Alles fließt, manches stockt. Die Neuvergabe der Stromkonzessionen in den 1999/2000 eingemeindeten Leipziger Ortsteilen hätte zwar schon 2011 erfolgen sollen. Das Bieterverfahren selbst war schon mit Verspätung gestartet. Und dann prallte es gründlich gegen die Wand, als die Stadträte die Bewertungskriterien für die beiden aussichtsreichsten Bewerber einsahen. Die Stadtwerke Leipzig hätten dabei durchaus auch den Zuschlag erhalten können. Oder müssen.

Die Stadtverwaltung empfahl aber die Neuerteilung der Konzessionen an den bisherigen Konzessionär, die enviaM, eine Tochter des RWE-Konzerns. Dabei handelte sie ganz so, als wäre der Kampf um die Konzessionsvergabe ausschließlich ein Leipziger Thema. Tatsächlich liefen und laufen deutschlandweit hunderte Konzessionsverträge aus. Und in dutzenden Kommunen haben sich entweder eigene Stadtwerke gegründet, die die Stromnetze wieder in eigene, kommunale Hoheit nehmen wollten, oder Bürgerinitiativen, die sich für den Rückkauf der Netze stark machen. Der “Spiegel” berichtete darüber am 8. April ausführlich.

Er berichtete auch über den zähen Kamp der Energiekonzerne, die die meisten Netze bisher in ihrer Verfügung hatten und damit auch eines der wichtigsten Mittel in der Hand, die Energiewende in ihrem Sinne zu steuern. Denn autarke Energieversorgung wird nur dann praktikabel, wenn die Kommunen bzw. ihre Stadtwerke auch die Verteilernetze in ihrer Regie haben.

Das Verfahren um die Vergabe der 14 Leipziger Stromnetze wurde von Oberbürgermeister Burkhard Jung im Frühjahr 2012 wieder auf Anfang gestellt. Die nächsten Monate tat sich erst einmal nichts. Im Dezember 2012 wurde das Ganze wieder Thema im Stadtrat. Die FDP-Fraktion hatte das Thema angefragt.

Und bekam von OBM Burkhard Jung die Auskunft, das Verfahren zum Neuabschluss der ausgeschriebenen 14 Konzessionsverträge Strom laufe noch immer. Deswegen werde er sich nicht öffentlich zu Details des Verfahrens äußern. Er habe den Verwaltungsausschuss schon mehrfach informiert. Dies sei der geeignete Ort hierfür, denn man wolle Verfahrenssicherheit, heißt es im Ratsprotokoll.

“Im Zuge der seitens der Stadt beauftragten Überprüfung des Verfahrens mit dem Ziel einer größtmöglichen Rechtssicherheit habe enviaM das Verfahren gegenüber dem Bundeskartellamt im Mai formell gerügt. Vor diesem Hintergrund habe sich die Stadt Leipzig gezwungen gesehen, das Bundeskartellamt über die Ergebnisse der Überprüfung des Verfahrens in angemessener Form zu informieren. Wie bekannt sei, habe das Bundeskartellamt dann der Stadtverwaltung den Vorschlag unterbreitet, auf dieser Grundlage einen aus der Sicht der Stadt konstruktiven und rechtskonformen Kompromissvorschlag zu unterbreiten, der darauf abzielen sollte, das Verfahren in den Zeitpunkt der Angebotsaufforderung zurückzuversetzen. Das hätte eine abschließende Entscheidung der Ratsversammlung noch im Jahr 2012 ermöglicht”, heißt es da. Aber wer gibt schon freiwillig die schon errungene Position auf? Hatte die Verwaltung der Stadt Leipzig nicht vorgeschlagen, enviaM zum Sieger des Verfahrens zu erklären.

Und so stellt das Ratsprotokoll denn lakonisch fest: “Dieser Vorschlag, der zwingend der Zustimmung beider Bieter bedürft hätte, sei seitens enviaM abgelehnt worden. Zur weiteren Abklärung der Rechtssicherheit des Verfahrens auf dieser Grundlage habe die Verwaltung der Kartellbehörde dann weitergehende Informationen übermittelt. Bis heute liege noch keine Rückäußerung der Behörde vor.”

