Die Geschäftserwartungen sind gut, die Lage in den meisten Leipziger Wirtschaftszweigen ist auch gut. Trotzdem halten sich viele Unternehmen mit Investitionen derzeit lieber zurück. Darüber ist nicht nur Dr. Thomas Hofmann, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig, verblüfft. Auch bei der Sächsischen Aufbaubank (SAB) versteht man die Zurückhaltung nicht. Die Zinsen sind auf einem historisch einmalig tiefen Niveau. Tiefer geht fast nicht.
Trotzdem beschränken sich die meisten Unternehmen im Kammerbezirk Leipzig vorwiegend auf Ersatzinvestitionen. Nur 19 Prozent wollen ihre Investitionen steigern, 12 Prozent wollen sie lieber senken. Der IHK-Bericht wird dazu recht deutlich: “Trotz der verbesserten Stimmungslage sind die Investitionsplanungen der regionalen Wirtschaft weiterhin nur verhalten. Dieses Ergebnis ist durchaus problematisch, da insbesondere die Ausrüstungsinvestitionen schon 2012 schrumpften und wohl auch 2013 ein – wenn auch geringer – Rückgang zu erwarten ist.”
Ein Faktor könnte sein: Das Geld wird anderweitig gebraucht. Darauf deuten die Aussagen der Befragten in der jüngsten IHK-Umfrage zum Thema Personalplanungen hin. 18 Prozent der Unternehmen wollen ihr Personal weiter aufstocken, nur 9 Prozent denken an eine Reduzierung. Der Aufbau von Erwerbsarbeit werde weitergehen, so Hofmann. Und auch hier sagt er ein “trotz”: Trotz der durchaus zurückhaltenden Konjunktur.
Denn für die Bundesrepublik wird zwar noch ein leichtes Jahreswachstum von 0,3 Prozent vorausgesagt, Sachsen wird ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von 1,2 Prozent vorausgesagt. Wobei solche Zahlen immer mit sehr viel Vorsicht zu genießen sind. Denn nicht ohne Grund benennt Thomas Hofmann mittlerweile die miserable Finanzausstattung der sächsischen Kommunen als Problem. Es wird auch Sachsens Unternehmern immer mehr bewusst, welche immens wichtige Rolle “der Staat” als Auftraggeber, Investor und vor allem auch selbst als Dienstleister spielt. Es ist nicht die sächsische Wirtschaft, die kriselt – es ist der Staat.
Die runde 1 Milliarde Euro, die die sächsische Staatsregierung jedes Jahr dem eigenen Haushalt entzieht, fehlen als Investitionssummen in den Kommunen, fehlen als Bildungsinvestition, fehlen als Konsumkraft von mittlerweile Hunderten fehlenden Polizisten, Behördenmitarbeitern, Lehrern. Und sie fehlen damit logischerweise im Wirtschaftskreislauf. Denn Geld, das für Personalkosten oder Investitionen ausgegeben wird, ist ja nicht “weg”. Es kommt damit gerade erst in Umlauf, sorgt für weitere Aufträge für die Wirtschaft, finanziert damit wieder weitere Arbeitsplätze.
Unternehmen, die direkt von kommunalen und staatlichen Aufträgen profitieren, wissen das. Und sie wissen auch, was passiert, wenn den Kommunen die Luft ausgeht.
Deswegen ist die Sorge um die Inlandsnachfrage, zu der eben auch der Nachfrager Staat gehört, die zweitgrößte Sorge der Leipziger Unternehmen. Die IHK hat auch im Herbst diese Sorgentabelle abgefragt. Bei Energie diesmal etwas differenzierter, denn im Herbst 2012 hatte man den Kummer um Energie- und Kraftstoffpreise noch in einen Topf geworfen.
Doch jetzt differenziert sich das Bild: Mit 47 Prozent ist die Entwicklung der Energiepreise trotzdem noch das größte Sorgenkind der heimischen Wirtschaft. Denn anders als die großen stromintensiven Unternehmen können sich die meisten Leipziger Unternehmen nicht von Netzentgelten und EEG-Umlage befreien lassen. Im Gegenteil: Je mehr “stromintensive” Unternehmen sich befreien lassen, umso mehr zahlen die Kleinen drauf. Die Forderung der IHK ist deutlich. Thomas Hofmann: “Die Neujustierung der Energiewende duldet keinen weiteren Aufschub. Das EEG-Gesetz muss schleunigst überarbeitet werden.”
