuerungen nicht funktionieren, wenn Speicher und Trassen fehlen oder nicht rechtzeitig fertig werden oder wenn gar der Strompreis in die Knie geht, weil der Markt auf einmal überschwemmt ist mit billigem Strom. Damit entfiel eigentlich die Finanzierungsquelle für die EEG-Umlage, so dass genau diese nun seit 2001 kräftig angestiegen ist.
2011 ist so ein Knackpunkt in der ganzen Geschichte. Nicht nur durch den Reaktorunfall in Fukushima, der die Bundesregierung binnen weniger Wochen zum eiligsten Rückzug in Sachen Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke bewegte. Wobei bis heute nicht wirklich geklärt ist, was die schwarz-gelbe Merkel-Regierung zu dieser Kehrtwende bewog – wenn man die Hoffnung einmal beiseite lässt, sie hätte damit die Wahlen in Baden-Württemberg noch beeinflussen können. Immerhin steht dort ein großer Teil der deutschen Atommeiler, die nun bis Ende des Jahrzehnts doch vom Netz sollen. Wie vor über 10 Jahren beschlossen, damals eben als Teil der rot-grünen Energiewende.
Denn ein Markt für Strom aus erneuerbaren Energien entsteht nur, wenn parallel die konventionelle Energiegewinnung zurückgefahren wird. Das bedeutete von Anfang an: allmähliches Abschalten der Atommeiler, keine neuen Kohlekraftwerke und ein mittelfristiges Auslaufen der Kohleverstromung. Befördert durch das wichtige Instrument der CO2-Zertifikate: Unternehmen mit hohem Ausstoß an CO2 müssen Zertifikate erwerben, die im Lauf der Zeit künstlich verknappt werden, so dass sie teurer werden. Damit würde Kohlestrom teurer, der Betrieb von Kohlekraftwerken würde sich nach und nach nicht mehr rechnen.Doch die Verknappung ist nicht geschehen. Im Gegenteil. In den ersten Jahren wurden die Zertifikate einfach verschenkt. Erst ab 2014 kosten sie ein bisschen was – aber nicht genug, um den Preis des Kohlestroms nachhaltig zu beeinflussen.
Das Ergebnis konnten die Bundesbürger jetzt schon zwei Sommer lang beobachten – wenn die Sonne scheint und der Wind weht, ist das Netz voller Strom. Es ist so viel, dass ihn die Bundesrepublik sogar billig ins Ausland exportieren muss. Übrigens zum Ärger der dortigen Kraftwerksbetreiber, die damit ihren Strom nicht mehr loswerden.
Diese Überproduktion hat auch noch einen weiteren Effekt: Die Stadtwerke, die fast alle in den letzten Jahren viel Geld in neue Gaskraftwerke investiert haben, müssen ihre Kraftwerke ausschalten. Oder drosseln. Und das, obwohl die Gaskraftwerke ursprünglich als Begleittechnologie gedacht waren, die dann aktiv wird, wenn Wind und Sonne nicht zur Stromerzeugung verfügbar sind.
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Ein weiterer Aspekt war der Bau neuer Gaskraftwerke als Kraftwärmekopplungsanlagen. Auch das ursprünglich Teil der Energiewende-Strategie: Bis 2020 sollten sie auf 25 Prozent Anteil an der Stromerzeugung ausgebaut werden. Denn anders als konventionelle Kraftwerke lassen sie sich tatsächlich “an- und ausschalten”, sind leicht regelbar, können binnen weniger Minuten auf Volllast gehen, wenn der Wind wegbleibt (oder zu stark ist) oder/und die Sonne hinter Wolken verschwindet.
Damit wären die Stadtwerke “der ideale Partner der Energiewende” gewesen.
Doch schon vor einem Jahr warnte der damalige SWL-Geschäftsführer Thomas Prauße: Das Herumlavieren auf politischer Ebene hat die Energiewende aus dem Gleis geschleudert. Und das wird zur Gefahr für die Stadtwerke.
Wirklich passiert ist – außer weiterem Herumlavieren – auf politischer Ebene seitdem nichts. Das bekommen auch die Stadtwerke Leipzig zu spüren.
Mehr dazu hier auf L-IZ.de
Energiewende bereitet Stadtwerken zunehmend Probleme (2): “Noch fünf Jahre halten wir das nicht aus”
Stromerzeugung in Deutschland auf Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Stromerzeugung
Artikel “Deutschlands Stadtwerke schlagen Alarm” auf der “Süddeutschen Zeitung”: www.sueddeutsche.de/wirtschaft/krise-der-energiebranche-deutschlands-stadtwerke-schlagen-alarm-1.1836035
Garzweiler-Urteil auf “Spiegel Online”: www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/bergbau-und-garzweiler-verfassungsrichter-erschweren-enteignungen-a-939527.html
Zur Meldung der VKU zum Thema Energiewende: www.vku.de/service-navigation/presse/pressemitteilungen/liste-pressemitteilung/pressemitteilung-9013.html
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