Da war am 15. Dezember 2012. Immerhin ist auch das Verzögern einer Entscheidung Geld wert.

“Wie der im Verfahren befindlichen Vorlage entnommen werden könne, betrage die finanzrelevante Differenz zwischen altem Vertragsstand und einem nach Abschluss des Verfahrens im besten Falle bei 600.000 Euro jährlich plus. Diese Mehreinnahmen seien für 2012 nicht geplant worden. Aus verfahrensrechtlichen Gründen könne mit einer Zuschlagsentscheidung in diesem Jahr auch nicht mehr gerechnet werden. Vor diesem Hintergrund seien zum Zeitpunkt der Haushaltsplanaufstellung für 2013 ebenfalls noch keine Mehreinnahmen unterstellt worden.”

Die alten Konzessionsgebühren waren noch mit den einzelnen Gemeinden ausgehandelt worden. Nicht zuletzt die Linksfraktion hatte gefordert, im neuen Konzessionsvertrag auch höhere, einer Großstadt angemessene Konzessionsabgaben zu veranschlagen.

“Derzeit werde geprüft, ob und, wenn ja, wie weit negativen finanziellen Effekten infolge sukzessiv auslaufender Verträge aufgrund der nicht vorhersehbaren Fortdauer des Verfahrens mittels einer Interimsvereinbarung mit enviaM Rechnung getragen werden könne”, teilte die Verwaltung den Stadträten mit. “Es gehe im vorliegenden Falle darum, ein Höchstmaß an Rechtssicherheit vor einer abschließenden Entscheidung der Ratsversammlung über eine Vergabe zu haben, um das Risiko etwaiger Schadensersatzforderungen weitestgehend zu minimieren. Er, Jung, glaube, dass das die Stadtwerke, enviaM und auch der Stadtrat so richtig verstehen würden.”

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Reik Stadtrat Hesselbarth fragte noch nach, wie lange es nach Einschätzung des Oberbürgermeisters noch dauern werde, bis es tatsächlich zu einer Vergabe komme. Darauf antwortete Burkhard Jung, er habe Grund zu der Hoffnung, “dass man noch in diesem Jahr eine Antwort der Bundeskartellbehörde erhalten werde. Das würde in Abhängigkeit davon, wie das Ergebnis ausfällt, auf jeden Fall dazu führen, dass man nach menschlichem Ermessen im Jahr 2013 zu einem Zuschlag kommen werde.”

Da war der April also ein guter Monat, mal nachzufragen, wie es steht. Die L-IZ schickte einen ganzen Fragenkatalog ins Neue Rathaus. Die Antwort von Matthias Hasberg, Pressesprecher der Stadt Leipzig, fiel dann wieder recht knapp aus: “Das Thema Stromkonzessionen ist ein laufendes Verfahren, zu dem wir uns momentan öffentlich nicht äußern können. Zum Abschluss des Verfahrens werden dann zunächst die Gremien informiert, anschließend die Öffentlichkeit. Dies soll noch vor der Sommerpause geschehen.”

Immerhin etwas.

Eine Untersuchung des Wuppertal Institutes zur Strategie überregionaler Konzerne zur Konzessionierung der Stromnetze findet auf “Spiegel Online”: www.spiegel.de/media/0,4906,31132,00.pdf

Darin heißt es unter anderem: “Die örtliche Energieversorgung in eigene Hände zu nehmen, ist in Deutschland im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung nach Art. 28 II 1 GG verfassungsrechtlich garantiert. Demgemäß sehen auch die Gemeindeordnungen der Länder die wirtschaftliche Betätigung der Städte und Gemeinden vor. Die in diesem Kurzgutachten dargestellten Beispiele verdeutlichen aber, dass die für Kommunen verfassungsrechtlich garantierte Wahlmöglichkeit zwischen Selbstversorgung und Konzessionierung an Dritte in der Praxis durch zahlreiche Hürden und Restriktionen eingeschränkt wird.”

Den Beitrag des “Spiegel” zum Thema “Rückkauf der Stromnetze: So booten Energiekonzerne die Kommunen aus” findet man hier:
www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/methoden-der-energiekonzerne-im-kampf-um-die-staedtischen-verteilnetze-a-893018.html

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar