Drei Millionen Übernachtungsgäste jährlich - das ist das ehrgeizige Ziel, das Volker Bremer, Geschäftsführer der Leipzig Tourismus und Marketing (LTM) GmbH, bis 2015 erreichen will. Ein ehrgeiziges Ziel. Das aber ein Tourismuskoordinator allein nicht schaffen kann. In den letzten Jahren hat sich Leipzig deutlich langsamer an die 2 Millionen herangearbeitet. 2,1 Millionen waren es 2011, 2,4 Millionen werden es 2012 gewesen sein.
Und so richtig weiß niemand wirklich, woran die Steigerung tatsächlich lag. Es ist ein Zusammenspiel verschiedener Ursachen. Die allererste ist eine bundesweit nachweisbare: eine in allen Großstädten sichtbare Zunahme des Städtetourismus. Mit besonderen Zeigerausschlägen in jenen Städten, die zusätzlich zum architektonischen Flair auch noch ein interessantes Kulturangebot bereitstellen. Leipzig gehört dazu. Auch das 2011 eröffnete Gondwanaland gehört als besondere Attraktion dazu – genauso wie die Festivals und Jubiläen, die der LTM überregional und frühzeitig vermarkten kann. 2012 war das zuallererst das Thomana-Festjahr.
Da von 3 Millionen als Zielzahl zu sprechen, ist zumindest mutig. Trotz Wagner, Völkerschlacht und 1.000 Jahre Ersterwähnung.
Um die Reisemotive, die Wahrnehmung sowie die Zufriedenheit der Besucher zu ermitteln, wurde durch die TU Bergakademie Freiberg am Lehrstuhl für Marketing und Internationalen Handel (Prof. Dr. Margit Enke) eine Gästebefragung durchführt. Befragt wurden deutsche Übernachtungsgäste mit touristischen Besuchsmotiven, keine Geschäftsreisenden.
Die Studie ergab einiges. Aber die Ergebnisse sollten wohl mit ganz viel Vorsicht genossen werden. Denn befragt wurden vom 6. Juni bis 30. September 2012 378 Gäste nach einem einheitlichen Fragebogen. Die Befrager sprachen sie in der Innenstadt, am Völkerschlachtdenkmal, am Zoo, vor der Tourist-Info und dem Novotel an. Das ist also schon einmal Mischmasch auf ganzer Linie. Gehören denn die Gäste, die beim Ausflug nach Leipzig zielstrebig das Gondwanaland ansteuern, derselben Kategorie an, die die Museen in der Innenstadt besucht?
Auch die Quote von 58 Prozent der Wiederholungsbesucher kann eigentlich nicht gesondert gewichtet werden. Denn unübersehbar hat man es bei den Leuten, die sich vorwiegend der Befragung zur Verfügung stellten, mit einer besonderen Spezies zu tun. Leuten nämlich, die die Zeit und die Lust haben, im Durchschnitt drei Städtereisen pro Jahr zu unternehmen, dafür 1.300 Euro zur Verfügung haben und für die Station Leipzig auch mal 436 Euro einzuplanen. Da kann ja jeder Leipziger selbst überlegen, ob er dazu gehören würde.
Die Studie wirft tatsächlich ein Blitzlicht auf eine ganz besondere Touristenkategorie, die in den letzten Jahren deutschlandweit wuchs – den relativ gut betuchten Älteren, die das reiche Kulturleben der attraktiven Städte Europas mit zumeist organisierten Bustouren erkunden. Zweiter Anlaufpunkt für einen Großteil der Befragten ist übrigens Dresden. Man muss das Thema also im sächsischen Doppel betrachten.
Kann man natürlich fragen: Was bedeuten dann die überdurchschnittlichen 3,8 Städtereisen pro Jahr bei den Unter-30-Jährigen? Sind das überhaupt Städtereisen im klassischen Sinn? Oder sind das nicht genau jene 70 Befragten, die direkt zum Zoo Leipzig steuerten?Wenn man das nicht differenziert, bekommt man ein sehr vages Bild. Für irgendwelche Steuerungen im Tourismus-Marketing eignet es sich nicht. 12 Prozent der Befragten sind zum Beispiel “Stammgäste” und öfter als zehn Mal im Jahr in Leipzig. Weitere 30 Prozent sind drei bis zehn Mal hier. Was natürlich mit kurzen Anreisen aus Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg und Berlin leicht zu bewerkstelligen ist. 25 Prozent der Befragten besuchten übrigens (u.a.) Verwandte in Leipzig. Das ist der Punkt, an dem man dann nach der Zahl der Übernachtungen sucht – aber sie stehen nicht da.
