Dass die Milliarden-Gewinne der US-amerikanischen Internet-Giganten zu einem großen Teil dadurch entstehen, dass sie Steueroasen und Steuerschlupflöcher in aller Welt nutzen, ist schon seit einigen Wochen Diskussionsthema in den Medien. Dass auch deutsche Standorte des Buchversenders Amazon unter dieser Steuervermeidung leiden, war in dieser Dimension noch nicht bekannt. Da zweifeln nicht nur Gewerkschaften an der hiesigen Ansiedlungspolitik.
Der Versandhändler Amazon mit seiner Zentrale in Luxemburg kostet die Stadt Leipzig und dem Freistaat Sachsen jährlich einen zweistelligen Millionenbetrag, der eigentlich als Steuereinnahme fließen müsste. Vom ausgewiesenen Umsatz in Höhe von 8,7 Milliarden Euro werden in Deutschland lediglich auf 10,2 Millionen Euro Gewinn Steuern abgeführt, das sind bei einer Besteuerung von etwa 30 Prozent gerade mal 3,2 Millionen Euro.
Amazon wird also nur mit Bruchteilen seines Gewinns zur Finanzierung des Gemeinwesens herangezogen – ganz im Gegensatz zu normalen Bürgern und auch zu kleinen und mittelständischen Unternehmen, Handwerksbetrieben und so weiter. “Die Bürger des Freistaates müssen ihrerseits dafür zahlen – durch höhere Abgaben und geringere staatliche Leistungen”, kritisiert ver.di-Landesbezirksleiter Thomas Voß. “Weil der Staat ganz legale Möglichkeiten schafft, um Gewinne großer Unternehmen an der Steuer vorbei zu schleusen, ist weniger Geld für Infrastrukturmaßnahmen, für öffentliche Dienstleistungen, Gesundheit, Pflege, Kinderbetreuung, Bildung usw. vorhanden.”
Für Voß ist das nur noch skandalös. “Den Politikern und Finanzbehörden ist dieser Zustand seit vielen Jahren bekannt. Es ist jetzt an der Zeit, endlich etwas dagegen zu unternehmen”, so die Forderung von Voß an die politisch Verantwortlichen beim Bund und in Sachsen. Das bevorstehende G-20-Treffen müsste die Steuergesetze bzw. Doppelbesteuerungsabkommen ändern, damit die Unternehmen ihre Gewinne in dem Land versteuern müssen, wo sie erwirtschaftet werden.Am Donnerstag, 18. Juli, wurde erneut bei Amazon in Leipzig gestreikt. Da ging es zwar nicht um Steuern, aber um die andere Seite der Gewinn-Maximierungs-Mechanismen: die Forderungen zur Aufnahme von Tarifverhandlungen und dem Abschluss eines Tarifvertrages analog dem Tarifvertrag im Einzel- und Versandhandel. Denn wer seine Arbeitskräfte unter Tarif entlohnen kann, verschafft sich natürlich Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz und damit mehr Gewinn.
“Nicht nur in Leipzig zahlt Amazon einen viel zu geringen Teil an Gewerbesteuern”, kritisiert denn auch Mike Nagler von der Antiprivatisierungs-Initiative Leipzig. “In Deutschland kontrolliert Amazon zwischen einem Fünftel und einem Viertel des Online-Versandhandels und erwirtschaftete allein im letzten Jahr einen Erlös in Höhe von 6,5 Milliarden Euro. Gleichzeitig zahlte der Konzern nur einen Bruchteil an Steuern hierzulande. Amazon nutzt einerseits seine Marktmacht, um Renditen auf Kosten der Anbieter und Verlage einzufahren, andererseits fährt der Konzern eine unsoziale Unternehmenspolitik auf Kosten seiner Mitarbeiter und auch der öffentlichen Kassen.”
Über seine Zweckgesellschaft mit Pro-Forma-Firmensitz in Luxemburg schaffe es Amazon, nicht nur die Steuern auf Gewinne auf nahezu null Prozent zu drücken, sondern unterlaufe auch die deutsche Umsatzsteuer bei Produkten wie E-Books. Statt 19 Prozent in Deutschland führt Amazon lediglich 3 Prozent in Luxemburg ab.
“In Deutschland tätige internationale Konzerne wie Amazon müssen zur Kasse gebeten werden”, fordert auch Nagler. “Amazon ist hier nur ein Beispiel von vielen. Steuerflucht ist bei Konzernen wie Amazon aber auch VW oder Daimler gängige Praxis. Diese Konzerne haben alle Tochtergesellschaften in Steueroasen und transferieren einen großen Teil ihres Kapital steuerfrei ins Ausland.”
Hier sei die Bundespolitik gefordert, die diese Praxis bis heute gesetzlich decke. Deutschland müsse sein Steuersystem ändern, dahingehend dass all das, was in Deutschland erwirtschaftet wird, auch in Deutschland besteuert wird.
“Das heißt, dass nicht nur die ausgewiesenen, klein gerechneten Gewinne besteuert werden, sondern auch die hier erwirtschafteten Kapitalentgelte in Form von ausbezahlten Lizenzgebühren und Schuldzinsen, denn die können derzeit ‘legal’ in Steueroasen transferiert werden. Die Kosten dafür tragen die öffentlichen Haushalte, die Steuerzahler und die Beschäftigten”, sagt Nagler. “Amazon muss faire Löhne bezahlen und vernünftige Beschäftigungsbedingungen schaffen! Dass das den Aktionären nicht gefällt, mag sein, sie werden freiwillig nicht bereit sein, sonderlich viel abzugeben. Auch deshalb unterstütze ich den Streik, denn den Beschäftigten steht der gerechte Anteil an dem Geld, was mit ihrer Arbeit verdient wird, zu.”
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