Im Grunde dreht sich alles um die immer wieder zu Herzen gehende Inszenierung vom großen, wohlhabenden Gönner und von der schönen, begehrten Aufsteigerin. Ein Stoff, viele Male dargeboten, immer wieder gern gesehen und recht unterhaltsam. Wenn da nicht das knallharte wirtschaftliche Kalkül wäre, das hinter der Partnerschaft steht, die am Donnerstagabend, 30. Mai, im Neuen Rathaus zwischen Électricité de France (EDF) und den Leipziger Stadtwerken besiegelt wurde. Weltkonzern trifft Lokalmatador. Und beide brauchen einander. Klein-Paris rückt ein Stück näher an Paris heran.
Für Oberbürgermeister Burkhard Jung ist es eine jener glücklichen Fügungen, die sich aus den zahlreichen Aufführungen Leipziger Spitzenmusik zum Nutzen der einheimischen Wirtschaft im wohlhabenden Ausland ergeben. Kaum sind die vom Gewandhausorchester intonierten Werke Mendelssohns in Paris verklungen, folgt prompt eine Einladung in den Olymp der französischen Energiewirtschaft, in die Zentrale von Électricité de France. Jung hakt Stadtwerke-Chef Prauße unter, der sein Glück kaum fassen kann und – ganz Manager – zuerst daran denkt, um welche gewichtigen Fragen sich das Gespräch denn drehen wird. Oder ist fatalerweise nur ein Small Talk über das Wetter zu erwarten? Die Erregung ist unbegründet. Kaum stehen die Leipziger Emissäre im Büro des mächtigen Henri Proglio, Patron der EDF, kommt dieser unverblümt zur Sache: Wie und wo die beiden ungleichen Partner denn konkret zusammenarbeiten könnten.
So jedenfalls soll sich das kommerzielle Rendezvous vor einem Jahr an der Seine abgespielt haben. Der größte Energiekonzern des Kontinents (72,7 Mrd. Euro Konzernumsatz im Jahr 2012) und “eines der größten deutschen Stadtwerke” (4,05 Mrd. Euro Umsatz im Jahr 2011) bestimmen die erneuerbaren Energien, die gerade mächtig en vogue sind, als Sphäre ihrer Zusammenarbeit.
Im Kern geht es um den größten Nachteil der Erneuerbaren. Sie werden erzeugt, wenn die Natur es will, was nicht unbedingt deckungsgleich mit dem Verbraucherverhalten ist. Deshalb muss eine Zwischenspeicherung her. Gewissermaßen eine gigantische Batterie mit Pufferfunktion. Aussichtsreiche Perspektiven sollen die beiden Wandel-Varianten Power-to-Heat und Power-to-Gas bieten. “Überschüssiger” Strom zum Beispiel aus Windkraftanlagen wird in Wärme und Gas gewandelt, um seine nützliche Kraft zeitversetzt zu entfalten. In diese Richtungen wird in der ganzen Welt geforscht; einen spektakulären, praxistauglichen Durchbruch hat noch niemand vorgelegt. Doch an praktikablen Lösungen forscht zum Beispiel EIFER, das Europäische Institut für Energieforschung in Karlsruhe, worauf Gonzague Dejouany, der Chef der deutschen EDF-Tochter, freimütig bekennt,” man könne ein bisschen EIFERsüchtig werden.”EIFER entstammt der vor zwei Jahren zu Ende gegangenen Phase der Beherrschung von EnBW im deutschen Südwesten durch Électricité de France. Da waren die französischen Energetiker (zu 84 Prozent in Staatsbesitz) weit vorangekommen mit ihrer deutschen Expansion. Die Abnehmer auf dem französischen Heimatmarkt gehören dem de-facto-Staatskonzern sowieso, doch in der mehrgliedrigen deutschen Energiewirtschaft sind an vielen Stellen Stadtwerke zwischengeschaltet, ehe der Strom aus der Steckdose kommt.
Solche Schaltstellen auf dem Weg zum Verbraucher, wo der Umsatz gemacht wird, sind für die an strikte Zentralisierung gewöhnten, expansiven Franzosen von außerordentlichem Interesse. Und in Leipzig bestehen ja durchaus Erfahrungen mit dem Buhlen der Creme de la Creme der gallischen Energiezentralen um die Stadtwerke. Als im Jahr 2007 der andere Riesenakteur, Gaz de France, sagenhafte 520 Mio. Euro für die damals offerierten 40 Prozent der Leipziger Stadtwerkeanteile bot, war dieser Coup als Umarmung der geschätzten Endkunden gedacht. Doch dagegen stimmten die Leipziger, die begehrten, umworbenen, ungemein wertvollen, “viechelanten”, störrischen Verbraucher, damals.
Nun also kommt es zu einer zweiten, über den Transformator der gemeinsamen Forschung laufenden Amoure. Etwas Vergleichbares – die Kooperation des Weltkonzerns mit einem quicken lokalen Versorger – hat es europaweit noch nicht gegeben, bestätigte Gonzague Dejouany auf Anfrage. Es muss den Franzosen also ernst sein mit der SWL-Kooperation. Und die Stadtwerke ihrerseits sind in Leipzig ja bereits an einem Wärmespeicherprojekt dran. French Connection. Da scheint alles zu passen.
Über zwei Jahre läuft der soeben geschlossene Vertrag, über dessen finanziellen Umfang Stillschweigen vereinbart wurde – mit der Option, ihn jederzeit zu verlängern. Das ist auch erforderlich, denn kein Mensch weiß, ob schon in zwei Jahren kommerziell tragfähige, gewinnträchtige Ergebnisse vorliegen werden.
Mag es zwischen Angela Merkel und Francois Hollande auch gerade knirschen, EDF und die Stadtwerke Leipzig liegen sich jedenfalls symbolisch in den Armen und haben einander ein Bündnisversprechen gegeben. Deutsch-französische Zusammenarbeit konkret. Anschließend klangen im Festsaal des Neuen Rathauses die Champagnergläser zum 50. Jahrestag des Elysee-Vertrags. Voilá.
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