Was lernt man daraus?
Zumindest ein wenig über das Außenbild der Stadt. Denn wer nach Leipzig kommt, hat Gründe. Und in den Katalogen der Reiseveranstalter muss sich eine Stadt wie Leipzig mit Qualitäten durchsetzen – und zwar gegen die attraktivsten Städte des Landes. Und das scheint zu gelingen. Die meisten Befragten – fast 70 Prozent – nannten die Innenstadt als Attraktion. Weitere 18 Prozent nannten explizit noch einmal Altstadt und Zentrum. Das ist Leipzigs Schatz. Man kann es drehen, wie man will. Erst weit danach kommen Zoo und Gondwanaland und die Leipziger Architektur im Speziellen. Und – da ist der Leipziger selbst verblüfft – Freundlichkeit und Herzlichkeit der Leipziger. Das war immerhin 24 Prozent der Befragten eine Erwähnung wert. Immerhin.
Die Befragung bestätigte auch (wieder einmal) den Bekanntheitsgrad der Leipziger Sehenswürdigkeiten. Dabei lagen Völkerschlachtdenkmal, Nikolaikirche und Thomaskirche praktisch Kopf an Kopf, gefolgt von Auerbachs Keller, Gewandhaus und Oper. Aber auch diese noch im Bereich über 80 Prozent der Nennungen. Unter den Top 4 reiht sich noch der Zoo mit dem Gondwanaland ein. Knapp dahinter – noch vor Weihnachtsmarkt und Bachfest – die Leipziger Buchmesse.
Und das gerinnt dann zu jenem Label, unter dem Leipzig außerhalb seiner nicht mehr existierenden Mauern tatsächlich wahrgenommen wird. Und siehe da: Diese Wahrnehmung ist so komplex wie die Stadt. Und auch künftig werden alle Marketingverantwortlichen grübeln dürfen: Was schreibt man denn nun auf die blauen Schilder auf den Bahnsteigen im Hauptbahnhof? – Wenn es nach dem “Trifft zu”-Level der Befragten geht, müsste es die Universitätsstadt sein. Gleichauf mit einem Label, das in Leipzig immer nur kurz diskutiert wird – und dann verschwindet es in der Versenkung, weil es politisch nicht so opportun ist – die Historische Stadt. Was wieder mit der hohen Wertschätzung der Innenstadt zu tun hat – die Besucher sehen hier eine Stadt, in der Geschichte lebendig und zu greifen und zu sehen ist.
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2,1 Millionen Übernachtungen verzeichnete …
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Dicht dahinter kommen dann die Labels Kulturstadt, Stadt der friedlichen Revolution, Musikstadt und Messestadt. Noch vor Zoostadt und – Überraschung! – Buchstadt. Das muss man wohl auch nicht wirklich alles so separieren, wie es Leipzigs große Stadtmarketing-Experten in den vergangenen Jahren versucht haben. Im Gegenteil. Auch diese Befragung deutet darauf hin, dass es die komplexe Vielseitigkeit dieser Stadt ist, die die Gäste immer wieder zum Kommen animiert. Sie finden hier mehr als das Eine. Viele nehmen das Neuseenland als Teil dieses komplexen Angebotes, genauso die Kneipen- und die Kunstszene.
Margit Enke bringt es in die Kurzbeschreibung “großzügig, weitläufig, einzigartig, facettenreich, modern, weltoffen, leicht, kompakt, sehr schön”. Wenn das mal nicht Attribute sind, die eine Stadt wirklich anziehend machen. Man fährt hin und hat schon beim Hinfahren das Gefühl: Das wird ein leichter, sehr schöner Ausflug. Und für (fast) jeden ist was dabei.
Die Kurzversion der Gästebefragung als PDF zum download.
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