Auf das Teil sind Martin Buhl-Wagner und Markus Geisenberger richtig stolz: zwölf Blöcke mit jeweils 360 Plätzen, problemlos aufzuklappen nach dem Zieharmonika-Prinzip. Und wenn man sie nicht mehr braucht, schiebt man sie wieder zusammen und die Halle 1 ist wieder die Halle 1. 20.000 Quadratmeter Messehalle, der man nicht ansieht, dass sie sich über Nacht in eine Sportarena, ein Kongresszentrum oder eine Konzerthalle verwandeln kann. Das Teil ist nagelneu. Und als erste drauf sitzen durften 4.320 Teilnehmer der World Skills, die vom 2. bis 7. Juli in Leipzig stattfanden.
Am Ende mit zufriedenen Veranstaltern. Buhl-Wagner und Geisenberger, die beiden Geschäftsführer der Leipziger Messe, gehen davon aus, dass die World Skills in Leipzig eine echte Visitenkarte waren. Zumindest für ähnliche Veranstaltungen. Denn bei ihrer Reise um die Welt werden die Weltmeisterschaften der Berufe wohl erst wieder in 20, 30 Jahren vielleicht nach Deutschland kommen.
Aber es gibt genug andere Veranstaltungen, die sich nicht einfach festlegen lassen, die eine große Halle brauchen und eine leicht anzupassende Bestuhlung samt Tribünen. Dergleichen gab es auch in der Vergangenheit auf dem Messegelände – auch in Halle 1. Doch in der Regel mussten die Tribünen immer aufwändig per Hand errichtet werden mit den üblichen Materialien: Stangen, Brettern, jeder Menge Arbeitskraft. Entsprechend teuer war der Aufbau – zwischen 60.000 und 70.000 Euro. Was einige Veranstalter schon arg schlucken ließ. Oder die Messegesellschaft selbst, die den Aufbau selbst finanzieren musste, wenn sie selbst große Parteitage oder Kongresse zu Gast hatte.
Was tun, fragten sich die beiden Geschäftsführer? – Und gingen auf die Suche. Eine europaweite Ausschreibung wurde gestartet. Gesucht: ein flexibles, aber anspruchsvolles und gleichzeitig gut verstaubares Tribünensystem. Fündig wurden sie in Österreich: Ein österreichischer Vertrieb hatte einen slowenischen Skiproduzenten an der Hand, der sich auch auf solche Tribünen spezialisiert hatte. Einklappbar, wie gewünscht. Nur einzelne Segmente einfach so durch die Gegend fahren – das hatte man noch nicht im Programm.
Das war ein kleiner Extra-Wunsch der Leipziger Messe gewesen, um auch in anderen Messehallen flexibel Tribünenelemente aufstellen zu können. Mit Gabelstapler geht das natürlich nicht. Die Tribünenteile mussten schon selber fahren können.
Also fragten die Slowenen in Italien an, wo es eine Firma gab, die so etwas kann. Das Ergebnis: ein echtes Gruppenangebot. Die Leipziger Messe bekam ihren Wunsch erfüllt – eine flexible Tribüne mit 4.320 Plätzen, die Sitze aus Holz geformt und mit Stoff bezogen. “Das ist für solche Tribünen geradezu luxuriös”, sagt Martin Buhl-Wagner. Wenige Tage vor den World Skills waren die Tribünenteile aufgebaut und wurden abgenommen. Ein spannender Moment für alle Beteiligten, denn was in Österreich, Slowenien oder Italien problemlos durch den “TÜV” kommt, muss das in Deutschland, wo derartige Tribünen-Systeme noch keine Tradition haben, noch längst nicht schaffen. Es geht nicht nur um Sicherheit, es geht auch um das Sicherheitsgefühl. Nichts ist bei großen Veranstaltungen schlimmer als eine Panik.
Aber die technische Überprüfung fand nichts zu beanstanden. Etwa 2 Millionen Euro waren nicht umsonst ausgegeben. Und zur Eröffnungs- und zur vierstündigen Abschlussveranstaltung der World Skills bestanden die Tribünen ihren Härtetest. Natürlich waren mehr Leute in der Halle. Sie ist bis zu 15.000 Gäste ausgelegt.Für die Leipziger Messe ist es auch die Definition eines neuen Geschäftsfeldes: Aus Halle 1 wird “Halle EINS”. Die Messehalle 1 wird so zu einer multifunktionalen Eventarena. Damit werde die Strategie der kontinuierlichen Geschäftserweiterung vorangetrieben, betonen die beiden Messe-Geschäftsführer.
“Mit der Halle EINS setzen wir einen erweiterten Fokus auf Events und werden damit deutlich mehr Gastveranstaltungen werben”, sagt Martin Buhl-Wagner, Sprecher der Geschäftsführung der Leipziger Messe. Die mobilen Tribünenelemente sind sehr flexibel in der Messehalle 1 einsetzbar, wodurch eine Vielzahl von Raumvarianten möglich ist. Zudem können die Tribünen-Elemente in die anderen Messehallen gefahren und auch dort eingesetzt werden.
Die Raumgestaltung der Halle EINS kann mit kurzen Auf- und Abbauzeiten unterschiedlichsten Kundenanforderungen angepasst werden. Möglich sind sowohl mehrere Tausend Sitzplätze für Großkongresse oder Tribünen- und Stehplätze für Konzerte als auch aufwändige Kulissen für Fernsehproduktionen oder der Einbau von Infrastrukturen für Sondersportveranstaltungen. Auf den zwölf Tribünenelementen mit je 20 Sitzreihen gibt es insgesamt 4.320 gepolsterte Plätze. Hinzu kommen diverse Bestuhlungsmöglichkeiten, so dass auf 19.200 Quadratmetern Fläche Veranstaltungen mit einer Kapazität von bis zu 15.000 Personen möglich sind. Mit der Auftakt- und Abschlussveranstaltung der WorldSkills Leipzig 2013 hat die Tribünenlandschaft der Halle EINS Anfang Juli ihre Feuertaufe bestanden.Eine eigene Website zur Vermarktung soll die “Halle EINS” auch noch bekommen. Aber eins will die Leipziger Messe auf keinen Fall: selbst ins Veranstaltungsgeschäft einsteigen. Und eine Konkurrenz etwa zur Arena Leipzig soll es auch nicht sein. Was trotzdem nicht heißt, dass viele interessante Veranstaltungen nicht doch abwandern aufs Messegelände. Denn die Akustik in der eigentlich für Sportveranstaltungen gebauten Arena ist nicht wirklich berühmt. “Während wir uns mit dem Thema Akustik von Anfang an beschäftigt haben”, sagt Buhl-Wagner.
Gleichzeitig sind alle Messehallen so gebaut, dass auch die großen Trucks mit der Bühnentechnik problemlos hineinfahren können – die Technik wird an die Decke gehievt, das Konzert kann beginnen. Und verkehrstechnisch ist das Messegelände besser angebunden als das Sportforum. Es gibt kein Parkplatzproblem – gleich nebenan stehen über 3.000 Parkplätze für Verfügung. Ab Dezember gibt es – neben der Straßenbahnanbindung – auch eine Direktanbindung ans Mitteldeutsche S-Bahn-Netz.
Und das Tribünensystem kann über Nacht wechselnden Veranstaltungsformaten angepasst werden. Was dann wieder passt zu einer Messe, die die Philosophie leben will: Nicht die Veranstaltung hat sich dem Raum anzupassen, sondern der Raum der Veranstaltung.
Im Herbst gibt es schon den nächsten Härtetest für das flexible Mobiliar. Dann findet der Bundesparteitag der SPD in Leipzig statt. Und vielleicht haben die Genossen ja mal einen Grund zum Jubeln und Fähnchenschwenken.
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