Eine Möglichkeit wäre die Absenkung der Stromsteuer. Aber auf den Nägeln brennt ostdeutschen Unternehmern auch das Problem des Netzausbaus: Den bezahlen nicht die Stromabnehmer im Süden Deutschlands, sondern die Stromkunden im Gebiet, wo die neuen Leitungen gebaut werden – zum größten Teil im Osten. Diese Kosten, so Hofmann, müssten bundesweit einheitlich umgelegt werden.Die zweitgrößte Sorge – die Inlandsnachfrage mit 46 Prozent der Nennungen – wurde oben schon genannt. Wenn Märkte wie die USA und China schwächeln und die europäische Konjunktur nur langsam wieder in Schwung kommt, brauchen die Unternehmen Aufträge aus dem Inland. Wie schädlich die sächsische Kürzungspolitik ist, wurde ja schon benannt. Doch das Jahr 2014 ist eindeutig auch ein Wendepunkt. In Leipzig drohen die gestiegenen (und zumeist vom Bund übertragenen) sozialen Lasten den Haushalt zu sprengen. Puffer, das durch weitere Einsparungen auszugleichen, gibt es kaum noch. Viele Ämter arbeiten längst an der Belastungsgrenze – manche auch schon ein Stück darüber hinaus.
Drittgrößte Sorge der Leipziger Unternehmen sind mit 40 Prozent der Nennungen die Arbeitskosten. Da spielt auch die Diskussion um den Mindestlohn eine Rolle. Denn viele Branchen in Leipzig arbeiten nicht wirklich weit weg vom diskutierten Mindeststundensatz von 8,50 Euro, etliche auch deutlich darunter. Da funktionieren dann manche Geschäftsmodelle nicht mehr.
Auf Rang 4 der Sorgenkinder hat sich – diesmal abgefragt – die Furcht vor steigenden Kraftstoffpreisen eingereiht. 39 Prozent der Unternehmen nannten diese Sorge.
Andererseits drängt – auf Rang 5 der Nennungen – immer mehr das nächste Problem: der Fachkräftemangel (34 Prozent der Nennungen). Ein Drittel der Unternehmen hat also schon Schwierigkeiten, die geeigneten Fachkräfte zu finden. Allen voran jene zwei Wirtschaftszweige, die in Leipzig gerade einen richtigen Boom erleben: das Baugewerbe und das Gastgewerbe. Das Gastgewerbe klagt sogar zunehmend über fehlenden Lehrlingsnachwuchs.
Noch relativ moderat sorgen sich die Leipziger Unternehmen um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (33 Prozent der Nennungen). Aber diese Rahmenbedingungen sind vor allem die ganzen politisch ungelösten Tagesthemen: die Probleme bei der Energiewende, die für die Unternehmen vor allem Sorgen um die richtige Entscheidung sind – wohin will die aktuelle Regierung denn eigentlich? Nimmt sie den Umbau der Energielandschaft ernst oder eiert sie weiter herum oder spielt gar den Bremser wie die sächsische Regierung? Nichts ist für wirtschaftliche Entscheidungen schlimmer als ein politischer Schlingerkurs.
Und wie sieht überhaupt die künftige Regierung aus? – Zum Zeitpunkt der Umfrage im August und September war das ja noch völlig unklar. Kommen nun Steuererhöhungen? Schon das Wort verunsichert viele Unternehmer. Und wie ist das mit der Diskussion um die Lkw-Maut auf Bundesstraßen?
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Ein Unding, meint Hofmann. Mit Verkehrssteuern und Maut würde der Staat jedes Jahr 47 Milliarden Euro einnehmen – aber nur 20 Milliarden flössen wieder in Verkehrsinvestitionen. Das müsse mehr sein.
Und als Forderung benennt er eben auch: Der Investitionsstau der Kommunen müsse aufgelöst werden. Allein in Leipzig beträgt der über 1 Milliarde Euro. Auch kaputte Infrastrukturen schädigen einen Wirtschaftsstandort, egal, ob das gesperrte Brücken, schleichende Straßenbahnen oder desolate Schulen sind.
Vielleicht ist es genau diese Melange, die die Unternehmen in der Region zögern lässt zu investieren. Zu viel ist politisch ungeklärt und seit Jahren immer wieder als Entscheidung verschoben. An den Finanzierungsmöglichkeiten bei den Banken liegt es kaum, dass nicht investiert wird.
Nur 13 Prozent der Unternehmen sprechen von Finanzierungsproblemen. Da machen selbst die hohen Rohstoffpreise auf den Märkten (27 Prozent der Nennungen) deutlich mehr Sorgen.
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